Sollte man Wölfe wie Steinböcke regulieren, mit einer jährlichen Abschussplanung und einer winterlichen Jagd? Mit dieser Frage wird sich in der Wintersession vom 28. November bis 16. Dezember 2022 der Nationalrat beschäftigen: Man beugt sich über die Revision des Jagdgesetzes (JSG), auf der von Seiten Landwirtschaft grosse Hoffnungen ruhen.

Umweltverbände signalisieren Bereitschaft

Vernehmlassung startetDie teilrevidierte Jagdverordnung ermöglicht bei unmittelbarer Gefahr sofortigen WolfsabschussMittwoch, 9. November 2022 Während der Schweizer Bauernverband (SBV) den aktuellen Vorschlag zum JSG als gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen im Nationalrat bezeichnete, warnen die Umweltverbände vor einer Scheinlösung. Pro Natura, die Gruppe Wolf Schweiz, der WWF und Bird Life betonen in einer Mitteilung im Vorfeld der Wintersession ihre Bereitschaft, Hand zu bieten für eine präventive Wolfsregulation. Keine der 24 Abschussfreigaben in diesem Jahr habe man rechtlich angefochten, so die Argumentation. Dies, obwohl damit jeder achte Wolf gejagt und ein Viertel der Schweizer Rudel reguliert werden konnten.

Herdenschutz nicht zu ersetzen

Bei der Beurteilung der Herdenschutzmassnahmen würden die Kantone allerdings «mehr als ein Auge» zudrücken, schreiben die Umweltverbände weiter und berufen sich auf Schadensprotokolle zu Rissen. Eine Regulierung könne den korrekten Herdenschutz nicht ersetzen, sind sie überzeugt. Abschüsse müssten im Zusammenhang mit grossem Schadenpotential oder einer konkreten Gefährdung stehen, um wirksam zu sein. «Das Parlament muss der wissenschaftlich fundierten, gutschweizerischen Konsenspolitik wieder Vorrang vor einer Problembewirtschaftung geben», appellieren die Umweltverbände.  

Verordnung dient zur Überbrückung

Wann die Verhandlungen zum JSG zum Abschluss kommen, ist noch unklar. Bereits hat der Bundesrat seinen Vorschlag für die Jagdverordnung in die Vernehmlassung geschickt, die Abschüsse gefährdender Wölfe vereinfachen und ab dem 1. Juli 2023 gültig sein soll. Die neuen Regelungen sind dazu gedacht, die Zeit zu überbrücken, bis das revidierte JSG in Kraft tritt.

Die Schleppschlauchpflicht praxistauglich umsetzen

In manchen Kantonen gibt es bereits ein Schleppschlauchobligatorium, schweizweit soll es ab 2024 gelten. Dazu wurden im Nationalrat zwei Motionen eingereicht. Die Eine fordert Anpassungen der Vorgaben für eine praxistaugliche Umsetzung der neuen Vorschrift, etwa die Gleichbehandlung von QII- und QI-Hochstamm-Obstgärten (Ausnahmen für beide), keine Pflicht auf Parzellen, die aufgrund der bestehenden Ausnahmen weniger als 80 Prozent begüllbare Flächen aufweisen und dasselbe für Teilflächen von weniger als 50 Aren. Wie diese stammt von SBV-Präsident Markus Ritter Céline Amadruz (SVP/GE) die Forderung, die Kosten für die Bearbeitung von Ausnahmegesuchen des Schleppschlauchobligatoriums nicht auf Landwirte abzuwälzen. Der Bundesrat beantragt für beide Motionen die Ablehnung.

