Mindestens 90 Tage im Jahr muss den knapp 30 Prozent der Schweizer Rinder, die in einem Anbindestall stehen, Zugang zu einem Auslauf gewährt werden. 60 Tage davon während der Vegetationsperiode und 30 Tage während der Winterfütterung – so will es die Tierschutzverordnung der Schweiz. Weiter dürfen die Tiere maximal zwei Wochen durchgehend ohne Auslauf bleiben.
Mit der aktuell laufenden Revision der Tierschutzverordnung soll sich daran auch nichts ändern. Im Sinne einer Präzisierung sollen lediglich die Begriffe Vegetations- und Winterfütterungsperiode durch genaue Zeitfenster ersetzt werden.
Gegen die Anbindehaltung
Dies ist dem Schweizer Tierschutz (STS) eindeutig zu wenig. In einer Medienmitteilung zur laufenden Revision fordert die Organisation neben einer Erhöhung der Mindestauslauftage pro Jahr grundsätzliche Anstrengungen zur Abkehr von der «veralteten Anbindehaltung».
Der STS positioniere sich klar gegen die Anbindehaltung und für die Haltung von Kühen in Laufställen mit mehr Bewegungsfreiheit und abgegrenzten Liegebereichen. Das antwortet Samuel Furrer, Geschäftsführer Fachbereich des STS, auf die Frage der BauernZeitung, inwiefern der STS eine Abkehr von der Anbindehaltung fordere.
Auslauftage zu knapp bemessen
Laut der Organisation sind die gesetzlichen Mindestvorgaben zur Anzahl der Auslauftage nach wie vor zu knapp bemessen und entsprechen nicht den natürlichen Bedürfnissen der Tiere. Gestärkt werde die Überzeugung des STS zur Abkehr von der Anbindehaltung zudem dadurch, dass die Rinder auf der Weide täglich ungefähr einen bis 13 Kilometer zurücklegen.
Im Gegensatz dazu müssten angebundene Tiere für eine lange Zeit an einem einzigen Ort verweilen, um zu fressen, zu liegen und ihr Geschäft zu verrichten. Zudem würden Rinder, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben ist, ihren Fress-, Liege- und Kotbereich voneinander abgrenzen. Durch das Stehen in den engen Anbindeständen würden die natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Tiere erheblich beeinträchtigt.
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Auch der normale Kontakt zu Artgenossen sei durch die Anbindehaltung ausgeschlossen. Die negativen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Rinder durch die Anbindehaltung könnten dabei auch nicht durch eine saisonale Weidehaltung behoben werden, so der STS.
Kontrolle nicht überprüfbar
Als weiteren kritischen Punkt erachtet der STS zudem die Kontrolle der gesetzlich vorgeschriebenen Auslauftage der Tiere. Überprüft werden diese mithilfe eines Auslaufjournals, welches vom Landwirten selbst ausgefüllt wird. Wie in jedem anderen Dokument könne auch im Journal leicht eingetragen werden, dass die Tiere draussen waren, ohne dass diese auch tatsächlich im Auslauf gewesen seien, so Furrer.
RAUS-Programm als Pflicht
Eine Abkehr von der Anbindehaltung ist nicht von heute auf morgen möglich. Laut dem Schweizer Tierschutz könnte zwischenzeitlich gefordert werden, dass die Anbindehaltung künftig nur bei gleichzeitig geregeltem Weidegang und Auslauf nach Vorgaben des heutigen Tierwohlprogramms RAUS (regelmässiger Auslauf ins Freie) akzeptiert wird.
234 Tage statt 90
Mit den vorgeschriebenen 26 Weidetagen pro Monat von Mai bis Oktober und den 13 Auslauftagen pro Monat von November bis April – insgesamt 234 Auslauftage – würde dies im Vergleich zu den derzeit vorgeschriebenen 90 Tagen mehr als doppelt so viele Auslauftage für die Tiere bedeuten.
Rund 88 Prozent aller Schweizer Rindviehbetriebe beteiligten sich laut Agrarbericht 2022 am RAUS-Programm. Wie viele davon ihre Tiere angebunden halten, konnte jedoch nicht eruiert werden.
Keine Vorteile ersichtlich
Doch können in der Anbindehaltung nicht auch Vorteile gesehen werden, wie beispielsweise mehr Ruhe im Stall, insbesondere für schwächere Rinder? Die Antwort des Schweizer Tierschutzes ist klar: Er sieht keine Vorteile darin. In Laufställen komme es nur dann vermehrt zu Rangkämpfen, wenn beispielsweise das Tier–Fressplatz–Verhältnis nicht tiergerecht gewählt werde, den Tieren insgesamt zu wenig Platz zur Verfügung stehe oder sich die Herdenzusammensetzung aufgrund von Managementdefiziten ständig ändere.
«Durch die Anbindehaltung ist der normale Kontakt zu den Artgenossen ausgeschlossen»
so Samuel Furrer, Geschäftsführer Fachbereich beim STS
Auch bei der Verletzungsgefahr von behornten Kühen in Laufställen sieht die Organisation kein Problem. Es gebe durchaus Beispiele, die zeigten, dass auch eine horntragende Herde im Laufstall ruhig zusammenleben könne, wenn das Haltungssystem stimme.
STS fordert Einstreu für alle Schweine
Auch in der Schweinehaltung fordert der Schweizer Tierschutz (STS) weitere Massnahmen, um das Tierwohl sicherzustellen. Während die Tierschutzverordnung in der Schweinehaltung lediglich einen in grösseren Flächen zusammenhängenden Liegebereich verlangt, fordert der STS, dass allen Tieren eine eingestreute Liegefläche zur Verfügung steht.
