Der Schweizer Tierschutz STS hat nach seiner ersten Recherche zum Thema Labelpreispolitik beim Rind- und Schweinefleisch eine zweite Untersuchung zu Eiern und Geflügelfleisch durchgeführt. Der STS kommt zum selben Schluss wie bereits beim Rind- und Schweinefleisch: auch bei Geflügel und Eiern seien Label- und Bioprodukte «preislich klar benachteiligt». 

Das Thema hat auch die SRF-Sendung Kassensturz kürzlich aufgenommen:  

 

Keine Belohnung für den Mehraufwand

Einerseits gehen die Konsumenten beim Kauf von Bio- und Labelprodukten davon aus, dass ihr Geld über höhere Preise dem Tierwohl zugute kommt. Das zeigt auch die kurze Umfrage des Kassensturz. Andererseits gehen die Produzentinnen und Produzenten ohne eine Entschädigung für ihren Mehraufwand aus. Das habe direkte Auswirkungen auf die Haltungsbedingungen, schreibt der STS. 

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Die Berechnungen der Margen durch den STS zeigen, dass der grösste Teil der höheren Bio- und Labelpreise bei den Detailhändlern bleibt. Wie hoch die Margen tatsächlich sind, legen Coop, Migros und Co. nicht offen. (Grafik STS)

Suisseporcs sieht es ähnlich

Die Preisverzerrung zugunsten von konventionellen Produkten ist aus Sicht des STS auch der Grund für die stagnierende Nachfrage nach Label- und Bioprodukten. Ähnlich sieht es Urs Haslebach von Suisseporcs: zwar gebe es durchaus Gründe für Mehrkosten für Labels bei den Detailhändlern, etwa durch die nötigen Kontrollen. Man habe aber schon manchmal den Verdacht, dass ungerechtfertigt Margen aufgeschlagen werden, erklärt Haslebacher im Kassensturz.

Der Geflügelproduzent Rudolf Stucki meint in derselben Sendung, Schweizer Bauern wären allgemein froh um mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette.  

Coop sagt nichts, Migros kommt zu anderen Ergebnissen

Coop wollte laut dem Kassensturz nichts zu überhöhten Margen für Bio- und Labelfleisch sagen. Ein Mediensprecher der Migros erklärt in der Sendung, der STS habe falsch gerechnet. Man habe das nachgerechnet und komme auf einen 20 Prozent tieferen Wert für den durchschnittlichen Verkaufspreis im Laden. «Die Migros hat keine höheren Margen auf Bio-  und Labelfleisch». Der Fehler sei, dass der STS Aktionspreise nicht eingerechnet habe, denn beim konventionellen Sortiment gebe es weniger Aktionen.

Die Geheimnistuerei um Margen begründet man bei der Migros mit der schwierigen Konkurrenzsituation unter Detailhändlern. 

 

Absatzoffensive gefordert

Um die Nachfrage nach Produkten aus tierfreundlicher Haltung wiederzubeleben, will der STS eine breit angelegte Kampagne unter dem Titel «Absatzoffensive Labelfleisch und Eier». Der Bericht zu den Margen bei Eiern und Geflügelfleisch schliesst mit denselben Forderungen wie die erste derartige STS-Recherche zum Schweine- und Rindfleisch:

  1. Mehr Engagement für Produkte aus tierfreundlicher Haltung durch die Fleischbranche, Detailhändler sowie Konsumentinnen und Konsumenten
  2. Nachvollziehbare Preisverhältnisse zwischen Label- und konventionellem Sortiment, damit die Nachfrage steigt
  3. Vollständige Abgeltung von Tierwohl-Mehrwerten an die Produzenten
  4. Der Bund soll für Kostenwahrheit sorgen und damit nachhaltige Produkte besser stellen sowie Tierwohlprogramme aufwerten

Die Forderungen würden von einem Grossteil der Bevölkerung unterstützt, schreibt der STS. Man stützt sich dabei auf die Ergenisse einer repräsentativen DemoScope-Umfrage von Ende März 2020:

  • knapp 3/4 der Schweizerinnen und Schweizer wollen demnach, dass der Detailhandel verbindliche Massnahmen zur Verbesserung des Absatzes von tierfreundlichen Bio- und Labelprodukten umsetzen
  • 85 Prozent verlangten eine faire Abgeltung der Produzenten
  • Ebenfalls fast 85 Prozent wollen, dass die Politik aktiver wird