Die Äste der kleinen Bäume mit blassgelben Früchten sind reich behangen. «Das Ernten ist schön, da kann man mit beiden Händen zugreifen», meint Peter Schwob, legt den Kopf in den Nacken und blickt zufrieden ins Geäst. Zwar sind die Mirabellen auf dem Prinzenhof, den er zusammen mit seiner Frau Myriam führt, ein kleinerer Nebenerwerb. Doch die wuchsfreudigen Bäume haben einige Vorteile gegenüber Kirschen oder Zwetschgen und gehören seit der Generation von Schwobs Eltern zum Betrieb auf dem Baselbieter Lampenberg.

Bäume leben unerwartet lange

«Die ersten 18 Bäume wurden 1996 gepflanzt», schildert Peter Schwob. Eigentlich rechnet man bei dieser Obstsorte mit einer Lebensdauer von rund 20 Jahren. Daher setze das heutige Betriebsleiterpaar nach Ablauf dieser Frist 18 neue, um für Ersatz zu sorgen. «Aufwand und Ertrag stimmten für uns», so die Begründung. Tatsächlich stehen nun 36 gesunde Mirabellenbäume auf der Streuwiese – die Bedingungen scheinen für ein überdurchschnittlich langes Pflanzenleben geeignet. Dies, obwohl die benachbarten Hochstamm-Kirschen sichtlich Mühe haben und der Boden zuweilen starke Staunässe aufweist. Dann spritze das Wasser bei jedem Schritt zwischen den Mirabellenreihen auf, schildert Myriam Schwob.

[IMG 2]

[IMG 3]

KEF ist kein Problem

Wieviele Mirabellen es gibt, bestimmt vor allem der Spätfrost. «Zwischen 500 kg und vier Tonnen ist alles möglich», meint der Baselbieter. Auch die über 20 Jahre alten Bäume seien noch sehr wuchsfreudig und müssten jedes Jahr im Winter geschnitten werden, damit die Kronen in Form bleiben. Dank der hellen gelben Farbe sind die Früchte – im Gegensatz zu Kirschen, Zwetschgen oder Erdbeeren – nicht attraktiv für die Kirschessigfliege (KEF). Und auch wenn die blassen Mirabellen zart aussehen, sind sie laut Peter Schwob weniger empfindlich und besser lagerbar als Kirschen. Die Frucht sei fester. Wenn im August die Ernte ansteht, sind normalerweise nicht ganz alle Mirabellen gleichzeitig reif. «Es hat sich bewährt, die kleineren noch zum Ausreifen hängen zu lassen», meint der Landwirt.

Die kleinsten Pflaumen
Die meisten Mirabellen werden in Mitteleuropa im französischen Lothringen angebaut, die jährlich 15'000 Tonnen entsprechen nach Angaben des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes (LID) rund 70 Prozent der weltweiten Produktion. In der Schweiz sind Mirabellen, bei denen es sich um die kleinste Pflaumenart handelt, nur selten anzutreffen. Der Kanton Basellandschaft gilt hierzulande als Hauptanbaugebiet mit fast 90 Prozent der Inlandernte (Stand 2019). Die Produktion ist allerdings bescheiden, wie anlässlich der Baselbieter Genusswochen 2019 informiert wurde: 2018 belief sich die Ernte auf gut 70 Tonnen von knapp 5 ha Anbaufläche, was 10 Prozent der Schweizer Nachfrage entspreche.   

[IMG 4]

[IMG 5]

An Landi und Gastronomie

Mit tageweise drei bis sieben Leuten dauert die Ernte bei Schwobs 10 bis 14 Tage. Die Mirabellen werden an die regionale Landi geliefert, gehen aber auch in die Gastronomie: «Der Wirt der Dorfbeiz bereitet ein Chutney zu», erklärt Myriam Schwob. Dieser Absatz sei ein Resultat lebindigen Dorflebens, da man einander um den Lampenberg noch im Ausgang oder bei Vereinsaktivitäten treffe. Auch Eier und Kalbfleisch vom Prinzenhof kommen so via Restaurant auf den Teller der weiteren Nachbarschaft. Die Direktvermarktung via Hofladen beschränkt sich wegen der wenig günstigen Lage auf einen Kühlschrank mit Eiern.  

