«Nahrungsmittelproduktion hat Vorrang» lautet der Titel der Motion von Beat Rieder (Mitte/VS), in der er die Streichung der obligatorischen 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche (BFF) im Ackerbaugebiet fordert. Nach den Plänen des Bundesrat zur Umsetzung der Par.Iv. 19.475 soll diese Vorschrift ab 2024 Teil des ÖLN werden.

Keine weiteren Flächen aus der Produktion nehmen

Das Inkrafttreten der 3,5-Prozent-Regel wurde bereits als Reaktion auf die schwierige Lage im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine um ein Jahr verschoben. Rieder argumentiert für deren Abschaffung damit, dass es einerseits bereits heute 19 Prozent BFF-Anteil auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche gebe und andererseits angesichts der angespannten Situation auf dem Nahrungsmittelmarkt keine zusätzlichen Parzellen aus der Produktion genommen werden dürften.

Getreide als BFF wird möglich

AboÜbersichtDas ändert sich bei den Direktzahlungen 2023 mit dem AbsenkpfadDonnerstag, 29. September 2022 Der Bundesrat relativiert den voraussichtlichen Ertragsverlust und verweist auf die Möglichkeit, ab 2024 auch Getreide in weiten Reihen als BFF anzumelden. Maximal die Hälfte der geforderten 3,5 Prozent BFF dürften diesem Typ entsprechen, was 4'300 Hektaren entspreche. Ausserdem zitiert der Bundesrat Agroscope: Diese Anbaumethode sei wirtschaftlich interessant und der Ertrag bei Getreide in weiten Reihen liege nur wenig unter dem üblichen Niveau im Getreidebau.   

Produktion auf anderem Weg stärken

Nach Ansicht des Bundesrats tragen BFF auf der Ackerfläche zum Erhalt von für die Produktion essenziellen Ökosystemdienstleistungen wie der Bestäubung bei. Ausserdem würde man die Nahrungsmittelproduktion vielmehr dadurch stärken, dass – in Verbindung mit angepasstem Konsum – mehr Ackerfläche für die direkte menschliche Ernährung genutzt würde.

Der Ständerat hat Beat Rieders Motion bereits angenommen. Sie geht in der kommenden Wintersession (vom 28. November bis 16. Dezember) in die grosse Kammer.

Ziel mit vorgeschlagenen Massnahmen nicht erreichbar

Angesichts der voraussehbaren Auswirkungen müsse der Bundesrat das Reduktionsziel von 20 Prozent weniger Nährstoffverlusten bis 2030 senken, findet Johanna Gapany (FDP/FR). Insbesondere beim Stickstoff sollte gemäss der Motionärin die Zielmarke tiefer angesetzt werden, schliesslich seien 10 statt 20 Prozent während der Vernehmlassung zur Umsetzung der Par.Iv. 19.475 am häufigsten gefordert worden. Ausserdem lasse sich die vorgesehene Reduktion um 20 Prozent Stickstoff mit den Massnahmen des Bundesamts gar nicht erreichen, vielmehr müsste der Viehbestand sinken. Gapany befürchtet zudem grössere Importmengen als Folge.

Bio Suisse unterstützte die 20 Prozent

In seiner Stellungnahme hält der Bundesrat fest, bei der Definition der Reduktionsziele seien die Vorstellungen weit auseinandergegangen. Anders als viele landwirtschaftliche Akteure habe Bio Suisse 20 Prozent weniger Nährstoffverluste bis 2030 unterstützt. Umweltverbände hätten diesen Wert als absolutes Minimum bezeichnet und es seien von anderer Seite auch ambitioniertere Ziele wie etwa 40 Prozent gefordert worden. «Das beschlossene Reduktionsziel entspricht somit einer ausgewogenen Berücksichtigung der in der Vernehmlassung geäusserten Meinungen», so der Bundesrat.

Es kommt auf die Branche an

Analyse des BLW«Um die Stickstoff-Problematik zu entschärfen, muss die Landwirtschaft extensiver werden»Dienstag, 28. Juni 2022 Mit der Pflicht zum Abdecken von Güllelagern und dem Schleppschlauch-Obligatorium sollen sich die Phosphor- und Stickstoffverluste in der Landwirtschaft um 18 bzw. 11 Prozent senken lassen. Der Bundesrat sieht vor, dass die Branche mit eigenen Massnahmen für die übrige Reduktion sorgt. «Ob die definierten Ziele erreicht werden, hängt einerseits von der Beteiligung der Landwirtschaft an den Massnahmen des Bundes und anderseits von der Wirksamkeit der von der Branche ergriffenen Massnahmen ab», ergänzt der Bundesrat. Allerdings kann er selbst weitere Vorschriften erlassen, sollte sich ein Nichterreichen abzeichnen.

Eigentlich, heisst es abschliessend, müssten die Stickstoffverluste für die Sicherstellung tragfähiger Ökosysteme langfristig um 30 Prozent sinken, wie es die Umweltziele Landwirtschaft (UZL) vorsehen. Damit wären 20 Prozent bis 2030 nur ein erster Schritt.

Johanna Gapany nennt in ihrer Motion keinen konkreten neuen Wert für das Reduktionsziel der Nährstoffverluste. Der Ständerat hat ihren Vorstoss aber bereits angenommen, in den nächsten Wochen beschäftigt sich damit die grosse Kammer.

Den Übersichtsartikel zur Wintersession 2022 finden Sie hier.