Wenn der Produzent entsprechende Massnahmen umsetzt, verursachen seine Kartoffeln oder seine Milch weniger Treibhausgasemissionen. Abnehmer, die solche «dekarbonisierte» Rohstoffe kaufen, verbessern ihre Klimabilanz. Dafür bezahlen sie dem Landwirt eine Prämie für seine Bemühungen. Das ist – kurz zusammengefasst – die Idee hinter Agroimpact. Die Plattform des gleichnamigen Vereins agiert als neutraler und nicht gewinnorientierter Akteur, der zwischen Produzenten und Abnehmern für Rückverfolgbarkeit, Datenschutz und Glaubwürdigkeit der Methode sorgt.

Mehr Geld als Ware: 7,2 Millionen Franken wären als Prämien verfügbar

Im Gegensatz zu Kompensationsprojekten geschieht die Treibhausgas-Reduktion bei Agroimpact vor Ort, statt irgendwo auf der Welt, sagte Aude Jarabo. «Die Bemühungen zur CO2-Reduktion bleiben in ständigem Zusammenhang mit dem Produkt», betonte die Direktorin von Agroimpact anlässlich einer Medienkonferenz und bezeichnete diesen Ansatz als «Insetting». Der Verein wurde 2023 auf Initiative der Westschweizer Landwirtschaft und mit Unterstützung des Kantons Waadt gegründet und präsentierte nun, 1,5 Jahre nach der Gründung, «die erste Dekarbonisierungsplattform für landwirtschaftliche Produkte in Europa.» 

Seit dem 30. September sind die verfügbaren und gesuchten Mengen dekarbonisierter Produkte aus Ackerbau, Tierhaltung, Gemüse- und Obstproduktion online einsehbar. Bisher werden rund 63'000 t landwirtschaftlicher Produkte via Agroimpact-Prämien während sechs Jahren unterstützt, mit insgesamt knapp 5 Millionen Franken. Derzeit gibt es aber mehr Geld als Ware: 7,2 Millionen Franken wären noch als Klimaprämien verfügbar.

Nicht weniger als zehn Redner(innen) aus den Reihen der Mitglieder von Agroimpact hatten den Weg nach Daillens VD zur Meidenkonferenz gefunden, um ihre Sicht auf das Projekt zu erläutern. Der Tenor war klar: Agroimpact sei eine gute Sache und es sollten von Landwirtschaft über Verarbeiter bis Handel möglichst alle beitreten.

Nestlé: Klima schützen und die Landwirtschaft resilienter machen

Nestlé beteilige sich aus zwei Gründen, schilderte Daniel Imhof, der bei Nestlé für den Bereich Landwirtschaft zuständig ist. «Erstens ist Nestlé eng mit der Landwirtschaft verbunden und etwa 2000 Landwirte liefern uns hochwertige Schweizer Rohstoffe.» Die Dekarbonisierung der Landwirtschaft sei für Nestlé eine Priorität im Klimaschutzplan, weil zwei Drittel der Emissionen des Konzerns in diesem Bereich anfielen. «Zweitens geht es darum, der Landwirtschaft zu helfen, widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel zu werden», so Imhof weiter. 

Nestlé sei bestrebt, künftig alle jährlich in der Schweiz eingekauften Rohstoffe in die Agroimpact-Plattform zu integrieren. Das bedeutet rund 100 Millionen Liter Milch, 35'000 t Zuckerrüben, 12'000 t Weizen und fast 1300 t Sonnenblumen. «Wir haben ein Budget von 15 Millionen Franken über sechs Jahre, um Prämien an alle Landwirte in unserer Lieferkette zu bezahlen, die an Agroimpact teilnehmen», so Imhof. Ein Teil davon sei bereits an die ersten Produzent(innen) ausbezahlt worden.

Lidl will künftig auch Rindfleisch einbeziehen

Als erster Detailhändler ist Lidl seit 2024 bei Agroimpact mit von der Partie. Die Beweggründe sind laut Grazia Grassi, Head of Corporate Affairs, ziemlich dieselben wie bei Nestlé. Grassi ergänzte allerdings noch den Mehrwert, dank des Engagements bei Agroimpact die Bodenqualität in der Schweiz zu erhalten. Und sie machte eine Ankündigung: «Wir gehen einen weiteren, entscheidenden Schritt. Lidl plant als erster Detailhändler Insetting auch beim Rindfleisch.»

