Jung, kreativ und voller Tatendrang sind sie alle drei. Sie teilen dieselbe Vision, wollen Nahrungsmittel aus dem Stall respektive dem Gemüsegarten ohne Umwege auf den Teller bringen. Wollen unabhängig sein von Grossdetaillisten, die sie beliefern müssen. Und sie möchten ihr Leben nicht am Computer verbringen, sondern mit den Händen etwas schaffen. Auf ihrer Website schreiben sie: "Wir haben das Heu auf derselben Bühne". Ein Wortlaut, der auch sinnbildlich stimmt.

3 kreative Köpfe und 6 fleissige Hände

Und trotzdem sind es die unterschiedlichen Fähigkeiten jedes einzelnen Teammitglieds, die die Zusammenarbeit auf dem Biohof Taratsch so fruchtvoll machen. Dominique Schmutz, eigentlich Industriedesigner, hat nach ein paar Alpaufenthalten seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und die Lehre zum Landwirt absolviert. Auf dem Biohof Taratsch ist er für darum für die Abläufe im und rund um den Stall verantwortlich. Seine Partnerin Leonie von Arx, auch ausgebildete Industriedesignerin, lebt sich im Gemüsegarten aus. Und Rebecca Clopath, Naturköchin, kocht mit den frischen Zutaten und begeistert damit die Schweizer Kulinarik-Szene.

Sie kocht mit der Natur

Im Bündner 50-Seelen-Dorf Lohn, ganz in der Nähe der Viamala, ist Rebecca Clopath auf dem Biohof Taratsch aufgewachsen. Schon als Teenagerin hat sie aus den hofeigenen Zutaten Gourmetmenüs gezaubert. Dass sie mit 31 Jahren als Spitzenköchin schon verschiedene Preise, unter anderem den Nachhaltigkeitspreis 2016 erlangt hat, ist fast schon logische Konsequenz der Leidenschaft, die sie für die Naturküche hegt. Sie will Produkte verarbeiten, die auf oder neben dem Hof gewachsen sind. Die Ausbildung zur Bäuerin absolviert sie in Hondrich.

[IMG 5]

Kohlrabi für die Suppe werden frisch aus der Erde gezogen. (Bild lid)

Zwei Wege führen zusammen

Nach Ausbildungs- und Wanderjahren kehrte sie zurück ins Schamsertal. Ihre Vision eines kleinen Hofrestaurants und das Angebot von Kursen zum Thema Esswahrnehmung nahm Form an, als sie Anfang 2017 Dominique und Leonie kennenlernte. Ursprünglich aus dem Unterland, unterstützten die beiden gerade den Landwirt in der Region, bei dem Dominique seine Ausbildung absolviert hatte. Das junge Paar sah sich zeitgleich nach einem passenden Betrieb zur Übernahme um. "Wir haben Augen und Ohren offengehalten", erzählt Dominique Schmutz. "Es war uns bewusst, dass die Hofsuche schwierig wird. Leider werden die meisten Höfe in der Schweiz noch immer an den Sohn des Landwirts abgegeben, oder einer hört auf und verpachtet sein Land an Kollegen aus dem Dorf." Wählerisch zu sein, erlaubten sie sich nicht. Einzige Bedingung: Die Wertschöpfung soll möglichst regional geschehen.

Gefunden haben alle drei die perfekte Lösung. Im Mai dieses Jahres ist das Paar mit der 1,5 Jahre alten Tochter nach Lohn gezogen. Anfang 2020 wollen die drei den Betrieb offiziell übernehmen. "Der Papierkram bereitet sogar unserer Beraterin Kopfzerbrechen, weil es nicht eine klassische Vater-Sohn-Betriebsübernahme ist", erzählt Leonie von Arx. Ihr Partner fügt an: "Zum Glück kann Rebecca Eigentümerin des Hofs sein. Denn wenn die Betriebsübernahme ausserfamiliär geschieht, steigen die Kosten für den Betrieb um das drei- bis fünffache." Bisher hat Rebeccas Vater den Betrieb geführt und steht noch immer mit Rat und Tat zur Seite. "Er ist der beste Betriebshelfer, den man sich vorstellen kann", schmunzelt Dominique Schmutz.

