Der Personalbestand wurde genau um eine Stelle (Vollzeitbasis) von 6147 auf 6146 reduziert. Ich habe mich gefragt, ob das Ihr Chauffeur war, der jetzt keinen Job mehr hat.

Urs Riedener: (lacht) Ich hatte nie einen Chauffeur und werde wohl nie einen haben. Es ist Zufall, dass die Zahlen so nahe beieinander liegen. Vor einem Jahr waren es ohne die Akquisition noch 5940 Angestellte, jetzt haben wir mit 6146 das erste Mal ganz klar mehr als 6000 Mitarbeitende. Am meisten ins Gewicht gefallen ist hier konkret der Gang in die Mehrheit beim mexikanischen Käseimporteur Mexideli.

Das ist nicht die einzige Premiere. Sie haben im ersten Halbjahr 2018 erstmals im Ausland mehr umgesetzt, als in der Schweiz.

Das ist richtig. Das Auslandgeschäft wächst weiter. Und wenn es gut läuft, werden wir im laufenden Geschäftsjahr mit der Division Americas erstmals eine Division ausserhalb der Schweiz mit einem Umsatz von über einer Milliarde Franken haben.

Aber am Ende des Tages arbeiten wir nicht für die Zahlen.

Für was dann?

Wir wollen sicherstellen, dass Emmi als  wichtiger Bestandteil der Schweizer Milchindustrie gut aufgestellt ist. Und zwar für die Produzenten, die Mitarbeitenden, unsere Kunden und unsere Aktionäre. Die Zahlen sind hier sekundär.

Im Inland bleibt die Situation schwierig: Was sind die Gründe dafür, dass Emmi nicht so recht vorwärts kommt?

Die Situation in der Schweiz sollte nicht unbedingt an Emmi festgemacht werden. Wir stehen auch in einem schwierigen Umfeld gut da. Wir können mit neuen Konzepten auch im Heimmarkt wachsen. Und das in einem gesättigten Markt, auf den laufend Importprodukte drängen. Das für uns und unsere Mitbewerber hart. Wachstum ist praktisch unmöglich; in den Nischen – mit Emmi Caffè Latte und unseren High-Protein-Drinks – zeigen wir aber, dass das geht.

Die Emmi-Umsätze in der Schweiz sinken seit 2014 kontinuierlich. Hat Schweizer Milch ein Absatzproblem?

Nein. Die Feststellung alleine, dass der Markt rückläufig ist, sagt wenig aus. Milchprodukte sind nach wie vor ein Grundnahrungsmittel, das auf viele Arten Verwendung findet. Das zeigt beispielsweise die Tatsache, dass es für körperlich aktive Menschen kaum ein besseres Produkt als Milchprotein gibt. Milch an sich bietet genügend gute Geschichten. Man darf sich nicht damit abfinden, dass der Markt unter Druck ist. Man muss Ideen entwickeln.

Eine andere Möglichkeit, mit dem Druck umzugehen sind die Nachhaltigkeitslabels.

Ja, das ist so. Wir wollten vor gut zwei Jahren das Feld eröffnen um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, da waren aber nicht alle so weitsichtig. Wir wurden kritisiert, insbesondere auch von bäuerlicher Seite. Weil man damals die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollte, hat man nun ein Sammelsurium an Massnahmen, Programmen und Labels. Aber jetzt hoffen wir, dass die Massnahmen der Schweizer Milchproduzenten, die sehr spät kommen, helfen und auf den richtigen und vor allem gemeinsamen Weg führen werden.

Ich bin sehr davon überzeugt, dass Produktion, Verarbeitung und Handel in der Schweiz   viele tolle Leistungen bezüglich Qualität und Nachhaltigkeit erbringen. Gelingt es uns, diese starken Leistungen den Konsumenten zu vermitteln, dann lassen diese Importprodukte vermehrt liegen und wir alle können auch wieder wachsen.

Frustriert sie die aktuelle Situation?

Ja. Neutral formuliert: es war absehbar, wohin die Reise gehen muss. Dieser Weg wurde blockiert, mit dem Resultat, dass man jetzt nichts oder eben sehr viele Programme hat. Und Hauptgrund ist, dass man zu früh den Preis und zu wenig die Idee diskutiert hat. Es sollte uns als Branche besser gelingen uns an den Kundenwünschen auszurichten und langfristige Strategien zu entwickeln. Dass mit einer besseren Leistung auch ein besserer Produzentenpreis erzielbar ist, das macht Bio oder nun auch Coop vor.

Seit 2010 hat sich die Milchproduktion in der Schweiz bei etwa 3,5 Mio t eingependelt; der Konsum pro Kopf ist ebenfalls stabil, die Molkereien können nur im Ausland wachsen. Wann gibt es in der Schweiz eine weitere Konzentration in der Verarbeitung?

Das weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass verschiedene Unternehmen in unserer Branche wirtschaftliche Probleme haben, während gleichzeitig viele neue entstehen. Was die nächsten Schritte sind, kann ich nicht sagen. Der Druck auf die Verarbeitung ist aber hoch, und ich kann mir schon vorstellen, dass es mittelfristig zu einer Konsolidierung kommen kann.

Wie sollen die neuen Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt werden?

So genau wissen wir das noch nicht. Aber der Detailhandel hat gehandelt und Tatsachen geschaffen. Als sehr positives Beispiel kann man sicherlich Coop nehmen. Wer eine Mehrleistung erbringt, erhält dafür auch mehr Geld. Ich finde es super, dass ein Detailhändler auch die Grösse hat, das durchzusetzen. Dass in der Umsetzung die Mengenbilanz angewendet wird, finde ich richtig; damit ist für die Milchproduzenten ein Mehrpreis möglich. Die grösste Gefahr ist nämlich, dass jedes Label auf die Aufteilung der Warenströme pocht. Und dann bleibt der Mehrpreis auf der Strasse und in der Verarbeitung liegen, weil die Kosten steigen. Für die Milchbauern wäre das nicht gut. Ich plädiere deshalb für einfache Lösungen, die auf allen Seiten ohne grossen Mehraufwand umgesetzt und klar kommuniziert werden können. Für wie viele Programme es nun noch Platz hat und wie diese aufeinander abgestimmt werden können, wird sich zeigen.

Interview Hansjürg Jäger