«Bei uns ist die Ernte eine Gefühlssache», sagt Martin Leeger, während er durch seine Zuckermaisparzelle schreitet. Ab etwa dem 10. Juli bis Mitte September inspiziert der Landwirt zweimal täglich seine Pflanzen auf reife Kolben. «Bei der maschinellen Ernte braucht es den richtigen Zeitpunkt für die Ernte, da nicht alle Kolben gleichzeitig reif werden. Wir sind da etwas flexibler, weil wir von Hand ernten.» Mit wir meint der Landwirt sich und seine Frau Bea, die 100 Prozent bei ihm angestellt ist.
Zusammen ernten beide pro Saison und Hektare 15'000 bis 20'000 Kolben von Hand. Während der Ernte wurden die goldigen Kolben mit einem Zuckermaisfest auf dem Hof in Steinmaur ZH gefeiert. «Das war viel Arbeit, aber immer das Highlight jeden Jahres gewesen», blickt Martin Leeger zurück.
Zuckermais hat vernünftige Höhe zum Ernten
Familie Leeger baut seit 1993 Zuckermais an. «Damals hat es noch drei weitere Produzenten im Dort gegeben. Heute sind wir die Einzigen, die durchgehalten haben», so Martin Leeger. Nutztiere gibt es auf dem Hof keine: «Mein Vater verkaufte 1973 sein Milchvieh, nachdem eine Vergrösserung nicht Zustande kam», erzählt er weiter. Für Zuckermais entschied sich die Familie, als die Ernte von Kopfsalat, Nüssli und Peterli zu mühsam für den Rücken wurde. «Zuckermais hat zum Ernten eine vernünftige Höhe. Rückenprobleme haben wir so keine mehr», witzelt der 59-jährige Landwirt.
«Vor ein paar Jahren haben wir noch mit 500 Gästen gefeiert.»
18 Jahre lang fand auf dem Hof ein Zuckermaisfest statt.
Neben Zuckermais werden unter anderem Raps, Zuckerrüben, Brotweizen, Körnermais und Gemüse angebaut. Zusätzlich ist Leeger «noch in der glücklichen Lage», wie er zugibt, stundenweise als Lohnunternehmer zu arbeiten. Mit seiner eigenen Ansaatmaschine werden Raps, Zuckerrüben und Mais im Lohn ausgesät. Mitarbeiter hat er keine: «Unsere Philosophie ist, alles mit der eigenen Familie zu meistern.» Seine zwei Söhne, 32 und 37 Jahre, würden bei Bedarf noch anpacken, aber den Hof nicht übernehmen. «Das wird wahrscheinlich die Betriebsaufgabe bedeuten oder es wird den Betrieb nicht mehr in dieser Form geben», sagt er betrübt.
Bei Leegers gibt es mehrere Erntezeitpunkte
Etwa 300 Meter vom Hof entfernt, befinden sich die drei Parzellen von insgesamt einem Hektar auf denen Zuckermais in diesem Jahr wächst. Leegers bauen verschiedene Sorten zu unterschiedlichen Aussaatzeitpunkten an, so dass es sieben bis acht Sätze zum Abernten gibt. «Den jeweiligen Zeitpunkt für die Aussaat wähle ich per Gefühl, aber in der Regel sollte der Mais im 2-Blattstadium sein, bevor ich die nächste Saat anlege. So schaffe ich gute Übergänge für die Ernte», so der erfahrende Maisbauer.
Die frühe Sorte Sprinter, die neu auf dem Markt ist und Martin Leeger probeweise angebaut hat, wurde jeweils am 18. März und 6. April ausgesät. «Eine solch frühe Aussaat funktioniert nur, wenn der Boden danach mit Vlies abgedeckt wird», weiss der Landwirt. Sprinter reift bereits nach 70 Tagen ab. Der Erntebeginn Anfang Juli ist daher relativ früh, weshalb die Sorte beim Besuch der BauernZeitung Ende Juli schon abgeerntet ist. Die Sorte Kiara hat Leeger ebenfalls am 18. März und 6. April ausgesät. Ihre Ernte beginnt etwas später als die von Sprinter. Die letzte Aussaat erfolgte jeweils am 10. Juni.
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Für ein gutes Gelingen werden pro Hektare 30'000 Pflanzen ausgesät. Zum Vergleich: beim Futtermais sind es 100'000 Pflanzen pro Hektar. «Wir säen nur die Hälfte, damit die Pflanzen kräftig wachsen und schöne Kolben bilden», begründet Leeger. Dabei ist auch die Saattiefe matchentscheidend: die Körner werden möglichst flach, 1 bis 3 cm tief, eingesät, weil die Keimkraft mit 75 bis 90 Prozent nicht so hoch sei wie die beim konventionellen Mais mit über 90 Prozent.
Der Dachs stiehlt pro Nacht bis zu 30 Kolben
Im Nachauflauf werden die Reihen einmalig mit einem Herbizid behandelt. Je nach Temperatur sei der Unkrautdruck unterschiedlich hoch. In einer Trockenperiode wirkt das Herbizid wegen der geringen Feuchtigkeit eher spät, weshalb sich dann gerne Melden, Nachtschatten und Hirse ausbreiten. Doch in diesem Jahr zeigen sich die Reihen mehrheitlich sauber.
