Entscheidend für die Bodenfruchtbarkeit und damit die Gesundheit von Pflanzen ist das Verhältnis verschiedener Nährstoffe in der Erde. Ingrid Hörner vergleicht es am Bodenfruchtbarkeitstag in Zollikofen BE mit einem Kuchen: «Wenn Sie backen wollen und es fehlen zwei Eier, dann können Sie die nicht einfach mit mehr Mehl ersetzten.»

Pflanzenverfügbarkeit hängt vom Gleichgewicht ab

Sowie dieses Backwerk misslingen würde, so leiden Pflanzen, wenn das Gleichgewicht im Boden gestört ist. Das reine Vorhandensein von beispielsweise Calcium reicht nicht, denn es muss pflanzenverfügbar sein. Und diese Verfügbarkeit hängt wiederum von anderen Nährstoffen und Mineralien im Erdreich ab. Ein bekanntes Beispiel ist elementarer Schwefel, den es für die Stickstoff-Aufnahme braucht.

Nährstoff-Verhältnisse beeinflussen Bodenstruktur

«Das Verhältnis der Elemente im Boden beeinflusst seine Struktur. Stimmt das Verhältnis, stossen sich die Erdklümpchen gegenseitig ab. So entstehen zwischen den Erdklumpen Lücken, die den Boden lockern und durchlüften», erklärte Ingrid Hörner weiter. So könne man über die Bodenchemie die physikalische Struktur desselben verbessern.

Ein krümeliger, lockerer Boden, der die Kultur gut versorgt, schafft die Grundlage für gesunden Weizen, Raps und Kohl, aus denen wiederum für den Menschen bekömmliches Mehl, Öl und Sauerkraut werden kann.

Mehrstufiges pflanzliches Immunsystem

Gut versorgte Pflanzen sind widerstandsfähiger. Ingrid Hörner, die selbst Agronomin und Landwirtin ist, teilt das Immunsystem von Apfelbaum, Karotte oder Gras in vier Stufen ein:

  1. Effiziente Photosynthese: Damit werden kurzkettige Zucker hergestellt, die mit Mineralien (Magnesium, Eisen, Silizium, Bor, Calzium) zu langkettigen verknüpft werden.
    Fehlen langkettige Zucker wie Cellulose, Lignin, Stärke oder Pektin, kann die Pflanze bodenbürtige Krankheiten nicht abwehren. Es treten z. B. Fusarium, Alternaria oder Verticillium auf.
  2. Proteine: Sie entstehen aus Ketten von Aminosäuren, die vereinfacht eine Verknüpfung von Zuckern und Stickstoff sind.
    Gibt es Probleme auf dieser Stufe, zirkulieren im Blattsaft nur wenig Proteine, dafür ist er angereichert mit einfachen Aminosäuren und so die perfekte Nahrung für einfache Insekten wie Blattläuse. Da die Herstellung von Proteinen oft durch einen Überschuss an Nitrat gestört wird, sind Blattläuse quasi Nitrat-Zeiger. «Krankheiten und Schädlinge sind wie die Müllabfuhr – sie entfernen Ungesundes aus dem System», erklärt Hörner.
  3. Lipide: Sie dienen als Speicher überschüssiger Energie bringen die Blätter zum Glänzen. In diesem Zustand geben Pflanzen Lipide an den Boden ab, was die Bodenpilze nährt.
    «Wenn Sie Blattglanz feststellen, findet Humusaufbau bei laufender Produktion auf dem Feld statt», fasst Ingrid Hörner zusammen.
  4. Sekundäre Pflanzenstoffe (ätherische Öle): Sie schützen vor UV-Strahlen, Krankheiten und Insekten.
    «Ätherische Öle sind für die menschliche Gesundheit und auch unser Immunsystem sehr gesund», so Hörner.

