Schon seit Kindsbeinen an arbeitet Maxime d’Autheville an seinem Traum: Er möchte einmal einen landwirtschaftlichen Betrieb führen und dort seine Familie grossziehen. Als Junge war er oft auf dem Bauernhof des Nachbarn anzutreffen, seine eigene Familie hatte keinen Bezug zur Landwirtschaft.

Bei der Wahl seines Studiums überliess er schliesslich nichts dem Zufall: «Weil ein landwirtschaftlicher Betrieb heutzutage sowohl einen sehr guten Agronmen als auch einen sehr guten Manager erfordert, habe ich mich für Agronomie mit dem Ergänzungs-Minor «Entrepreneurship» entschieden», sagt der Genfer.

Jetzt, zwei Jahre nach seinem Abschluss, ist er beruflich an der HAFL eingespannt. Er ist in einem 30%-Pensum verantwortlich für ein Forschungsprojekt im Zusammenhang mit Robotik und Ackerbau. Die restliche Zeit arbeitet er als landwirtschaftlicher Mitarbeiter auf zwei verschieden Höfen.

Digitale Fähigkeiten gefragt

«Um heutzutage am Arbeitsplatz erfolgreich zu sein, sind die sogenannten Kompetenzen des 21. Jahrhunderts wichtig», sagt Pascal Lorenzini, Dozent für Wirtschaft an der HAFL und Verantwortlicher für den Minor «Entrepreneurship». Er bezieht sich auf Fähigkeiten im digitalen Bereich, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität.

Das heisst, dass Lorenzini beim Minor den Fokus auf das Umsetzen und Weiterentwickeln von bereits Gelerntem setzt. Viele Module sind deshalb als «Skills Labs» aufgebaut. Der englische Begriff beschreibt das praktische Testen einer Fertigkeit.

Kompetenzen des 21. Jahrhunderts
Die «Kompetenzen des 21. Jahrhunderts» umfassen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Lernbereitschaften, die von Pädagogen, Wirtschaftsführern, Wissenschaftlern und Regierungsbehörden als Voraussetzung für den Erfolg in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz des 21. Jahrhunderts ermittelt wurden. Es handelt sich um kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, Problemlösungsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Kollaboration, Informationskompetenz sowie Technologiekenntnisse und digitale Kompetenz.

Von der Idee zum Produkt

Studierenden-Teams definieren ein Problem und entwickeln daraus ein Produkt oder eine Dienstleistung ihrer Wahl, angeleitet von Dozierenden. Anschliessend lernen sie, eine Projektskizze zu machen und einen Prototypen zu erstellen.

Im Skills Lab zur Unternehmensgründung müssen sie dann ihre Ideen zu einem funktionierenden Geschäftsmodell weiterentwickeln und kriegen verschiedene Inputs zum Präsentieren der unternehmerischen Leistung, zum Erstellen eines Businessplans etc. Schlussendlich erlernen sie im «Digital Skills Lab», eine eigene Website inklusive Online-Shop zu erstellen und ihr Produkt oder Dienstleistung in den Sozialen Medien zu bewerben.

Diverse «Ess-Lösungen»

«Hummus aus Schweizer Erbsen, Tessiner Brottörtchen aus übriggebliebenem Brot – in den über zehn Jahren, in denen mein Vorgänger Lorenz Probst – und seit bald drei Jahren ich – den Minor verantworten, hat es schon viele spannende Projekte gegeben», sagt Pascal Lorenzini. Dazu gehören verschiedenste Snacks, Beilagen, Zwischenverpflegungen und regelrechte «Ess-Lösungen». Der Fächer geht weiter über Mahlzeitendienste oder Food-Waste-Projekte sowie alkoholfreie und alkoholische Getränke.

Aber auch diverse Angebote wie Kochbücher, Kalender, Nachhilfe-Angebote und diverse Beratungsdienste gehören dazu. «Dem Innovationsgeist der Studierenden sind keine Grenzen gesetzt. Und dadurch, dass die Studierenden aus den verschiedenen Studienrichtungen der HAFL im Minor zusammentreffen, ergeben sich auch immer wieder befruchtende disziplinenübergreifende Begegnungen und Projekte, die zum Teil sogar berufliche Existenzen nach dem Studienabschluss begründen können», sagt Lorenzini.

«Iss mich, wie ich bin»

Maxime d’Autheville hat gemeinsam mit drei Freunden «Mange-moi comme je suis» (Iss mich wie ich bin) gegründet, ein Unternehmen, das Obst und Gemüse aufwertet, das aufgrund seiner Grösse, Form oder seines Aussehens von den grossen Einzelhandelsketten verschmäht wird.