3,5 Prozent BFF aufheben und Nährstoffziele anpassen

Der Nationalrat muss noch entscheidenDer Ständerat will die zusätzlichen 3,5 Prozent BFF streichen, aber keine bestehenden umnutzenMittwoch, 21. September 2022 Nach der Zustimmung im Ständerat gehen zwei konkrete Vorstösse zur Umsetzung der Pa.Iv. 19.475 in die grosse Kammer. Beat Rieder (Mitte/VS) verlangt die Streichung der vorgeschrieben 3,5 Prozent BFF auf Ackerflächen und Johanna Gapany (FDP/FR) will das Reduktionsziel von 20 Prozent der Nährstoffverluste senken,  ohne dabei einen genauen Wert zu nennen. Auch diese Vorstösse lehnt der Bundesrat ab. Von den Initianten der Trinkwasser-Initiative ist zu vernehmen, bei einer Annahme werde das Versprechen an die Bevölkerung gebrochen. Schliesslich ist die Pa.Iv. 19.475 2021 als Antwort auf die beiden Pflanzenschutz-Initiativen entstanden. Ist der Nationalrat anderer Meinung und schliesst sich der kleinen Kammer an, wird die für 2024 geplante Umsetzung der 3,5-Prozent-BFF-Regel im ÖLN gekippt.

Die Reduktionsziele für Verluste von Stickstoff und Phosphor um jeweils mindestens 20 Prozent sollen nach den Plänen des Bundesrats bis 2030 erreicht werden, wobei die Branche mit der Umsetzung beauftragt ist. Sollte sich ein Nichterreichen der Zielmarken abzeichnen, kann der Bundesrat aber mit Massnahmen eingreifen. Offen ist, ob die Nationalratsdebatte mit einem konkreten, tieferen Wert endet. Denkbar wären 10 Prozent weniger Stickstoffverluste als neue Zielmarke, da dies in der Vernehmlassung mehrfach gefordert worden war.   

Die AP 22+ ist aus der Versenkung zurück

Vorberatungen abgeschlossenDie Mini-AP 22+ ist bereit für die Wintersession – ohne KlimaschutzMittwoch, 12. Oktober 2022 Nach dem Vorlegen des bundesrätlichen Berichts zur künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik kommt die AP 22+ in Form eines Mini-Pakets in den Ständerat. Es soll nur jene Teile der Reform beinhalten, die unbestritten waren. Mit den Ergebnissen der vorberatenden Kommission (WAK-S) zeigte sich der SBV grossmehrheitlich zufrieden, nachdem sich die Politiker(innen) gegen die Aufnahme eines klimapolitischen Artikels entscheiden hatte. Die WAK-S hat dem Paket aber drei Kommissionsmotionen mit auf den Weg gegeben, die eine separate Revision des bäuerlichen Bodenrechts, ein konkretes Konzept für die zukünftige Agrarpolitik und einen Bericht zur Wettbewerbssituation im Lebensmittelmarkt fordern. Darüber,  und über die abgespeckte Version der AP 22+, befindet der Ständerat.

Milch- und Gemüseproduktion stärken

Ebenfalls auf dem winterlichen Sessionsprogramm der kleinen Kammer steht die Motion «Stopp dem Milchchaos» von Marcel Dettling (SVP/SZ), die ein Verbot von Milchimporten für die Käseproduktion fordert. Das Anliegen wird von den Schweizer Milchproduzenten unterstützt und soll verhindern, dass über den Veredelungsverkehr die Preise im Inland gedrückt werden.

Den Fokus auf die Stärkung der einheimischen Gemüseproduktion legt Werner Salzmann (SVP/BE) mit seiner Forderung, die sogenannten «effektiv bewirtschafteten Phasen» auf Verordnungsebene möglichst bald zu aktualisieren. Diese Zeitperioden sollten die Produktion im Inland vor Importdruck schützen, indem sie höhere Zolltarife während der Schweizer Saison festlegen. Wegen neuer Anbautechniken und verlängerter Vegetationsphasen stimmen die Daten aber nicht mehr mit der Realität überein, was im Sommer 2021 medienwirksam zu Food Waste führte. Dem will Motionär Salzmann einen Riegel schieben und schlägt neue Zeiträume für diverse Gemüse- und Kräuterarten vor. Während ein Importverbot von Milch für die Käseproduktion bei einer Annahme im Ständerat in trockenen Tüchern wäre, ginge Salzmanns Gemüse-Motion anschliessend noch in die grosse Kammer.

Die Wintersession startet am 28. November 2022.