AboSturmschäden«Dieser Anblick bricht einem fast das Herz»Freitag, 1. September 2023Dass 2023 kein gutes Obstbaujahr wird, ist hinlänglich bekannt. Der Schweizer Obstverband (SOV) rechnete bei der Ernteschätzung vor zwei Wochen mit 48'000 t Mostäpfeln und 2970 t Mostbirnen. Nun führen die Sturmschäden vom 24. August in der Ostschweiz dazu, dass die ohnehin schon unterdurchschnittliche Ernte noch kleiner ausfällt. Es ist absehbar, dass sich der Kampf um den Rohstoff verschärft, vor allem was Bio betrifft.

Genügend Konzentratreserven bei Möhl und Ramseier

Die beiden grossen Mostereien, die Ramseier Suisse AG und die Mosterei Möhl, gehen davon aus, dass man trotz kleiner Ernte kein Mostobst importieren muss. Georges Möhl, Betriebsleiter der Mosterei Möhl mit Sitz in Stachen TG, sagt: «Wir haben genügend Konzentrat an Lager. Auch mit einer kleineren Ernte 2023 wird es uns gelingen, gesunde Reserven in den Tanks einzulagern, die bis im Herbst 2024 reichen.» 2019 hatte das Unternehmen seine Lagerkapazität mit dem Bau von zusätzlichen 30 Chromstahltanks à je 120'000 l auf gesamthaft 3,6 Mio Liter Konzentrat erhöht.

Auch bei der Ramseier Suisse AG wird man in den beiden Mostereien Aachtal TG und Sursee LU auf Konzentratreserven zurückgreifen können. Geschäftsführer Christoph Richli sagt: «Wir gehen davon aus, dass die tiefere Erntemenge mit Konzentrat ausgeglichen werden kann.» Wie die Versorgung nach der Ernte 2023 aussehe, könne man  noch nicht mit Sicherheit sagen. Richli betont, bei Bedarf und Möglichkeit beliefere Ramseier auch andere Mostereien mit Obstsaft und Konzentrat, damit kein Mostobst oder Obstsäfte importiert werden müssten.

Kein Import, trotz tiefer Ernte

AboMit Übermengen ist in diesem Jahr beim Mostobst nicht zu rechnen. Gesucht ist vor allem Bio-Mostobst. Christof Schenk vom Holderhof in Sulgen ist auf der Suche nach Bioproduzenten. ErnteverfügbarkeitMostobst-Rohstoff wird knappSonntag, 2. Juli 2023 Für Ruedi Kobelt ist diese Aussage ein Hohn. Für kleinere Betriebe wie die Mosterei Kobelt in Marbach SG ist die tiefe Erntemenge eine Herausforderung. Kobelt sagt: «Bei uns ist Mostobst dieses Jahr knapp.» Weil die letzten beiden Jahre mengenmässig nicht viel hergaben, sind die Lagerreserven geschrumpft. «Wir bräuchten 500 t Mostäpfel, mit etwa der Hälfte rechnen wir aus unserem Gebiet, dem St. Galler Rheintal.»

Importieren kommt für Kobelt nicht in Frage. «Importobst ist zwar zollfrei, aber die Kontingente muss man ersteigern und das ist für Kleinbetriebe teuer», berichtet er von seinen Erfahrungen aus dem Frostjahr 2017. Das grössere Problem als die Importe sieht Kobelt in der «Marktdominanz der zwei grossen Betriebe», ohne die Mostereien Möhl oder Ramseier beim Namen zu nennen.

«Dass zwei Player, die 60 bis 80 Prozent des Schweizer Marktes beherrschen, die Lieferanten so unter Druck setzen, nicht ausserhalb des Systems liefern zu dürfen, zeugt nicht von Fairplay.»

Ruedi Kobelt, Betriebsleiter Mosterei Kobelt  

Opaline setzt auf Walliser Mostobst

Wie Kobelt kann auch der Westschweizer Getränkehersteller Opaline SA mit Sitz in Vétroz VS kaum auf Lagerreserven zurückgreifen. In der Regel wird für die biologischen Fruchtsäfte kein Konzentrat verwendet. Das Unternehmen bezieht seine Rohstoffe von der Biofruits SA, ebenfalls in Vétroz ansässig. «Das Unterwallis ist vor allem bekannt für die Tafelfrüchteproduktion, aber auch Mostobst steht genügend zur Verfügung», sagt Alexandre Fricker, Geschäftsführer von Opaline. Dass all ihre Säfte mit Früchten aus einem Umkreis von weniger als 25 km hergestellt werden, ist Fricker wichtig.

