Ein Teil der Treibhausgas-Emissionen stammt aus der Landwirtschaft. Auf der anderen Seite beeinflusst der Klimawandel die Landwirtschaft von morgen. Wetterphänomene verändern sich und bringen Aspekte wie die Verlängerung der Vegetationsperiode mit sich. Es gibt aber auch negative Auswirkungen, beispielsweise der zunehmende Schädlingsdruck infolge milderer Winter oder extreme Wetterereignisse. 

Bodenhaltung nicht verlieren

Da braucht es Expertinnen und Experten, die interdisziplinär denken können. «Um die Klimakrise zu verstehen und Lösungen dafür zu finden, muss man wissen, wie die Natur als auch die menschliche Gesellschaft funktionieren», sagt Sébastien Boillat, Koordinator des Minors.

Boillat will zwar, dass die Studentinnen und Studenten Grundlagen der Wissenschaft kennen. Er legt das Augenmerk aber vor allem auf die Verbindung von Wissenschaft und Praxis in den drei Bereichen der HAFL; den Forst-, Agrar- und Lebensmittelwissenschaften.

«Im Unterricht werden die Studierenden dazu angeregt, über die ökologischen, aber auch die sozialen Folgen ihres Handelns nachzudenken», sagt Boillat. «Wir bilden Agenten des Wandels aus, die gleichzeitig fest mit der Erde verankert sind.»

Vertiefung in gewähltes Thema

Die Module umfassen Grundkenntnisse in Meteorologie und Klimatologie, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels, Vermeidung und Anpassung in der Landnutzung bis hin zu politischen Aspekten. Die Studierenden nehmen in einer «Fallstudie» teil und interviewen Fachleute aus verschiedenen Disziplinen, beispielsweise zum Thema Landnutzung im Grossen Moos im Berner Seeland.

Sie nahmen die Zukunft der organischen Böden und die Wassernutzung unter die Lupe und untersuchten Alternativen zum intensiven Gemüsebau. Am Ende des Minors befassen sie sich zu einem individuell ausgewählten Thema, in Form der Minorarbeit.

Spielen fördert das vernetzte Denken

Sébastien Boillat, der selbst bereits in Landnutzungsprojekten in Südamerika, Asien und Afrika gearbeitet hat, fördert das Lernen durch «Spiel, Verhandlung, Praxis und Reflexion». Beispielsweise im Fach «Klima und Gesellschaft 2», wo die Studenten für ein Rollenspiel eine politische Partei vertreten.

Dieses Spiel blieb David Brunner, einem Studenten im ersten Semester des Minors, in Erinnerung. Er nutzte dies als Gelegenheit, Communiqués einer Partei genau zu studieren. «Obwohl dies meine politische Einstellung in keinster Weise widerspiegelt», sagt der Student. «Ich war nach der Lektüre total deprimiert und ernüchtert.»

Das Thema liegt David Brunner am Herzen. Noch hat er sich nicht entschieden, worüber er seine Vertiefungsarbeit schreiben möchte. Aber er freut sich, in Zukunft im Berufsleben und auch ausserhalb Klarheit in die Thematik bringen zu können.

«Ich möchte auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sein, um Halbwahrheiten und Unwahrheiten erkennen zu können. Dadurch erhoffe ich mir mehr Sicherheit bei Diskussionen und allgemein mehr Klarheit», sagt David Brunner. Seine Hauptinteressen liegen in der Ernährung, also alles, was mit Landwirtschaft, Landnutzungskonflikten, Essgewohnheiten und Mobilität zu tun hat.

Je wärmer, desto mehr Studenten

Weil sich die Landwirtschaft in Zukunft an Veränderungen anpassen muss und gleichzeitig zu einer nachhaltigeren Produktion beitragen kann, ist der Klimawandel bereits Thema in den obligatorischen Fächern an der HAFL. Zusätzlich wählen jährlich zwischen 5 und 20 Studierende den Minor.

Der Wissenschaftler Sébastien Boillat sieht eine zwar nicht wissenschaftliche, aber lustige und überraschende Verbindung zwischen der vom Schweizer Normalwert abweichenden Temperatur (im Vergleich zu der Periode 1871-1900) und der Studierenden-Anzahl: Im Jahr 2021 war die Erwärmung beispielsweise kaum spürbar und es gab wenige Immatrikulierte. «Aber je wärmer es wird, desto mehr Studenten möchten den Klimawandel bekämpfen», sagt Boillat mit einem Schmunzeln.

Dialog mit der Landwirtschaft

Die Anzahl Studierenden widerspiegle die Positionen zu diesem Thema in unserer Gesellschaft: «Einige haben ein sehr grosses Interesse an Umweltfragen und andere fast gar keins», sagt Boillat. Die HAFL sei eine Schule, die Ingenieurinnen und Ingenieure ausbildet. Aber technische Lösungen hätten Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft, die Gesellschaft.

Und sie würden auch von der Politik und kulturellen Aspekten beeinflusst. «Wir müssen die Konzepte von Systemen, Beziehungen, Ethik und Verantwortung bei unseren Studierenden stärken», sagt Boillat. Er möchte, dass mehr Sozialwissenschaften einbezogen werden. «Schliesslich müssen die Studierenden fähig sein, einen Dialog mit der Landwirtschaft führen.» Es gehe nicht darum, Lösungen vom Schreibtisch aus zu entwickeln, sondern auf die betroffenen Sektoren und Menschen zuzugehen.