 

Saftiges Gras für saftiges Fleisch

Derweil sind die 12 Milchkühe auf der Alp, aber die Hühner und die beiden Schweine müssen versorgt werden. Und die Raufutterproduktion steht an. "Wir verfüttern zu 100% Futter aus eigener Produktion", betont Schmutz. Den Kreuzungen von Original Braunvieh und Brown Swiss bekommt das Raufutter gut, das auf 1800 Metern aus anderen Kräutern und Gräsern zusammengesetzt ist als im Unterland. "Wenn Rebecca nicht alle Milch verarbeitet und die Jungtiere nicht alles trinken können, kaufen wir vom Nachbarn Mastmunis zu, die die Milch kriegen. So können wir alles verwerten", erklärt Dominique Schmutz. "Und die Mastmunis enden dann als Hamburger in der Stivetta", ergänzt Leonie von Arx.

Die Stivetta, rätoromanisch für "Stübli", liegt unterhalb der Wohnung des jungen Paares. Es ist der Ort, an dem sich Rebecca Clopath verwirklichen kann. Für erschwingliche Preise bietet sie Mittagsmenüs an (siehe Link in Infobox). Dabei arbeitet sie immer mit saisonalen Produkten.

[IMG 6]

Rebecca Clopath kocht am liebsten auf dem Feuerring: "Ich musste ihn auch schon unter 2 Meter Schnee hervorgraben, das war eine Heidenarbeit." (Bild lid)

Nebst Milch und Fleisch kommt auch das Gemüse auf den Tisch, das Leonie von Arx im Gemüsegarten anbaut. "Ich baue viele verschiedene Sachen auf kleinem Raum an, setze auf Mischkulturen und experimentiere gerne rum", sagt von Arx. Die Permakultur schaffe ein intaktes Ökosystem, ergänzt sie. Sie mag alte Sorten, pflanzt Dinge wie Spargelerbsen und Knackerbsen, diverse Kräuter, Bohnen, verschiedene Kohlarten wie Feder- oder Palmkohl. Neben den Experimenten mit Cima di Rapa und Artischocken wachsen Tomaten, Gurken und Erdbeeren im Gewächshaus. "Zusätzlich zu einem späten Vegetationsbeginn wächst hier oben alles viel langsamer. Der Geschmack vom Gemüse ist daher intensiv", erklärt von Arx.

 

Der Biohof Taratsch

Hof

  • 12 Milchkühe mit ihrem Jungvieh
  • 2 Evolèner Mutterkühe
  • saisonal: Mastmunis
  • 2 Turopolje-Schweine
  • Hühner (Pro Specie Rara)
  • circa 40 ha Grasland, davon viele Ökoausgleichsflächen, Magerwiesen etc.

Kulinarik

  • Workshops
  • Esswahrnehmungen im Frühling und Herbst
  • Stivetta und Hofladen

www.biohof-taratsch.ch 
www.rebecca-clopath.ch

 

 

Gemüsegarten bietet Inspiration

Die Autodidaktin hat auf dem Lehrbetrieb von Dominique Schmutz viel gelernt und konnte Kontakte zu anderen Gemüsegärtnern knüpfen, die ihr Tipps geben oder mit denen sie Samen austauschen kann. "Manchmal denke ich, dass mir ein Gemüse nicht gelungen ist. Dann kommt Rebecca in den Garten und sammelt für die Küche Teile der Pflanze, an die ich gar nicht gedacht hätte", so von Arx.

Leonie von Arx unterstützt Rebecca Clopath in der Küche, insbesondere wenn Kurse oder Events anstehen. Clopath bietet Workshops zu Themen wie Brot oder Milch an, wo die Teilnehmer selber in der Küche stehen. Im Bereich Fine Dining finden Esswahrnehmungen statt, in deren Rahmen die Gäste ein 9-Gang-Menü geniessen können. Ansonsten öffnet sie die Stivetta jeweils an ausgewählten Tagen im Januar, Februar, Juli und August und bietet dann auch Produkte im Hofladen an.

[IMG 7]

Die Turopolje-Schweine legen nur langsam an Gewicht zu. „Nicht nur das Fleisch schmeckt darum besonders, sie bleiben uns auch länger“, freut sich Leonie von Arx. (Bild lid)

Spielerisch und genussvoll will das Team vom Biohof Taratsch das Bewusstsein für Natur und Landwirtschaft und den Zusammenhang zur Ernährung wieder in den Köpfen der Leute verankern. "Uns ist der edukative Auftrag bewusst. Rebecca schafft es, die Zutaten ins richtige Licht zu rücken", so Leonie von Arx. Und betont im nächsten Satz, dass zwar jeder im Team seine Aufgabe habe, alle aber überall einspringen könnten. "Wir halten einander auf dem Laufenden. So kann jeder den anderen im Ferien- oder Krankheitsfall vertreten. Wir müssen doch nutzen, dass wir zu dritt sind!"