Mängel machen anfällig für Krankheiten

Nach Ansicht von Ingrid Hörner und ihrer Kollegen Dietmar Näser und Friedrich Wenz sind Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter ein Zeichen für einen bestimmten Mangel. Sie illustriert diesen Ansatz mit einem Erdfloh-Befall an Kohl. «Die Ursache war zu viel Nitrat im Boden, was die Herstellung von Proteinen störte», so die Agronomin. Damit war die zweite Stufe des pflanzlichen Immunsystems betroffen, was den Kohl anfällig für einfache Insekten wie Läuse oder eben Erdflöhe machte.

Den Kohl stärken statt Insektizid spritzen

Der Nitrat-Überschuss müsse allerdings nicht durch Fehler beim Düngen entstanden sein: «Im Trockenjahr 2018 war der Boden sehr warm, was Mikroorganismen absterben liess. Es kam zur Verdichtung und hohen Eisen- und Mangan-Gehalten im Boden, was schliesslich in einem Nitrat-Überschuss im Blattsaft der Pflanze endete.» Die Bekämpfung des Erdfloh-Befalls richtete sich entsprechend nicht gegen den Schädling selbst, sondern zielte auf eine ausgeglichenere Nährstoffversorgung des Kohls und damit eine Stärkung seines Immunsystems ab:

  • Zeolith (das Silicium darin bindet Nitrat), Melasse und Huminsäure (als Nahrung für Mykorrhiza-Pilze im Boden)
  • Zitronensäure (reduziert Eisen und Magnesium)
  • Heutee (liefert organisches Silicium)
  • Pflanzenferment (fördert reduktive statt oxidative, also Fäulnis-Prozesse)

Die Behandlung war laut Hörner erfolgreich.

Unkraut zeigt Zustand des Bodens 

Wer Unkräuter als Zeigerpflanzen versteht, kann von ihrem Auftreten auf den Zustand seines Bodens schliessen:

  • Sauergräser zeigen einen Calzium-Mangel an
  • Breitblättrige Unkräuter kommen bei einem gestörten Verhältnis von Phosphor zu Kalium
  • Sukkulenten (z. B. Portulak) breiten sich bei einem Mangel an Humus im Boden auf dem Feld aus

Eine (Blatt-)Düngung mit den richtigen Nährstoffen kann somit wie ein Herbizid auf unerwünschte Pflanzen auf dem Feld wirken.

Silicium aktiviert die ganze Pflanze

Heutee, Ackerschachtelhalm und Gesteinsmehl (Zeolith) oder Kieselpräparate sind eine Quelle für Silicium. Obwohl dieses Element kein essenzieller Nährstoff für Pflanzen ist, misst ihm Ingrid Hörner eine grosse Bedeutung bei. «Viel Silicium im Blattsaft zeigt einen aktiven und vitalen Boden, denn es wird ausschliesslich in der Wurzelzone von Bakterien gebildet», erklärt sie. Es aktiviere unter anderem die Aufnahme anderer Nährstoffe in die Pflanze.

 

Fünf regenerative Schritte

Die regenerative Landwirtschaft nach Dietmar Näser, Friedrich Wenz und Ingrid Hörner basiert auf fünf Schritten:

  • Bodenchemie in Ordnung bringen und belebend begrünen
  • Schonende Bodenbearbeitung (lockern, das heisst Haarrisse statt tiefer Furchen und umgepflügter Schollen)
  • Den Boden bedeckt halten (Zwischenfrüchte, Untersaaten)
  • Über mit Fermenten gesteuerte Flächenrotte von Pflanzenmaterial das Bodenleben nähren
  • Kultur vitalisieren (Komposttee und gezielte Blattdüngungen)

Kritiker werfen ihnen vor, ihren Resultaten fehlten die Wiederholungen, um robust zu sein. «Aber wir haben etwa 50 Bauern, die berichten, dass es funktioniert», gibt Ingrid Hörner zu bedenken. Man profitiere enorm vom Wissensaustausch, denn schliesslich habe man in 30 Jahren auf dem Betrieb nicht mehr als 30 Gelegenheiten, um auszuprobieren.

Weitere Informationen:
www.diegrueneberatung.de
www.gruenebruecke.de