Am Dorfrand von Schwyz, unmittelbar neben einem viel begangenen Spazierweg, liegt der rund 30-jährige Laufstall der Familie Reichmuth. Es ist ein unscheinbarer Stall, Zwergziegen locken die vorbeilaufenden Kinder an, unter dem Vordach geniessen vier Rinder die warmen Sonnenstrahlen. Weder eine markante Hoftafel noch die Stalldimension lassen darauf schliessen, dass sich im Stall eine sehr produktive Holstein-Herde mit rund 85 Kühe befindet.

Von den Pferden zu Kühen

Herdenmanagerin dieser Hochleistungsherde ist Nicole Reichmuth. «Im Stall fühle ich mich wohl, ich verbringe da fast meine gesamte Arbeitszeit mit der Betreuung der Tiere», erklärt die 28-jährige. Bis zum Alter von rund zehn Jahren sei sie ein typisches Pferdemädchen gewesen und habe jede freie Minute bei den Pferden ihrer Tante verbracht. Als Tante und Pferde wegzogen, wurde aus dem Pferdemädchen eine Küherin. «Ab da verbrachte ich viel Zeit im Kuhstall meines Vaters», erinnert sich die junge Schwyzerin zurück.

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Leidenschaft für Holsteinzucht

Entsprechend sah dann auch ihr Berufswunsch aus, sie wollte Landwirtin werden. «Tierärztin wäre zwar auch noch eine Alternative gewesen. Aber obwohl mir das Lernen leicht fiel, ging ich für eine so lange Ausbildung aber zu wenig gerne in die Schule.» Da bereits ihre beiden älteren Brüder Philip und Pirmin Ausbildungen im Agrarbereich absolvierten, war die innerfamiliäre Begeisterung für ihren Berufswunsch anfänglich aber noch ziemlich bescheiden. Dennoch startete Nicole Reichmuth die Ausbildung Landwirtin EFZ. Das erste Lehrjahr absolvierte sie bei Monika und David Flury-Schaub in Oekingen (SO), das zweite und dritte Ausbildungsjahr bei André und Patrick Rüttimann in Hohenrain LU, wo sich dann ihre Leidenschaft für die Holsteinzucht definitiv entfachte.

Roboter und Melkstand

Seit bald zehn Jahren führt Nicole Reichmuth nun die Herde auf dem Zuchtbetrieb mit dem Präfix Gapdale. Dank ihrer Ausbildung zur Besamungstechnikerin besamt sie die Tiere selber und macht auch alle Trächtigkeitsuntersuchungen. Auch die Klauenpflege wird von ihr selber ausgeführt. Ist sie auf Hilfe angewiesen, wird sie von ihren Brüdern oder ihren Angestellten unterstützt. Gemolken werden die Kühe entweder mit dem Roboter oder im Melkstand. Mit den rund 70 Kühen in Milch und dem Herdenschnitt von rund 12 000 kg Milch komme der Melkroboter alleine nicht nach, darum verbleibe der Melkstand auf dem Betrieb. Am Roboter werden insbesondere die jüngeren Kühe gemolken. «Bei Erstlaktierenden, wo das nötige Eutervolumen noch nicht vorhanden ist, bringt der Roboter enorm viel Milch», so Nicole Reichmuth. Trotz des Erstkalbealters von 24 Monaten liegt der Schnitt bei den Erstmelken bei über 10 000 kg Milch. Ältere Kühe könnten hingegen auch bei zweimaligem Melken im Melkstand hohe Leistungen erbringen.

Holstein im Braunviehgebiet

Ihr Bruder Pirmin Reichmuth war bereits in seinen Jugendjahren von der Holsteinrasse begeistert und sorgte dafür, dass die ersten Tiere auf den Braunvieh-Zuchtbetrieb kamen. Mittlerweile stehen fast nur noch Holstein-Tiere im Stall, was im Braunvieh-begeisterten Kanton Schwyz doch noch eher die Ausnahme ist. Die alten Braunvieh-Kuhfamilien von ihrem Grossvater hätte lange Zeit noch super funktioniert, in den letzten Jahren hätten aber die Jungkühe in der Leistung zu wenig überzeugt und seien darum fortlaufend ausselektioniert worden.

70 Prozent gesexte Dosen

Heute überzeugt die Gapdale-Herde mit einer enormen Leistungsbereitschaft. Verbesserungspotential sieht Nicole Reichmuth im Exterieur, insbesondere im Euterbereich. Sie arbeitet aktuell mit Stieren wie Delta-Lambda, Spartan, Ambrose und Anahita. Rund 70 Prozent aller Besamungen werden mit gesexten Dosen gemacht, entsprechend kann laufend Nutzvieh verkauft werden. Die Mastbesamungen machen um die zehn Prozent aus. Ab und zu kaufen sie und ihre ebenfalls zuchtinteressierten Brüder auch Embryonen aus interessanten Kuhfamilien zu, vereinzelt spülen sie auch eigene Tiere. So wie beispielsweise Gapdale Rambo Heaven, von der eine grosse Zahl an weiblichen Nachkommen registriert sind. Heavens älteste Tochter ist Gapdale Eliot Hennessy, die an der Schwyzer Eliteschau 2023 Abteilungssiegerin wurde. Eine wertvolle Zuchtkuh ist auch Gapdale Fitz Fancy. Sie produzierte in vier Laktationen bereits 75 000 kg Milch und wurde von Holstein Switzerland im letzten September mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Zudem wurde sie im letzten Dezember, als erste selbst gezüchtete Kuh, mit Exzellent klassiert.

