Die Abbildung zeigt zwar das Gesamtsystem der Stickstoffflüsse in der Schweiz, überblickbar wird es damit aber kaum. Der eigentlich lebenswichtige Nährstoff ist in verschiedenen Formen unterwegs und wird durch diverse Prozesse umgewandelt. Die Wege und Mengen den Stickstoffs zu kennen, wird als wesentlich für gezielte Massnahmen gegen Umweltschäden angesehen. Oder wie es im Bericht im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) heisst: «Kenntnisse der Stickstoffflüsse und deren zeitlichen Verläufe sind relevant für den Schutz der menschlichen Gesundheit sowie für die Ernährungssicherheit, die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität.»

Wenig Veränderung seit 2005

Die neue Analyse beruht auf Daten für das Jahr 2018 und ist damit eine Aktualisierung der früheren Version von 2005. Seitdem hätten sich die grössten und wichtigsten Stickstoffflüsse wenig verändert, halten die Autoren fest. Ganz beim Alten geblieben ist dann aber doch nicht alles. Für die Landwirtschaft heisst das:

  • Zunahme  des Flusses «importierte Futtermittel» um 42 Prozent.
  • Rückgang bei der inländischen Futtermittelproduktion um 4 Prozent.
  • Insgesamt habe die Stickstofffracht in Futtermitteln um 8 Prozent zugenommen.
  • Um 10 Prozent geringerer Mineraldünger-Einsatz (Ursache unbekannt, laut Experten sei es nicht das Resultat von effizienterem Düngermanagement)
  • Um 10 Prozent höhere Stickstofffracht in tierischen Produkten (aufgrund einer Verschiebung von Schweine- zu Geflügel- und Rindfleisch, das mehr Stickstoff enthalte).
  • Technische Massnahmen sorgten für geringere Nitratauswaschungen und Emissionen in die Atmosphäre.
  • Die Stickstoffeffizienz der Schweizer Landwirtschaft stieg um 2 Prozent auf 35 Prozent. Dieser Anteil des zugeführten Stickstoffs ist schlussendlich in pflanzlichen und tierischen Produkten enthalten.

Der letzte Punkt bedeutet, dass heute 65 Prozent des in der Landwirtschaft eingesetzten Stickstoffs (Input) als Verluste in verschiedener Form in die Umwelt gelangen. Insgesamt handle es sich dabei um 54 Prozent der Stickstoffeinträge in de Umwelt schweizweit.

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Wenig Potential bei Schlachtnebenprodukten und Food Waste

Wie weiter in der Agrarpolitik?Der Bundesrat peilt eine grüne, produktive und vermehrt pflanzliche Landwirtschaft anDonnerstag, 23. Juni 2022 Der BLW-Bericht erfüllt den Prüfauftrag «Möglichst weitgehende Schliessung der Nährstoffkreisläufe über die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Konsum» innerhalb eines Postulats zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik. Entsprechend wurde ein Fokus gelegt auf die Stickstoffflüsse in den Bereichen Food Waste, Vergärung und Schlachtnebenprodukte.

Vergärung: Generiert erneuerbare Energie und Recyclingdünger, der Mineraldünger ersetzen kann. Potential noch nicht ausgeschöpft, es liege bei etwa einem Drittel der bisher vergärten Menge an biogenen Abfällen.

Food Waste: Nur kleine Stickstoffflüsse. Trotzdem sollte Food Waste reduziert werden, da der grösste Teil des damit verbundenen Stickstoffs ungenutzt in Kehrichtverbrennungsanlagen lande.

Schlachtnebenprodukte: Grösster Fluss in Form von Haustierfutter für den Export. Trotz der Diskussion um eine Zulassung als Futter für Nutztiere werde es laut Experten kaum eine entsprechende Produktion in der Schweiz geben (zu kleine Mengen an Schlachtnebenprodukten, zu strenge Vorgaben, Haustierfutter ist lukrativer). Denkbar wäre ein Import solcher Futtermittel oder der vermehrte Export von Schweizer Schlachtnebenprodukten, das Potential werde aber als gering eingeschätzt.

«Verminderung der Intensität ist notwendig»

Stickstoff sparenVier Tipps zur Reduktion von Ammoniakverlusten beim GüllenDienstag, 28. Juni 2022 Der Trend der vergangenen Jahre zeige, so heiss es im Bericht, dass die stickstoffhaltigen Luftschadstoffe aus Verkehr, Industrie und Haushalten wirkungsvoll reduziert werden konnten. Dies etwa durch die Einführung der Katalysatorpflicht für Personenwagen, oder dank höheren Standards für Gebäudeisolationen. Nun ist die Lage in der Landwirtschaft – wie eingangs erwähnt – ungleich komplizierter. In diesem Bereich sei es denn auch nicht gelungen, mit den bisherigen Massnahmen die Problematik zu entschärfen. In Zukunft müsse man daher weiter gehen und die «Intensität der Landwirtschaft verringern», schreiben die Autoren. Technisch und organisatorisch lasse sich die Stickstoffeffizienz nur begrenzt steigern.

Mögliche Problemverlagerung

Weitergehende Massnahmen könnten die Schweizer Landwirtschaft stark verändern und hätten eine Anpassung der Produktion zur Folge, heisst es weiter. Entweder müsse mit einem geringeren Stickstoffinput pro Produktionseinheit ausgekommen werden, oder es seien die Tierzahlen und allenfalls die pflanzliche Produktion zu reduzieren. Die Autoren des Berichts sind sich bewusst, dass damit bei gleichbleibendem Konsum mehr Importe von Lebensmitteln nötig werden würden und damit die Umweltbelastung entsprechend im Ausland anfiele. Es sei aber auch möglich, dass Standortvorteile im In- und Ausland letztlich global gesehen zu weniger Stickstoffeinträgen in die Umwelt führen würden. Die Hoffnung ist also, dass durch den Anbau an idealen Standorten Stickstoffverluste vermieden werden könnten.

Der Bericht lässt das so stehen und schliesst mit einer Auflistung der beschlossenen Massnahmen im Rahmen der Absenkpfade und für die anderen Sektoren. So sollen etwa die Abgasvorschriften für Motorfahrzeuge nochmals verschärft werden.