WWF: «Wir stellen Transparenz, Rückverfolgbarkeit und lokale Verankerung sicher»

Der WWF sieht es als seine Aufgabe, bei Agroimpact die wissenschaftliche Genauigkeit zu gewährleisten, um Greenwashing zu vermeiden. «Weiter stellt der WWF Transparenz, Rückverfolgbarkeit sowie lokale Verankerung und gemeinsame Governance sichert», so CEO Thomas Vellacott. «Unternehmen, Landwirte, NGOs; Sie alle sitzen mit am Tisch, wobei die Landwirt(innen) im Mittelpunkt stehen.»  

So funktioniert Agroimpact

Zentral für die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen via Agroimpact sind betriebsspezifische Klimabilanzen nach der Methode von ClimaCert. Sie werden jährlich neu berechnet und beziehen sowohl im Boden gespeicherten Kohlenstoff als auch Emissionen mit ein. Zusammen mit einer Beratungsperson legt der oder die Betriebsleiter(in) einen Massnahmenplan fest, um seine Bilanz zu verbessern und verpflichtet sich zu dessen Umsetzung während sechs Jahren. Je nach so erreichter Verbesserung der Klimabilanz wird pro produzierter Menge jährlich eine Klimaprämie ausbezahlt, finanziert von den Abnehmern. Bisher sind Milch, Brotweizen, Sonnenblumen, Raps und Kartoffeln prämienberechtigt, wobei die von den teilnehmenden Abnehmern nachgefragten Mengen entscheidend sind. Die Kosten für die Bilanzierung des Betriebs und die Beratung tragen die Landwirt(innen) selbst, je nach Kanton gibt es aber finanzielle Unterstützung dafür. Dem Ausgangszustand wird über eine garantierte Mindestprämie Rechnung getragen. Die Prämien werden über die Plattform Agroimpact abgewickelt, um Transparenz und Kontrolle zu gewährleisten.

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Boris Beuret erinnert an den Aufwand für die Landwirt(innen)

Klimaschutz in der Landwirtschaft Vier Betriebe und wie sie via Agroimpact ihre Klimabilanz verbessern Montag, 6. Oktober 2025 Für die Landwirtschaft als Hauptakteure des Klimaschutzes sprach Boris Beuret, in seiner Funktion als Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP) und Vorstandsmitglied der Branchenorganisation Milch (BOM) sowie des Schweizer Bauernverbands (SBV) – «und natürlich als Landwirt», bemerkte er. Die Landwirtschaft sage klar ja zum Klimaschutz, «unter der Voraussetzung, dass eine angemessene Vergütung bezahlt wird, die sich am Markt und nicht am öffentlichen Sektor orientiert.» Wichtig sei allerdings, den administrativen Aufwand für die Produzent(innen) im Blick zu halten. Es sollte möglich sein, innert einer bis zwei Stunden die nötigen Daten mit digitalen Werkzeugen zu erfassen oder sie zu importieren. Ein Klimarechner pro Betrieb sollte genügen, «wenn möglich wollen wir mit einem Rechner für die ganze Schweizer Landwirtschaft funktionieren.» 

«Die Landwirtschaft muss einig bleiben», mahnt der SMP-Präsident

Die BOM arbeitet bereits an dieser Vision, sie hat laut Boris Bereut zwei bekannte Rechner (Klir und das World Climate Farm Tool) miteinander kompatibel gemacht. Nicht zu vergessen seien die Preisverhandlungen, fuhr der SMP-Präsident fort. «Wir wollen sowohl für unsere Produkte als auch unsere Leistungen zum Klimaschutz fair bezahlt werden.» Letzteres müsse für jeden Sektor spezifisch und unabhängig vom Preis der Produkte erfolgen. Der Klimawandel habe Kosten, die von den Produzenten nicht allein getragen werden könnten, so Beuret. Entscheidend seien nun die derzeit laufenden Klimaverhandlungen unter den Detailhändlern. Das dort entwickelte Finanzierungsmodell werde entscheiden, ob es die Ankündigungen der vergangenen Monate tatsächlich konkretisiert werden können. «Die Landwirtschaft muss einig bleiben und die handelbaren Leistungen zur Emissionsreduktion nicht ausklammern.» Er versicherte, die Schweizer Milchproduzenten seien entschlossen, ein zentraler Akteur zu sein und ihre Kollegen sowie die anderen Produktionsrichtungen mitzunehmen.

«Wir wollen sowohl für unsere Produkte als auch unsere Leistungen zum Klimaschutz fair bezahlt werden.»

