Auf Einladung der Agridea durchleuchtete Markus Ming am Weiterbildungskurs für Baufachleute in Tänikon kritisch das Vergabesystem bei Investitionshilfen des Bundes.

Leichtfertige Vergabe

«Es kann nicht sein, dass nur dadurch eine neue Stallbaute realisiert werden kann, weil ein 72-jähriger Vater weiterhin für den Betrieb arbeitet. Erst damit ist es dem Sohn möglich, weiterhin einer lukrativen Nebentätigkeit nachzugehen, um für die hohen Tilgungs- und Zinsverpflichtungen aufzukommen», sagte Ming.

Zudem würden häufig Familiendarlehen zur Finanzierung von Stallneubauten eingesetzt, ohne dass eine Verzinsung oder Amortisation eingerechnet werde. «Es sind vermutlich Einzelfälle. Bei der Mehrheit der Bauernfamilien läuft sicher alles richtig und gut. Trotzdem haben mir mehrere Projekte aus verschiedenen Kantonen, die mir privat zur Beurteilung vorgelegt wurden, zu denken gegeben», sagt er.

Bund ist mitverantwortlich

Investitionsentscheide nehmen in der Landwirtschaft eine Schlüsselrolle ein. Sie werden für viele Jahre gefällt, binden Kapital und schränken die Betriebsflexibilität ein. Mancherorts kommt es zu Liquiditätsengpässen und Überlastung bis hin zu Burnout.

Markus Ming ist der Meinung, dass der Staat Mitverantwortung für soziale, ökonomische und ökologische Probleme trage, die sich durch die aktuelle Vergabepraxis von Investitionshilfen ergeben. Der Bund habe seine Vollzugsvorgaben nachzubessern und müsse klarere und verbindlichere Richtlinien für den Bezug solcher Unterstützungsgelder machen. Die heutige Praxis für Investitionskredite und A-fonds-perdu-Beiträge ist in der Strukturverbesserungsverordnung (SVV) geregelt. Artikel 8, SVV, verlangt, dass die Tragbarkeit einer Investition auf fünf Jahre hinaus belegt wird. So soll mit der vorgesehenen Investition sichergestellt werden, dass

  • die laufenden Ausgaben für Betrieb und Familie gedeckt sind,
  • die anfallenden Zinsverpflichtungen erfüllt werden,
  • den Rückzahlungsverpflichtungen nachgekommen wird,
  • die künftig notwendigen Investitionen zu tätigen sind
  • und man gleichzeitig zahlungsfähig bleibe.

Tragbarkeit als Killerkriterium

AboSozialversicherung für BäuerinBald gilt: Keine Vorsorge – kein InvestitionskreditMontag, 5. Dezember 2022 Kann der Gesuchsteller dies nicht nachweisen, wird die Tragbarkeit zum Killerkriterium für Investitionskredite und A-fonds-perdu-Beiträge. Wie eine solche Tragbarkeitsberechnung auszusehen hat, ist in der Verordnung nicht festgelegt. So bestehen denn auch je nach Kanton und Beratung unterschiedliche Berechnungsweisen und Abläufe in der Kreditvergabe.

Laut Markus Ming werde in der Tragbarkeitsberechnung oft der Privatverbrauch zu niedrig angesetzt – dies, obwohl Familien heute nicht mehr so bescheiden leben würden wie früher. Auch sei eine Lohnabgeltung für Angehörige meistens nicht vorgesehen. Der der Nachweis einer genügenden Vorsorgebildung fehle gänzlich.

Betriebsvoranschlag und Vollkostenrechnung statt Tragbarkeitsberechnung 

«Jede Investition muss zu einer wirtschaftlichen Verbesserung führen und das Gesamtbetriebsergebnis positiv beeinflussen. Nötig ist, dass der Gesuchsteller dies mit einem Betriebsvoranschlag und einer Vollkostenrechnung nachweist», sagt er. Belegt müsse sein, dass der Betrieb mit den Produktionskosten nach dem Bau, zum Beispiel pro Kilo Milch, wettbewerbsfähig sei. Ansonsten würde eine Investition nur den Verschuldungsgrad hochtreiben – und ein wichtiges Argument: «Die Kosten allfälliger Fehlinvestitionen sollen nicht auf die folgende Generation übertragen werden.»

