«Das Wasser in der Schweiz ist sauber, so soll es auch bleiben»: Das sagte Bundespräsident Guy Parmelin am 28. April dieses Jahres. An diesem Tag präsentierte der Agrarminister den «Massnahmenplan Sauberes Wasser».
Das Paket ist Ausfluss der parlamentarischen Initiative (PI) 19.475 «Die Risiken beim Einsatz von Pestiziden reduzieren», die von beiden Kammern des Parlaments gutgeheissen worden ist. Sie stellt eine Art inoffiziellen Gegenvorschlag zu den beiden Agrar-Initiativen dar. Obwohl diese vom Volk mittlerweile überraschend deutlich abgelehnt wurden, rollen doch diverse neue Anforderungen auf die Landwirtschaft zu. Dabei kommt es natürlich darauf an, wie ungeschoren das Paket die Vernehmlassung übersteht. Diese dauert noch bis am 18. August.
Zweiter Streich folgt
Bereits jetzt ist klar, dass einige Punkte hinter den Kulissen stark zu reden geben, etwa die geplante Streichung der Zehn-Prozent-Toleranz bei der Suisse-Bilanz oder dass das Protein für die Rindviehfütterung vermehrt vom eigenen Betrieb kommen soll.
Die PI umfasst Änderungen am Landwirtschafts-, am Gewässerschutz- und am Chemikaliengesetz. Die im April in die Vernehmlassung gegebenen Verordnungsanpassungen betreffen die Änderungen im Landwirtschaftsgesetz. Die übrigen Anpassungen werden in einem zweiten Paket folgen. Mit der PI will der Bundesrat ganz gemäss den Anpassungen des Parlaments nicht nur das Risiko des PSM-Einsatzes bis 2027 halbieren, sondern auch die Nährstoffbelastung der Böden und Gewässer vermindern. Ziel ist es, die Stickstoff- und Phosphorverluste bis 2030 um 20 Prozent zu reduzieren.
3,5 Prozent BFF auf Äckern
Auf den Ackerflächen eines Betriebs müssen neu mindestens 3,5 Prozent der Fläche als spezifische Biodiversitätsförderflächen angelegt werden. Ausserdem dürfen Betriebe keine Wirkstoffe «mit erhöhtem Risikopotenzial» mehr einsetzen.
Ein Teil der vorgeschlagenen Massnahmen betrifft die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN). Entsprechend werden landwirtschaftliche Betriebe, die Direktzahlungen erhalten, dazu verpflichtet, die Massnahmen umzusetzen. Das Paket sieht auch Sanktionen vor. So werden etwa Direktzahlungen gestrichen, wenn die Vorgaben zum Stickstoff- und Phosphorgehalt überschritten werden.
«Überaus ambitiös»
Die Änderungen werden voraussichtlich im Frühling 2022 vom Bundesrat beschlossen und sollen auf den 1. Januar 2023 in Kraft treten. «Die AP kommt auch ohne AP», hielten die Schweizer Milchproduzenten in einer ersten Stellungnahme fest. Für den Schweizer Bauernverband war das Paket nach einer ersten Einschätzung «überaus ambitiös».
In den Kästen stellen wir diverse Massnahmen genauer vor. Eine grosse Übersicht gibt es hier.
Suisse Bilanz: Toleranz streichen
Die Streichung der 10-Prozent-Toleranz in der Suisse Bilanz ist laut dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine wichtige Massnahme zur Reduktion der Nährstoffüberschüsse respektive Erreichung der Ziele im Rahmen des Absenkpfades für Nährstoffe. Sie sei auch ein wichtiger Bestandteil des Massnahmenpakets zur Antwort auf die Trinkwasserinitiative.
Hohe Wirkung
«Mit der Streichung der 10 %-Toleranz wurde gezielt auf eine Massnahme gesetzt, welche eine hohe Wirkung aufweist und administrativ ohne zusätzlichen Aufwand umgesetzt werden kann», schreibt das BLW. Berechnungen von Agroscope und BLW würden von einem Reduktionspotenzial von rund 2,3 Prozent ausgehen, heisst es. Dies entspreche rund einem Achtel des Absenkzieles von voraussichtlich 20 Prozent bis 2030.