«Letztes Jahr mussten wir die Produktion drosseln, weil es zu wenig Birnen gab. Das tat weh – aber wir haben unsere Werte lokal, ökologisch und solidarisch, denen wir treu bleiben», so Fricker. Das Konzept scheint aufzugehen. Opaline beliefert rund 1100 Verkaufsstellen, mehrheitlich in der Westschweiz, dazu kommen welche in Basel, Bern, Zürich und Winterthur.[IMG 2]

Einer der sich auch im Wallis mit Mostobst eindeckt, ist der Holderhof. «Das ist kein Konkurrent vielmehr ein Partner», stellt Fricker klar. Insbesondere, weil der Holderhof mit seiner Abfüllanlage einsprang, als am 6. Juli ein Grossbrand die Verarbeitungsanlage der Biofruits SA zerstörte.

Holderhof lässt sich Bio-Obst etwas kosten

Der Holderhof hat vor einem Jahr in Sulgen TG eine neue Mosterei mit einer Verabeitungskapazität von 15'000 t in Betrieb genommen. Bio-Mostobst ist auch für den Holderhof wichtig. Betriebsleiter Christof Schenk lässt sich allerdings nicht in die Karten blicken. «Die Ernte hat erst begonnen», sagt er und meint zur Ernteschätzung: «Es ist schwierig, weniger hat es sicher.» Bezüglich Import komme es darauf an, was mit der Hagelware passiere. 

«Vielleicht bekommen wir verhageltes Tafelobst, das wir auf jeden Fall annehmen werden. Ist das nicht der Fall, werden wir importieren müssen.»

Christof Schenk schliesst Importe nicht aus

Auffällig ist, dass der Holderhof für Bio-Mostäpfel deutlich höhere Preise zahlt als die vom Produktzentrum Mostobst festgelegten Richtpreise. «Ich weiss, dass dies den grossen Platzhirschen ein Dorn im Auge ist», sagt Schenk gelassen. «Aber Bio ist im Vergleich zum konventionellen Mostobst unterbezahlt.» Schenk zahlt für Bio-Mostäpfel Fr. 4.– pro 100 kg mehr als der SOV-Richtpreis.

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Dieses Jahr keine Rückbehalte

AboErich Manser, Ernst Krüsi und Ernst Peter (v. l.) sind Vorstandsmitglieder des Vereins Hochstammobstbau. Ernst Peter als Präsident kritisierte das Ernteausgleichssystem. ErnteausgleichDie Hochstamm-Obstbauern wollen Transparenz und FairnessDienstag, 25. April 2023Angesprochen auf den neuen Mitbewerber auf dem Obstmarkt, gibt man sich bei Möhl wie auch bei Ramseier wortkarg. «Wir haben genügend Obst, da spüren wir einen zusätzlichen Mitbewerber nicht», sagt Georges Möhl. Und von Seiten Ramseier heisst es: «Wir setzen die langjährige, partnerschaftliche und auch bei grossen Ernten zuverlässige Zusammenarbeit mit unseren Mostobstlieferanten unverändert fort.» Ramseier, Möhl und Kobelt geben an, man zahle für das Mostobst die offiziellen Richtpreise des SOV. 

Jedes Jahr für Diskussionen in der Mostobstbranche sorgt der Ernteausgleich (ehemals Rückbehalt), an dem sich Holderhof und Kobelt nicht beteiligen. Das Produktzentrum Mostobst des SOV legte fest, dieses Jahr auf den Ernteausgleich zu verzichten. Daran werde man sich halten, teilen Möhl und Ramseier mit. Folgende Empfehlungen gab der SOV im Marktbericht im August:

  • Mostäpfel: Ernteausgleichsbeitrag ab einer Erntemenge von über 50'000 t.
  • Mostbirnen: Kein Ernteausgleichsbeitrag.
  • Bio-Mostbirnen und -äpfel: Unabhängig von der Erntemenge wird kein Ernteausgleichsbeitrag erhoben.

Hohe Qualität erwartet

Nebst der kleinen Ernte und dem Kampf um die Lieferanten gibt es aber auch Positives zu berichten: So ist die Qualität des angelieferten Mostobstes sehr gut und zwar schweizweit. Bei der Firma Möhl wurde letzte Woche ungewöhnlich viel und teilweise unreifes Fallobst angeliefert. «Klammert man das Sturmobst aus, ist die Qualität der angelieferten Früchte gut», zeigt sich Georges Möhl zufrieden. Ruedi Kobelt sagt, er sei überrascht von den hohen Qualitäten. «Unsere bisherigen Chargen hatten Oechslewerte von 44 bis 48 Grad.» Geholfen hat da das aktuelle Spätsommerwetter.