Schluss mit Quersubventionen

Einen klaren Standpunkt hat Markus Ming, was Stallbauten durch betriebliche Nebenerfolge wie Liegenschaften, andere Nebenbetriebe sowie durch auswärtiges Erwerbseinkommen betrifft. «Geht nicht», sagt er: «Jede Investition in eine Stallbaute sollte zu einer wirtschaftlichen Verbesserung des Einkommens aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit führen, wie es im Landwirtschaftsgesetz des Bundes verlangt wird.»

Zwingend müsse ein Mindestverdienst für die eingesetzten Arbeitsstunden in der landwirtschaftlichen Tätigkeit für alle familieneigenen Arbeitskräfte erzielt werden.

Vorsorge, Lohn und Zinsen

Die Kosten allfälliger überhöhter Investitionen sollen nicht auf den Schultern von familieneigenen Arbeitskräften ausgetragen werden, die dank unbezahlter Hofarbeit mithelfen, den Betrieb finanziell am Leben zu erhalten. Was sollte bei der Berechnung der Tragbarkeit ändern?

Grundsätzlich müsse eine modifizierte Tragbarkeitsrechnung sicherstellen, dass durch das Projekt eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs und der Lebensverhältnisse der Familien erreicht werden, sagt Markus Ming. Auch seien Reserven einzuplanen.

Kosten im Griff haben

[IMG 2] Es müsse eine höhere Verpflichtung zum allgemeinen Schuldenabbau verlangt werden. Bei hohen Neuverschuldungen sei mit genügend hohen Schuldzinssätzen zu rechnen, so wie es bei privaten Hausbesitzern bereits seit Jahren auch gemacht werde.

  • Eine positive Kostenstrukturentwicklung sei nachzuweisen.
  • Zudem müsse man eine Risikoabsicherung bei Invalidität, Tod sowie die Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge für Mann und Frau mitberücksichtigen.

Alternativen prüfen statt Neubau

Last, but not least gelte es, dass aktuelle Neubauten die vom Bund beschlossene Klimaneutralität bis 2050 erreichen, sagt Markus Ming, Mitglied der kürzlich gegründeten Interessengemeinschaft für nachhaltiges landwirtschaftliches Bauen. [IMG 3]

Häufig werde heutzutage nur mit der Variante Wachstum geplant, obwohl es lukrativere und ökologisch günstigere Lösungen gäbe, welche die Wertschöpfung eines Betriebes genügend erhöhen würden. «Alternativen sind aktiver zu suchen, damit die Familien weniger ins Hamsterrad von Arbeit und Schulden geraten», so Mings Schlusswort.

Interessengemeinschaft für nachhaltiges landwirtschaft­liches Bauen
Diese IG gibt es noch nicht so lange. Es ist ein Netzwerk von Organisationen und Fachleuten, die die jetzige Baupraxis in der Landwirtschaft verbessern wollen. Im Mandat für Beratertätigkeiten stehen Andreas Bosshard, Rahel ­Marti, Eric Meili, Markus Ming, Hansruedi Roth und Thomas Steiner. [IMG 4]

Steiner war vor seiner Pensionierung bei der Abteilung für Landwirtschaft des Kantons Zürich für «landwirtschaftliches Bauen» verantwortlich. «Nachhaltiges Bauen war mir immer ein Anliegen», sagt er. Bauen in der Landwirtschaft soll standortangepasst, bodenabhängig, ökologisch und ökonomisch sein. Dort setze die IG den Hebel an.

Ganz besonders ein Gräuel sind für Steiner zweckentfremdete Bauten. «Es kann nicht sein, dass Ställe als Garage für Wohnmobile oder als Lagerraum benutzt werden», sagt er. Es gebe zwar Bestrebungen, bei Zweckentfremdung einen Rückbaurevers in der Baubewilligung zu vermerken, aber dazu werde es wohl kaum kommen.

In der IG sind auch Organisationen wie der WWF oder die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz vertreten, die vielfach gegen Fleischkonsum oder Stallbauten opponieren. Stallbauten werden verhindert oder es gibt entsprechende Auflagen, welche das Bauen verteuern. Frage der BauernZeitung: Ist das punkto Zielsetzung und Mandatsträger nicht ein Widerspruch? Thomas Steiner widerspricht: «Es ist nicht Aufgabe unserer Arbeitsgruppe, Ställe zu verhindern. Ich unterstütze jeden Stallbau, der langfristig ökonomisch und ökologisch Mehrnutzen bringt», sagt ­Steiner.