Betriebe, welche heute einen Bilanzsaldo von >100 % haben, müssen den Düngeranfall resp. -einsatz reduzieren. Dies erfolgt, indem Hofdünger abgeführt, weniger Mineraldünger eingesetzt oder allenfalls der Tier-bestand reduziert wird. Aus einem reduzierten Düngereinsatz resultieren nur dann auch tiefere Erträge, wenn auf den Betrieben die Nährstoff-effizienz nicht weiter gesteigert werden kann. Dies gilt insbesondere für das Management von Hof- und Recyclingdünger.
Wirtschaftliche Freiheit
Mit welchen Massnahmen die Effizienzsteigerung erfolgt, sei den Landwirten freigestellt. Diese könnten folglich Mass-nahmen wählen, welche optimal zu ihrem Betrieb passen. «Dadurch kann die wirtschaftliche Freiheit die Gleichbehandlung der Betriebe gewährleistet werden», ist sich das BLW sicher.
Die Streichung der Toleranz ist einer der Punkte, die in der Vernehmlassung sicher viel zu reden gibt.
Zufuhr von proteinreichen Futtermitteln begrenzt
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Im Rahmen der AP 14–17 wurde das Programm Graslandbasierte Milch und Fleischproduktion (GMF) eingeführt. Zwei Jahre später wurde eine Evaluation durchgeführt. Obwohl GMF positive Beiträge zu diversen Aspekten leiste, wurden laut BLW auch Schwachstellen identifiziert, u.a. bezüglich Schliessung der Stickstoff- und Phosphorkreisläufe. Als Ergebnis der anschliessenden Diskussionen wurde u.a. festgehalten, dass das Oberziel der neuen Massnahme wie folgt lauten soll: Erhaltung einer standortangepassten Wiederkäuerproduktion auf Grasbasis und reduziertem Kraftfuttereinsatz.
Der vorgeschlagene Beitrag für die Begrenzung der Rohproteinzufuhr in der Rindviehfütterung wurde seit 2017 schrittweise konkretisiert.
Futter vom Betrieb
Mit der Begrenzung der Rohproteinzufuhr soll die Proteinversorgung der Tiere vorwiegend mit betriebseigenem Futter sicher-gestellt werden. Dies führe zu standortangepassten Tierbeständen und einer standortangepassten Fütterung, so das BLW. Daraus resultierten geschlossenere Nährstoffkreisläufe und ein regional erhöhter Anfall von Hofdüngern werde verhindert.
Sich vom Ausland abheben
Im Vergleich mit den Nachbarländern wird in der Schweiz weniger Kraftfutter eingesetzt. Es sei ein grosses Anliegen, diese vorteilhafte Situation beizubehalten, schreibt das BLW. Die Berechnung einer Futterbilanz wird für die Beitragsausrichtung nicht nötig sein. Im Vergleich zu GMF werde somit eine administrative Entlastung erreicht.
Die durch den neuen Beitrag befürchtete Intensivierung der Grasnutzung durch eine erhöhte Stickstoff-Düngung, um den Proteingehalt des Futters zu erhöhen, werde durch die Suisse-Bilanz und die geplante Abschaffung der 10 %-Toleranz klar begrenzt.
Gibt zu reden
Bauernverbandspräsident Markus Ritter steht dem Vorschlag kritisch gegenüber. Warum? «Weil für die Wiederkäuer die höhere Beitragsstufe bei diesem Produktionssystembeitrag gewährt wird, wenn kein Gras, Heu oder Grassilage zugekauft wird. Dafür darf mit Mais, Getreide oder Zuckerrübenschnitzel ergänzt werden. Ist dies Wiederkäuergerecht?», sagte er kürzlich im Interview mit der BauernZeitung.
Weniger risikoreiche PSM
Bis 2027 müssen die Risiken für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und Abbauprodukte im Grundwasser um 50 % reduziert werden. Der Bundesrat schickte zusätzliche Massnahmen zum Aktionsplan Pflanzenschutzmittel in die Vernehmlassung.
