AboGastbeitrag«Die Zahlen zum Rindfleischmarkt lügen nicht, brauchen aber Interpretation»Mittwoch, 29. März 2023Im Restaurant Klein Rigi in Schönenberg an der Thur im Kanton Thurgau bot sich den Mitgliedern und Gästen an der heutigen GV von Proviande eine grandiose Aussicht auf das Thurtal und den Säntis. Weniger grandios waren die Aussichten auf den Fleischmarkt und die Fleischproduktion generell. «Wir stehen im Gegenwind», hielt Proviande-Präsident Markus Zemp nüchtern fest. «Wenn man die Diskussionen um Klima und Ernährung in den Medien verfolgt, hat man manchmal das Gefühl, dass man mit weniger Fleischkonsum die Welt retten kann.» Doch dem sei keinesfalls so.

Proviande will informieren und mitdiskutieren

Der Verwaltungsrat von Proviande hat mit einer Neuorganisation der Geschäftsstelle die Basis gelegt, dass die Anstrengungen der gesamten Branche für eine nachhaltigere Produktion verstärkt werden. Der Öffentlichkeitsarbeit und der Kommunikation gegen aussen wird damit mehr Gewicht verliehen.

«Wir wollen in den gesellschaftspolitischen Diskussionen mittendrin sein, faktenbasiert informieren und mitdiskutieren und die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Fleischwirtschaft prägen

Markus Zemp, Präsident von Proviande

Die Viehwirtschaft habe in der Schweiz nicht nur eine lange Tradition, sie trage auch entscheidend zum Einkommen der Landwirtschaft bei. Zemp rechnete vor, dass die Landwirtschaft die Erträge am Markt in den vergangenen Jahren um 1 Mrd. Franken gesteigert hat. Dazu trugen die Produktion von Milch, Fleisch und Eiern zu über 70 Prozent bei. Von der zukünftigen Agrarpolitik erwartet er, dass man diese Zusammenhänge sieht und ihnen Rechnung trägt.

Branche hat Stresstest bestanden

[IMG 2] 2022 stellten die Trockenheit im Sommer und die Krise auf dem Schweinemarkt im Winter die Fleischbranche vor grosse Herausforderungen. «Trotz dieser Turbulenzen ist es uns gelungen, den Markt korrekt mit Schweizer Fleisch zu versorgen», hielt Markus Zemp fest. Der Spezialeffort in der ganzen Branche habe gezeigt, dass dank der in der Schweiz bestens funktionierenden Wertschöpfungskette Fleisch in der Not viel erreicht werden könne. «Der langjährige Wille, gemeinsam die Probleme zu lösen, hat hier den Stresstest eindrücklich bestanden.» Die inländische Fleischproduktion konnte im Berichtsjahr um 0,7 Prozent gesteigert werden. Im gleichen Zeitraum sank der Gesamtverbrauch allerdings um 0,9 Prozent.

Impulsgeberin, Botschafterin, Vermittlerin und Dienstleisterin

Schweizer Fleisch geniesst hohe Wertschätzung und Anerkennung. So lautet die Vision von Proviande. Direktor Heinrich Bucher strich vier Highlights aus dem Tätigkeitsbereich heraus.

  • Weiterentwicklung DNA-Herkunfts-Check: Zusätzlich zum bereits bestehenden DNA-Herkunfs-Check entwickelt Proviande gemeinsam mit den Rindviehorganisationen  ein Konzept, wie die DNA-Beprobung flächendeckend nach der Geburt des Tieres gemacht werden. Die DNA-Profile sollen gezielt zur genomischen Selektion genutzt werden können. Ziel ist, eine Reduktion der Methangasemissionen zu erreichen und die Fleischqualität über die Zucht zu verbessern.

Huber sprach von einem revolutionären Schritt. «Das ist eine grosse Kiste und wird auch etwas kosten», sagte er. Die Verbesserung der Nachhaltigkeit und der Qualität würden aber die Kosten übersteigen, ist er überzeugt.

  • Klimaschonende Fleischwirtschaft: Die Fleischwirtschaft ist bereit, diesen Effort zu leisten. Dafür soll die Produktion optimiert und verbessert und nicht heruntergefahren werden. Mittels einer Steuerungsgruppe will sich Proviande eine Übersicht verschaffen, welche Bedürfnisse die Branchenpartner haben, welche Ansätze verfolgt werden sollen und welche Massnahmen wann und von wem umgesetzt werden.
  • Stellenwert von Fleisch in der Land- und Ernährungswirtschaft: Die Land- und Fleischwirtschaft, wie sie in der Schweiz betrieben wird, ist Teil der Lösung und nicht das Problem, argumentierte Huber. Mit der Gründung der Groupe de Réflexion, in der Nationalräte aller Parteien vertreten sind, will die Fleischbranche und mit ihr Proviande ein politisches Netzwerk aufbauen und pflegen. Die Botschaft dahinter: Die Fleischbranche will nicht nur bewahren, sondern Teil der Lösung sein.
  • Elektronische Klassifizierung: Das elektronische Klassifizierungsgerät zur automatischen Qualitätseinstufung von Schlachtkörpern der Rindergattung ist seit 1,5 Jahren in einem Schlachthof in St. Gallen in Betrieb und hat sich bewährt. Bald sollen solche Geräte auch in weiteren grösseren Schlachthöfen in der Schweiz im Einsatz stehen.

Huber schloss seine Ausführungen mit der Feststellung, dass die Fleischbranche auch zukünftig stark gefordert sein wird.

«Unsere Vision können wir nur gemeinsam mit allen Partnern innerhalb der Branche realisieren.»

Heinrich Huber, Direktor von Proviande

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Jubiläumsfeier 2024 im Kanton Schaffhausen
Vertreter aller 24 Genossenschaften der Proviande waren an der GV anwesend. Sämtliche traktandierten Geschäfte wurden einstimmig angenommen. Die Rechnung schloss mit einem Gewinn mit 1,3 Mio Franken.
Der Verwaltungsrat musste im Mai 2023 von zwei verstorbenen Mitgliedern Abschied nehmen. Als Ersatz von Albert Baumann als Verwaltungsrat wurde Peter Hinder, Unternehmensleiter Micarna, aus dem Kanton St. Gallen gewählt. Die Nachfolge von Ernst Vogel als stellvertretender Verwaltungsrat tritt Karl Scheuber aus dem Kanton Nidwalden an. Da das Vize-Präsidium bei der Proviande jährlich wechselt, stand auch hier eine Wahl an. Der vom Verwaltungsrat vorgeschlagene Adrian Waldvogel aus dem Kanton Schaffhausen wurde einstimmig gewählt. Ihm obliegt es, die nächste Generalversammlung zu organisieren, an dem das 25-Jahr-Jubliäum der Proviande gefeiert wird.