«Diese unverkauften Produkte stellen für die Landwirte einen Nettoverlust dar. Wir bieten ihnen an, ihnen die Ware zu ihren Produktionskosten abzukaufen, sodass der Landwirt zwar keinen Gewinn, aber auch keinen Nettoverlust erzielt», sagt Maxime d’Autheville. «Die Idee, zweitklassiges Obst und Gemüse zu verwerten, ist nicht neu, wohl aber unsere Art der Vermarktung». Bei anderen Anbietern würden diese Produkte häufig in Körben angeboten, der Verbraucher habe keine Kontrolle über den Inhalt.

Das änderten die vier jungen Agronomen und bieten die verfügbaren Lebensmittel jede Woche neu via Liste den Kunden an, die sie dann bestellen können. Ausserdem fungieren sie als Verbinder zwischen Landwirtschaft und Handel und verkaufen die Ware auch an kleine Tante-Emma-Läden, Hofläden oder Landi-Filialen, die sie weiterverkaufen.

Üben mit Hilfe von Simulation

«Die Gründung und das Management des Start-ups hat eine praktische Dimension in den Unterricht eingebracht und uns motiviert», sagt d’Autheville. Er und seine Kollegen fanden es bereichernd, bei anfänglich realitätsfernen Kursen die Theorie auf ihren konkreten Fall anzuwenden und plötzlich die Zusammenhänge zu verstehen.

Ausserdem genossen die vier einen guten Teamspirit und geniessen immer noch eine gute Freundschaft. Was Maxime d’Autheville auch gut in Erinnerung behält, ist das Modul in Sumiswald. «Wir mussten fünf Tage in eine Managementsimulation eintauchen. Das war nicht nur in Bezug aufs Lernen gut, sondern auch auf das Studentenleben!» In diesem einwöchigen Modul werden die Führungs- und Managementfähigkeiten der Studierenden trainiert.

In Teams übernehmen sie während einer Woche das Management von Firmen, die online miteinander auf demselben Markt konkurrieren. Die Studierenden müssen ihre Strategie von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr an die Marktsituation anpassen, was schon einiges an Flexibilität und vernetztem Denken erfordert. Zudem müssen sie ihre Leistung und Gruppendynamik reflektieren und schlussendlich die Managementsentscheide in einem grösseren Plenum präsentieren.

Hilft auch im Alltag

Pascal Lorenzini ist überzeugt, dass im landwirtschaftlichen und landwirtschaftsnahen noch enorm viel unternehmerisches Potenzial vorhanden ist, nicht nur in Sachen Hofläden und Schlafen im Stroh.

«Wir bieten eine Spielwiese, wo vieles möglich ist: von ersten scheuen Gehversuchen in einem geschützten Umfeld bis hin zur Möglichkeit, eine zukünftige berufliche Existenz aufzubauen», sagt der Wirtschaftsdozent. Es ist für ihn ohne Frage, dass auch diejenigen Studierenden davon profitieren können, die später kein eigenes Start-up aufbauen oder führen.

«Aber selbstverständlich freut es mich, wenn ein Projekt den nächsten Schritt machen kann und es tatsächlich selbständig laufen lernt. Hier werden wir in Zukunft noch auf eine verbesserte Anschlussfähigkeit des Minors Entrepreneurship im Schweizer Startup-Ökosystem Wert legen.»

Privatleben ähnelt einem Unternehmen

Für den Studenten Maxime d’Autheville bedeutet Unternehmensführung auch, sich anpassen zu können, schnell auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren und trotz anderer Sorgen erfolgreich zu managen.

«Auch wenn das auf den ersten Blick etwas abstrakt klingt: Das Privatleben ähnelt der Führung eines eigenen Unternehmens», sagt Maxime d‘Autheville. Er ist sich sicher, dass der Minor ihm bei der Art und Weise hilft, wie er sein Privatleben führt. «Es kommt mehr auf die Methode an als den Inhalt und damit auf die Art und Weise, wie man denkt. Das habe ich mit dem Minor geschärft.»

Die vier jungen Agronomen konnten vor ein paar Monaten ihr Unternehmen «Mange-moi comme je suis» verkaufen. Aurélie und Olivier Pittet, ein junges Landwirtepaar, hatte bereits seit Anfang des Projekts Gemüse bezogen, um das hofeigene Angebot von Fleisch und Eier zu ergänzen. Nun wollen die beiden das Projekt weiterführen. Ein Erfolg für die vier Gründer: «Das Projekt war eigentlich nur auf bestimmte Zeit ausgelegt. Umso schöner, dass es nun weiterläuft!»