Eine ist es, PSM einzuschränken, die am stärksten zum Risiko beitragen. Um die Liste dieser PSM zu bestimmen, wurde für alle Wirkstoffe berechnet, wie hoch ihr Risikopotenzial für Oberflächengewässer und für Abbauprodukte im Grundwasser ist.
Alle Wirkstoffe, die für 75 % des Risikopotenzials oder der Überschreitungen bei den Grenzwerten verantwortlich sind, wurden aufgenommen. Die Anwendung dieser Mittel soll auf allen mit Direktzahlungen unterstützten Betrieben eingeschränkt werden. Eine Anwendung wäre nur noch mit einer Sonderbewilligung des Kantons möglich, wenn es keine alternativen Wirkstoffe gibt .
Gegen Abdrift
PSM sollen laut dem Massnahmenplan möglichst nichtin die Umwelt gelangen. In den Weisungen des BLW sind mit Punkten bewertete Massnahmen gegen Abdrift und Abschwemmung aufgelistet. Die Betriebe können auswählen, aber alle direktzahlungsberechtigten Betriebe sollen Massnahmen umsetzen müssen, die einem Wert von mindestens einem Punkt entsprechen. Das kann zum Beispiel der Einsatz von Düsen sein, welche die Drift um 75 % reduzieren. Oder sie können einen 6 m breiten bewachsenen Pufferstreifen anlegen.
Humus aufbauen
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Die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms NFP 68 zeigen, dass in gewissen Regionen ein Humusmangel herrscht. Ausreichend Humus erhöht die Resilienz der Produktion gegenüber klimatischen Gefahren. Darüber hinaus wird durch den Humusaufbau mehr atmosphärischer Kohlenstoff gebunden und die Auswaschung von Düngemitteln reduziert. Der vorgeschlagene neue Beitrag fördert die vermehrte Anwendung von landwirtschaftlichen Praktiken, die den Humusgehalt erhöhen. Die Entwicklung wird durch eine jährliche Humusbilanz mittels einer EDV-Anwendung überwacht (siehe Link). Wenn nach vier Jahren bestimmte Aufbauziele erreicht wurden, werden Zusatzbeiträge ausgerichtet.
Link: www.humusbilanz.ch
Funktionale Biodiversität fördern
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Neue Produktionssystembeiträge zielen darauf ab, den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft zu verkleinern. Zu den geplanten Massnahmen gehören auch Nützlingsstreifen. Diese stellen die funktionale Biodiversität wieder her, indem sie Insekten fördern, die die Schädlingsausbreitung begrenzen. Dadurch sei es möglich, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den Kulturen zu reduzieren, schreibt das BLW: Eine Agroscope-Studie zeige, dass die Anzahl der Blattläuse in Kartoffelkulturen, die an Nützlingsstreifen angrenzen, um durchschnittlich 75 Prozent reduziert werden konnte.
Die Massnahmen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit fördern Techniken, die die Böden vor Erosion und Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln sowie vor Verdichtung schützen
DZ-Begrenzung pro SAK aufheben
Die Begrenzung von 70 000 Fr. an Direktzahlungen pro Standardarbeitskraft (SAK) soll per 2023 aufgehoben werden.
Warum? Mit den neuen und weiterentwickelten Produktionssystembeiträgen wären laut BLW hauptsächlich mehr Ackerbau- und Biobetriebe ohne Vieh von einer Begrenzung pro SAK betroffen – schätzungsweise 600 Betriebe (mehr als doppelt so viele wie aktuell).
Die Teilnahme an Direktzahlungsprogrammen, wie dem Verzicht auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln,der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit oder der Umstieg auf den Biolandbau würde für die betroffenen Betriebe finanziell nur noch teilweise oder nicht mehr mit zusätzlichen Direktzahlungen abgegolten.
Als Folge würden sie nicht teilnehmen, nicht auf den Biolandbau umsteigen und würden «infolgedessen unnötig die Zielerreichung im Bereich PSM und Nährstoffe schwächen», befürchtet das BLW.