«Ich enthorne meine Brown-Swiss-Kälber», sagt Simon Brügger. Der Landwirt aus dem bernischen Meiringen hat mehr als einmal erlebt, dass eine seiner verkauften Kühe, die er im Anbindestall hält, nach dem Verkauf in einen Laufstall wechselten. Er geht davon aus, dass ihnen dafür die Hörner abgesägt wurden. Denn Laufställe, in denen Hornkühe gehalten werden, gibt es nicht wie Sand am Meer.

Tiefere Erlöse für Kühe mit Horn

Seit Längerem zeigt sich an den Auktionen ein klares Bild. Sind die Marktpreise für Vieh auch noch so gut, behornte Kühe erzielen meist einen deutlich tieferen Verkaufserlös. «Daran wird sich auch künftig nichts ändern», sagt Rolf Hinder. Der grosse Ostschweizer Viehhändler hat sehr wohl Kundschaft für Hornkühe, aber nur beim Braunvieh, wie er sagt. Und dort müssten die Hörner gepflegt sein, sonst will die Kuh niemand. Für rote und schwarze Kühe mit Hörnern hat Hinder keinen Absatz mehr.

Ähnlich sieht es bei den behornten Simmentalern aus. Viele von ihnen gehen in Mutterkuhbetriebe und dort sind die Hörner eher hinderlich. Bei den Simmentalern ortet auch ein Berner Händler Probleme: «Hornlose Simmentaler könnte ich heute 20 oder 30 Stück gebrauchen.» Aber diese Tiere fehlen. Er will diese Aussage nicht unter Angabe seines Namens machen, er wolle seine Kundschaft nicht verärgern.

Hornlose Tiere aus den Nachbarländern

Rolf Hinder hat schon länger keine Kuh mehr enthornt. Er erinnert sich an eine Zeit, wo viele Kühe in seinem Handelsstall enthornt wurden. «Es gab keine hornlosen Kühe und der Markt wollte sie.» Aber das ist Geschichte. Ihm fehlen zwar die hornlosen Tiere aus der Schweiz, die Nachbarländer wie beispielsweise Österreich haben aber auf die gestiegene Nachfrage reagiert und so holt er einen Teil der Tiere für den Mutterkuhkanal in den Nachbarländern, beispielsweise Grauvieh und Simmentaler Fleckvieh. Auf dem Schweizer Markt gäbe es zwar Simmentaler zu kaufen, meist seien diese aber nicht im Kalbesalter enthornt worden. «Aber Kühe enthornen will niemand, weder der Bauer, noch der Händler, noch der Tierarzt», weiss Rolf Hinder. Er ist zudem sicher, nach so einem Eingriff ist das Tier nicht mehr gleich, wie vorher.

Möglichst vermeiden

Das bestätigt auch Adrian Steiner. «Das Enthornen von Kühen, als zootechnischer Eingriff, sollte grundsätzlich vermieden werden», erklärt der Leiter der Nutztierklinik vom Departement für klinische Veterinärmedizin der Universität in Bern. Er vertritt die Meinung: «Wenn die Haltung von behornten Kühen nicht möglich ist, soll auf den Einsatz von genetisch hornlosen Stieren oder auf die Zerstörung der Hornanlage im Kalbesalter bis zu drei Wochen ausgewichen werden.»

Beim Enthornen ab dem Alter von acht Monaten werde beim Rind zwangsläufig die Stirnhöhle eröffnet und freigelegt, führt Steiner aus. Das könne zu schlimmen Stirnhöhlenvereiterungen führen, warnt er auf die Frage nach möglichen Komplikationen. «Hingegen wird bei der Zerstörung der Hornanlage beim Kalb die Stirnhöhle nicht eröffnet. Aber auch beim Kalb muss zur Entfernung der Hornanlage eine lokale Betäubung durchgeführt werden», erinnert er.

Ganze Bestände enthornt

Das Enthornen erwachsener Kühe scheint heute bei allen unbeliebt zu sein. Erlaubt ist es aber nach wie vor. «Beim Aufkommen der Laufställe ab Ende 1980er-Jahre wurden ganze Kuhbestände enthornt. Heute werden adulte Tiere praktisch nur noch aus medizinischen Gründen enthornt, das heisst, bei einem abgebrochenen Horn», sagt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage.Der Markt lässt aber etwas anderes vermuten. Und obschon der Eingriff beim adulten Tier deutlich belastender und mit mehr Risiken verbunden ist, als das Ausbrennen der Hornanlagen beim Kalb, war das Enthornen adulter Tiere bisher nicht Gegenstand politischer Debatten, wie das BLV weiss.

 

Rechtliches und Technisches

«In der Schweiz ist das Enthornen von Kälbern, die mehr als drei Wochen alt sind, Tierärztinnen und Tierärzten vorbehalten», erklärt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die rechtliche Grundlage. Somit gelte das auch für adulte Tiere.

Technisch sei der Eingriff mit der notwendigen Kompetenz durchführbar und die Schmerzausschaltung (Lokalanästhesie) gesetzlich vorgeschrieben. «Tierärzte und Tierärztinnen benutzen zum Absetzen des Horns eine Drahtsäge. Bei adulten Tieren besteht ein erhöhtes Risiko für Blutungen aus den Gefässen rund um den Hornansatz», so das BLV. Beim adulten Tier besteht ein Knochenzapfen, der ins Horn hineinreicht, d. h. eine Ausbuchtung des Schädelknochens. Mit dem Absägen dieses Zapfens wird die Stirnhöhle eröffnet. Das bedeute eine Entzündungs- und Infektionsgefahr.

Bei Ziegen gilt dasselbe bezüglich gesetzlicher Regelung und tierärztlicher Praxis. Weil die Hornbasis bei Ziegen im Verhältnis zum Kopf grösser ist als beim Rind erachtet das BLV ein Enthornen adulter Ziegen ohne medizinischen Grund als nicht vertretbar.