Schnaps für den Weihnachtsmarkt

Ausschussware von der Mirabellenernte bleibt auf dem Hof, denn Myriam Schwob hat ein altes Brenngeschirr ihrer Schwiegereltern wieder in Betrieb genommen. «Das ist eher ein Hobby», bemerkt sie, «im Winter hat man ja mehr Zeit für so etwas und der Mirabellen-Schnaps verkauft sich gut an Weihnachtsmärkten oder unter Bekannten.» Im August werden die reifen Früchte eingemaischt, was im Falle des Prinzenhofs heisst, sie schlicht in ein Fass zu füllen und vergären zu lassen. «Profis geben noch Zusätze hinzu, um den Prozess zu steuern», weiss die Bäuerin. Sie plane, einen Brennkurs zu besuchen, um das Ganze etwas professioneller angehen zu können. Neben dem Schnaps nutzt Myriam Schwob die vielseitige süsse Frucht für Konfitüre, Wähen oder macht sie ein.

Das Milchvieh geht vor

Im Frühling und im Herbst dient die Streuobstwiese mit den Mirabellen-Bäumen als Weide für die Milchkühe der Schwobs. Die Pflanzen seien daran gewöhnt: «Die Wurzeln sind tief und der Tritt des Viehs verursacht keinen Schaden», so die Einschätzung des Betriebsleiters. Für einen Profi-Betrieb wäre das ein No-Go, meint seine Gattin. Schliesslich werden die unteren Zweige abgefressen. «Aber bei uns geht das Milchvieh vor», stellt Myriam Schwob klar. Zum Schutz vor Rehen aus dem nahen Wald tragen die Stämme allerdings ein Zaungitter im unteren Bereich. Die Wildtiere dringen zum Teil bis zu den Rosen im Hausgarten vor.

[IMG 7]

[IMG 8]

Betriebsspiegel Prinzenhof
Ort: Lampenberg BL
LN: 49 ha
Tierbestand: 30 Milchkühe, Mastkälber (12 Plätze), 25 Legehennen
Ackerbau: Gerste, Weizen, Raps, Mais, Kunstwiese
Obstbau: 36 Mirabellenbäume, 20 Apfelbäume, 60 Hochstamm-Kirschbäume
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Eltern, 1 Lehrling

Keine Nachfrage mehr für Hochstamm-Kirschen

Die 30 Milchkühe des Prinzenhofs stellen Haupteinnahmequelle der Schwobs dar. Seit 2018 sind sie in einem neuen Stall untergebracht, der in Zusammenarbeit mit meinem Kuhsignal-Berater gebaut wurde und daher besonders hohes Tierwohl verspricht. Zwar ist der Betrieb mit Ackerbau, Mirabellen, Äpfeln, Kirschen, Milchwirtschaft, Aufzucht- und Mastkälbern sehr divers aufgestellt. «Aber wir spüren den Druck zur Spezialisierung», meint Peter Schwob. So bestehe für die Hochstammkirschen heute keine Nachfrage mehr, gesucht seien grössere Kaliber. Daher ernten Schwobs Kirschen nur noch für den Eigenbedarf und werden die alten Bäume nicht mehr ersetzen. «Für meine Eltern waren sie noch sehr einkommensrelevant. Für sie ist es schwierig, dass Hochstamm-Kirschen heute kaum mehr etwas wert sind».

[IMG 9]

«Wir müssen uns anpassen»

Die ältere Generation ist mit den Bäumen emotional also noch stärker verbunden – aber auch das junge Betriebsleiterpaar hängt am Obstbau. Speziell an den Mirabellen: «Wir haben unter reifen Mirabellen auf unserem Betrieb geheiratet», schildert Peter Schwob, «da kommt schon eine emotionale Bindung zustande». Ihm und seiner Frau ist aber auch klar, dass je nachdem wie sich die Umwelt und die Marktlage entwickelt, in einigen Jahren Schluss sein kann mit den Mirabellen: «Daran müssen wir uns anpassen». Neben den veränderten Ansprüchen an die Qualität der Früchte, wie es bei den Kirschen zu beobachten ist, macht sich beim Obstbau der Klimawandel bemerkbar. Schwobs Eltern ernteten noch im August, heute seien die Früchte schon zwischen Juni und Juli reif. «Die Erntezeit hat sich verschoben und verkürzt», fasst der Baselbieter zusammen. Die frühere Blüte im April (statt wie einst im Mai) lässt das Risiko für Spätfrostschäden massiv ansteigen.

[IMG 6]

Im Moment sind die Mirabellen für den Prinzenhof eine gute Nische. Die Bäume brauchten wenig Pflege, die Ernte gehe relativ leicht. In den Obstbau intensivieren will das Betriebsleiterpaar aber sicher nicht. «Wir müssten eine Anlage mit Hagelnetz und Frostschutz bauen», gibt Peter Schwob zu bedenken. Er setze auf die Milchwirtschaft als wichtigstes Standbein und behält die Mirabellen, solange die Marktnische attraktiv bleibt.