Betriebsspiegel Hof Leeger
Name: Martin und Bea Leeger
Ort: Steinmaur ZH
Betriebsform: ÖLN, Swiss Gap
Ackerfläche: 19 ha, davon 1 ha Zuckermais, 2 ha Körnermais, 3 ha Zuckerrüben, 6 ha Brotweizen, 6 ha Gemüse (Karotten, Randen, Konservenerbsen)
Angestellte: Bea Leeger mit 100 %
«Wir haben häufig eher Probleme mit dem Dachs. Er reisst die Kolben ab, beisst sie an und geht zur nächsten Pflanze. Pro Nacht können das um die 20 bis 30 Kolben sein, die uns verloren gehen.» Aber das scheint Leeger nicht so eng zu sehen: «Der Dachs ist quasi unser Parameter für die Reife», scherzt der Landwirt. Auch Füchse würden ab und zu gerne ein paar Kolben stählen. Krähen wären in seinem Feld kein Problem, eher die kleinen Spatzen, die sich gerne an den süssen Kolben bereichern. Um Wildtiere von seinem Mais möglichst fern zu halten, hat er einen Elektrozaun um die Parzellen gespannt.
Gegen die Trockenheit wird regelmässig bewässert
Vergangenes Jahr habe sich aufgrund der starken Feuchtigkeit Beulenbrand ausgebreitet. Leeger mussten einen Verlust von 10 bis 15 % erdulden. In diesem Jahr zeigt sich ein anderes Bild: In Steinmaur habe es wie vielerorts nicht viel geregnet. Die Felder sind trocken, aber nicht bei Leegers. Die Pflanzen erstrahlen teilweise noch in einem satten Grün, denn Martin Leeger bewässert seine Parzellen regelmässig. Das Wasser wird noch aus dem Trinkwassernetz der Gemeinde gespeist. «Uns wird vorgeschrieben, wie viel Wasser wir verbrauchen dürfen – das sind 150 bis 200 m3 pro Hektaren», so der Landwirt. Damit das Wasser auch dort bleibt, wo es benötigt wird und nicht verdunstet, bewässert er seine Parzellen immer nur nachts.
Aber auch in Steinmaur wird das Wasser immer knapper. Leeger nimmt deshalb an einem Genossenschaftsprojekt der Aquapool Steinmaur teil, welche ihre Mitglieder künftig mit Wasser aus der Glatt beliefern möchte.
Pünktliche Ernte ist wichtig, damit der kostbare Zucker erhalten bleibt
Weil der Zuckermais schneller reift als der Futtermais, ist, sobald die Reife erreicht ist, der tägliche Gang ins Feld sehr wichtig. Zusätzlich bestimmt Martin Leeger die Maisreife mittels Wärmesumme. Ist der Reifegrad erreicht, hat er 7 bis 10 Tage Zeit – je nach Temperatur –, seine Kolben zu ernten, «sonst wird der kostbare Zucker in Stärke umgewandelt und der Zuckermais verliert seinen süsslichen Geschmack», weiss der Landwirt.
Hier läutet der Kunde die Glocke für den Mais
Wieder auf dem Hof entfernt Martin Leeger die Blätter von den reifen Kolben. «Das machen wir jeweils am Nachmittag.» Ein Hocker steht auf dem Boden neben einer grossen mit Zuckermais gefüllten Kiste. Hier werden täglich 100 bis 400 Kolben von ihren Blättern entfernt. Hin und wieder ist darunter ein Kolben, an der eine Maiszünsler-Larve zugange war. Ohne den Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen, die Leeger seit über 20 Jahren gegen den Schädling einsetzt, wäre der Verlust um einiges grösser, sagt er.
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Den Zuckermais verkaufen Leegers für 1.20 Franken pro Kolben frisch ab Hof. «Wir haben keinen Hofladen. Bei uns läutet der Kunde die Glocke, wenn er Mais kaufen möchte», sagt Leeger und zeigt auf eine Glocke, die an der Maschinenhalle angebracht ist. Auch liefert der Landwirt seinen Zuckermais täglich frisch an drei Höfe sowie an einen Gemüsebauer, der Leegers Ware auf dem Gemüsemarkt in Zürich verkauft.
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Ein grosses Fest mit Live-Musik und 500 Gästen
Inmitten der Ernte wurde seit 2001 der Zuckermais mit einem grossen Fest gefeiert. «Wir hatten Live-Musik, eine grosse Tanzbühne, ess- und trinkbare Maisprodukte sowie bis zu 500 Gäste, die mit uns feierten», blickt Martin Leeger vergnügt, aber auch wehmütig zurück. Die Organisation dafür begann bereits eine Woche im Voraus, zusätzlich zum üblichen Tagesgeschäft. Nach einem Maschinenunfall und einer Lungenentzündung musste Leeger jedoch kürzer treten. «Wir haben lang überlegt, aber es ging einfach nicht mehr», bedauert er.
Noch heute würden die Leute fragen, wann es wieder das Zuckermaisfest gebe. Eine Wiederaufnahme ist nicht geplant, aber auf die süssen goldigen Kolben könne man sich weiterhin freuen, so Leeger.