Zahlreiche Haltungsprobleme
Nach Ansicht der Tierschutzorganisation führt die unzureichende Strukturierung der Buchten zu zahlreichen Haltungsproblemen. In strukturierten und geräumigen Buchten hingegen sei es den Tieren möglich, verschiedene Verhaltensweisen an unterschiedlichen Orten, wie beispielsweise das Koten an bestimmten Kotplätzen, auszuleben.
Darüber hinaus hätten die Schweine so die Möglichkeit, ihre Schlafplätze entsprechend den klimatischen Bedingungen zu bestimmen. Während bei Kälte das Schlafen auf der Einstreu bevorzugt wird, lassen sich die Tiere bei Hitze auf kühleren Flächen nieder. Da Schweine einen Grossteil ihres Tages schlafen, sei zudem die Gestaltung des Liegebereichs für die Tiere von Bedeutung. Bevorzugt würden dabei weiche und trockene Liegeplätze, was durch das Einstreuen der Liegeflächen erreicht werden sollte.
Weiter ermögliche die wärmedämmende Eigenschaft der Einstreu die Haltung der Tiere in Kaltställen. Die Einstreu habe zudem einen positiven Einfluss auf die Gliedmassen der Tiere.
Mangelnde Beschäftigung
Daneben diene die Einstreu auch als Beschäftigungsmöglichkeit für die Tiere, so der STS. Als Hauptursache für Verhaltensstörungen wie Stangenbeissen, Leerkauen und besonders Schwanzläsionen bei den Mastschweinen erachtet der Tierschutz mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. Weiter sei den Tieren in einer einstreulosen Umgebung die Nahrungssuche – beispielsweise durch das Wühlen – nicht möglich. Im Gegensatz dazu biete die Haltung der Tiere mit Einstreu Gelegenheit zur Beschäftigung.
Eingestreute Liegebereiche bei QM
Bereits heute verlangen die Richtlinien von IP-Suisse und Bio Suisse, dass allen Schweine auf dem Betrieb eine eingestreute Liegefläche zur Verfügung steht. Dabei stammen laut Suisseporcs ungefähr 30 Prozent der geschlachteten Schweine von Betrieben, welche nach den Richtlinien von IP-Suisse (28 %) oder Bio Suisse (2 %) produzieren.
Nach QM-Richtlinien (Qualitätsmanagement Schweizer Fleisch) hingegen muss nur den tragenden Sauen ab dem 112. Trächtigkeitstag bis zum ersten Tag nach der Geburt geeignetes Nestbaumaterial zur Verfügung gestellt werden. Anschliessend muss dem Muttertier sowie den Ferkeln während der Säugezeit täglich Langstroh, Strohhäcksel, Chinaschilf oder entstaubte Hobelspäne eingestreut werden. Laut Suisseporcs wird jedoch rund die Hälfte der insgesamt 70 Prozent als QM-Tiere geschlachteten Schweine – also rund 35 % – auf Betrieben gehalten, die am Tierwohlprogramm BTS (besonders tierfreundliche Stallungssysteme) teilnehmen. Wie die beiden Labels IP-Suisse und Bio Suisse verlangt auch dieses Tierwohlprogramm einen nicht perforierten, eingestreuten Liegebereich für die Tiere.
Festlegung der Säugedauer
Während die Richtlinien von IP-Suisse und Bio Suisse eine Mindestsäugedauer von 24 Tagen respektive 42 Tagen vorschreiben, wurde bis anhin weder in der Tierschutzverordnung noch in den Richtlinien von QM eine Mindestsäugedauer festgelegt. Mit der Revision der Tierschutzverordnung soll diese nun auf 14 Tage festgelegt werden.
STS will eine Mindestsäugezeit von 24 Tagen
In seiner Medienmitteilung fordert der STS jedoch eine Erhöhung der Säugezeit auf 24 Tage. Auf Anfrage der BauernZeitung zur genaueren Erläuterung der Forderung weist die Organisation auf den Verhaltensforscher Alex Stolba hin. Dieser beobachtete, dass Hausschweine genau wie auch Wildschweine in semi-natürlicher Umgebung ihre Ferkel etwa drei bis vier Monate säugen und in den letzten Monaten sukzessive absetzen. Weiter erwähnte der STS, dass die deutsche Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bereits eine Mindestsäugezeit von vier Wochen vorschreibe. Dabei sei eine Ausnahme des Absetzens mit drei Wochen erlaubt, wenn die Ferkel nach dem Absetzen unverzüglich in gereinigte und desinfizierte Ställe verbracht würden.
Laut Angaben von Suisseporcs setzen bereits heute über 98 Prozent aller Schweinebetriebe in der Schweiz ihre Ferkel nach vier bis fünf Wochen ab.
Während der STS in seiner Medienmitteilung eine Mindestsäugedauer von 24 Tagen forderte, schreibt er in seiner Erläuterung gegenüber der BauernZeitung, dass ein früheres Absetzen der Tiere unter sechs Wochen gesundheitliche Probleme bringe. Auch sechs Wochen seien physiologisch noch nicht optimal für die Tiere. Bereits heute gebe es Betriebe, die ihre Ferkel länger als vorgeschrieben beim Muttertier lassen – insbesondere Betriebe mit Gruppensäugen.

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