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Zwei Betriebsstandorte

Der Betrieb Gapdale wird als AG geführt. Aktionäre sind neben Nicole auch ihre Schwester Jasmin und die beiden Brüder Philip und Pirmin. Alle ihre drei Geschwister sind zudem in einem von der Familie Reichmuth aufgebauten Energietechnologie-Unternehmen tätig. Der Bauernbetrieb selber besteht aus zwei Betriebsstandorten. Einerseits der rund 70 Hektar grosse Heimbetrieb im Talkessel Schwyz, wo sich die Parzellen nicht nur auf den unterschiedlichsten Höhenlagen befinden, sondern auch weit auseinander liegen. Anderseits ein im Jahr 2014 erworbener Hof in Cudrefin (VD), der rund 80 Hektar arrondiertes und ackerfähiges Land umfasst. Zusätzlich macht der Betrieb viele Transport- und weiter Lohnarbeiten für Dritte.

Vorteile von Grossbetrieb

«Dank dem, dass unsere Eltern den Betrieb in den vergangenen Jahrzehnten stark vergrösserten, haben nun alle Kinder die Möglichkeit, sich mit ihren individuellen Stärken einzubringen und zu verwirklichen», erklärt Nicole Reichmuth. Der Vorteil des mittlerweile sehr grossen Landwirtschaftsbetriebes sei, dass sie und ihre Brüder sich gegenseitig ablösen könnten. So hat die Schwyzer Jungbäuerin nur jedes dritte Wochenende Stalldienst. Und auch die Ferien kann sie unbeschwert geniessen, da sie weiss, dass die Tiere durch ihre Brüder bestens betreut sind. Nicole Reichmuth ist in ihrer Freizeit sportlich unterwegs, Fitness und Rennvelo fahren gehören zu ihren Leidenschaften. Etwas zu kurz kommt aktuell ein weiteres ihrer Hobbys. Nicole Reichmuth malt gerne, so zum Beispiel Bilder von ihren eigenen Kühen. Da sie zukünftig die Zentralschweizer Holsteinzüchter im nationalen Verband Holstein Switzerland vertreten wird, wird die Zeit für das Malen von Holstein-Kühen weiterhin rar bleiben. Dafür kann sie die Zukunft der Holsteinrasse mit ihrer Verbandsarbeit aktiv mitgestalten.

Viele Ehrungen an DV von Holstein Zentralschweiz
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43 Delegierte durfte Präsident Toni Bamert an der 24. Delegiertenversammlung von Holstein Zentralschweiz begrüssen. Er blickte in seinem Jahresbericht auf ein spannendes Jahr zurück. Verschiedene Schauen im ganzen Verbandsgebiet, die Luga, die Holstein Awards und Betriebsbesuche standen auf dem Programm. Für Patrick Blum wurde Nicole Reichmuth als Nachfolgerin bei Holstein Switzerland gewählt. Zudem konnten gleich 32 Züchter mit 40 Kühen über 100 000 kg Lebensleistung geehrt werden. Kuh Grazia von Othmar Kunz, Grosswangen erreichte gar 150 000 kg. Eindrücklich auch die Leistung von Rolf Krieger aus Ruswil, der gleich für fünf 100 000er Kühe geehrt wurde.

Besitzer von 100 000er Kühen

Othmar Kunz, Grosswangen; Silvan Etterlin, Sulz; Philipp Galliker, Schwarzenbach; Daniel Troxler-Winiger, Uezwil; Josef Felder, Ebnet; Urs Marti, Ufhusen; Familie Enz, Giswil; BG Blum & Wey, Pfaffnau; Louis Bühler, Küssnacht am Rigi; André Dober, Merlischachen; Mathias Niederberger-Furrer, Merlischachen; Philippe Aregger, Inwil; Peter Bühlmann, Emmenbrücke (2x); Werner & Marco Felder, Inwil; Ruedi Haas, Luzern; Fabian Hüsler, Hildisrieden; Sandra Küng-Theiler, Meierskappel; Marcel Müller, Buchrain; Fred Spielhofer, Eschenbach; Franz & Martin Theiler, Emmenbrücke; BG Riedmatt, Rickenbach; Rolf Krieger, Ruswil (5x); Othmar Kunz, Grosswangen; Werner Muri, Schötz; Stephan Siegrist, Burg; Martin Wicki, Triengen (2x); Andreas Baumgartner, Hünenberg; BG Notikon, Baar; Thomas Knüsel, Rotkreuz; LBBZ Schluechthof, Cham; Manuel Luthiger, Hünenberg; Alois Müller, Walchwil; Markus Nussbaumer, Oberägeri.