SMP-Präsident Boris Beuret vertrat als Redner die Landwirtschaft 

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Private Gelder für gute landwirtschaftliche Praxis mobiliseren

Finanziell beteiligt sich der Kanton Waadt, auf dessen Gebiet die Medienkonferenz stattfand, in besonderem Masse an Agroimpact. Insgesamt hat er eine Million Franken investiert, 90 Prozent davon im Rahmen der Wirtschaftsförderung. «Unsere Überzeugung ist klar», meinte die Waadtländer Regierungsrätin Isabelle Moret. «Der Staat muss die Unternehmen in ihren unmittelbaren Schwierigkeiten und auch bei ihrer langfristigen Anpassung unterstützen.» Abgesehen von den Zahlen beweise Agroimpact, dass Anpassungen kein Widerspruch zu Wirtschaft und Klima sein müssten. Valérie Dittli, Vorsteherin des Waadtländer Landwirtschaftsdepartements, sieht in der Plattform eine einmalige Chance. Sie ermögliche es, private Gelder für die gute landwirtschaftliche Praxis zu mobilisieren und damit die lokale Ernährungssouveränitiät zu stärken.

Kantone wollen mit Agroimpact ihre Klimapläne umsetzen

Die Vertreter der Kantone Jura und Neuenburg betonten die Wichtigkeit ihres Engagements bei Agroimpact zur Umsetzung ihrer kantonalen Klimapläne. François Monin, Direktor von Agrijura und Vertreter der kantonalen Bauernverbände im Vorstand von Agroimpact hielt fest, die kantonale Verankerung sei ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Betriebe müssten individuell durch die Beratung begleitet werden, um massgeschneiderte Lösungen zu finden. Die Plattform müsse zudem insbesondere die Daten der Landwirt(innen) schützen. «Mit Agroimpact und dem Willen der Produzent(innen) haben wir alles in der Hand, um diesen Wandel zu schaffen», zeigte sich Monin zuversichtlich. «Jetzt müssen wir gemeinsam handeln.»

Die Bemühungen mit der nationalen Plattform bündeln

Was an der Medienkonferenz deutlich zutage kam, ist der Wille von Agroimpact, national wirksam zu werden. Das bedeutet v.a. die Erschliessung der Deutschschweiz. Erste Berner Betriebe sind bereits angeschlossen, es laufen Diskussionen mit dem Aargau und der Verband Thurgauer Landwirtschaft ist kürzlich beigetreten. Die Westschweizer Landwirtschaftskammern und die Westschweizer Regierungsräte haben je eine gemeinsame Erklärung zugunsten von Agroimpact unterzeichnet (siehe Kasten unten). Darin wird insbesondere die nationale Einführung der Plattform gefordert, «um die Bemühungen zu bündeln und gemeinsam die Klima-Transformation der Schweizer Landwirtschaft zu beschleunigen», wie der Verein Agroimpact zusammenfasst.  

Die Landwirt(innen) müssen frei entscheiden können

«Die Plattform Agroimpact muss das nationale Werkzeug werden für die Bilanzierung und Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen in der Landwirtschaft», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung von Agora, der Association des Groupements et Organisations Romands de l'Agriculture. Diese Organisation vereint die Landwirtschaftsvertretenden der Westschweizer Kantone, hält in einer Mitteilung die Punkte fest, die es dabei aus ihrer Sicht zwingend zu beachten gilt. So müsse die Autonomie der Landwirt(innen) gewahrt werden, die Teilnahme an Agroimpact und die Wahl der Massnahmen frei bleiben. Daten zu den Klimaleistungen eines Betriebs dürften nicht an die Marktakteure kommuniziert werden, sondern seien auf der neutralen Plattform von Agroimpact sicher zu verwalten. 

Mitglieder: Von Agridea bis Zweifel

Agroimpact ist ein Verein mit 49 Mitgliedern: Agora, Agridea, AgriGenève, AgriJura, Agrofutura, Agroscope, Bioinspecta, die Landwirtschaftskammern des Berner Juras, Neuenburgs und Wallis, L’Etivaz AOP, Earthworm Foundation, EPFL, FiBl, Schweizerischer Verband der Zuckerrübenpflanzer, Getreideproduzenten, Florin AG, Fondation Rurale Interjurassienne, Stiftung Foodward, GMSA, HAFL, Hochschule für Wirtschaft Genf, Hochschule für Landschaftsgestaltung, Ingenieurwesen und Architektur Genf (Hepia) Genf, Hochschule für Ingenieurwesen und Management des Kantons Waadt, Inoverde, Lidl, Mooh, Nestlé, Ökostrom Schweiz, Proconseil, Prolait, Prométerre, Schweizer Hagel, SMP, Schweizer Zucker AG, Silvocultura GmbH, Soil Conseil, Swiss No-Till, Timac Agro Swiss, Freiburger Bauernverband, Union frutière lémanique, SBV, Uni Neuenburg, Mutterkuh Schweiz, WWF, ZHAW, Zweifel Pommy Chips.