Es ist früher Morgen. Hoch über Amden SG, im Mösli, auf 1100 Meter über Meer gelegen, steigt Andreas Gmür in seinen schwarzen VW Tiguan. Kurze Zeit später sind davon nur noch die Schlusslichter zu sehen. Es geht hoch auf die Alp Walau. Dort warten die Kühe des Landwirts aufs Melken. Erst vor wenigen Minuten hat sein Vater die Tiere von der Nachtweide in den Stall gelassen. Die Melkerei ist aber Sache des Juniors. «Seit ich den Betrieb vor vier Jahren übernommen habe, melke ich», sagt er. Mit Erfolg, was die Rangliste des jährlich vergebenen Emmi Q-Awards beweist. Gmür schafft es fast immer auf die rangierten Plätze. Im letzten Jahr gar unter die ersten 20.

Gemolken wird mit Standeimern

Er habe schon immer Freude an der Milchwirtschaft gehabt, bedenkt Andreas Gmür und versichert: «Richtig gut Melken lernte ich aber erst in der Ausbildung.» Der Lehrmeister zeigte ihm einige Tipps und Tricks, damit die Euter noch gesünder und die Zellzahlen entsprechend tiefer wurden. Nicht zu lange warten gehört dazu. Auch der richtige Zeitpunkt zum Entfernen des Aggregats. Gute Milchqualität ist Gmür wichtig. «Ich produziere ein Lebensmittel. Dieses soll so rein wie nur möglich gewonnen und später veredelt werden.»

Die Abläufe sind auf der Alp und im Heimbetrieb ähnlich. Der Landwirt melkt mit Standeimern. Die Milch leert er in Kannen, pumpt sie später in den Tank, wo sie gekühlt wird. Alle zwei Tage bringt er den Tank in die Zentrale im Dorf, von wo sie per Lastwagen vom Verarbeiter abgeholt wird. Natürlich nicht nur seine Milch. In Amden wird rege gemolken, wobei viele Landwirte wie Gmür die Milch im Sommer von der Alp in die Zentrale bringen. 34 Landwirte tun es ihm gleich. 

Alpen sind in Gemeindebesitz

Die Alpen sind gepachtet und gehören der Ortsgemeinde. Das hat durchaus Vorteile. Gilt es Anpassungen betreffend Tierschutzvorschriften vorzunehmen, bleiben die Unkosten an der Eigentümerin hängen. Was Andreas Gmür nicht hindert, tatkräftig Eigenleistungen zu erbringen. «Wir helfen mit und tragen Sorge zur Alp, wie wenn sie unser Eigen wäre.»

Schon seine Eltern bewirtschafteten die Alp Walau, die gerade so gross ist, dass der eigene Viehbestand inklusive Aufzucht dort gesömmert werden kann. Von der Alphütte aus gehen die Weiden hoch bis zu den Lawinenverbauungen am Mattstock. Dort oben weiden die Rinder. Bestechend ist die Aussicht von der Hütte aus. Im Blickfeld sind die Glarner Alpen, das Dorf Amden und der Walensee. Die Alp befindet sich in Südlage. Das war im letzten Sommer ein Problem. Das Gras verdorrte an den Hängen, eine verfrühte Alpabfahrt war die Folge. In diesem Jahr läuft alles reibungslos. Die Temperaturen blieben lange tief. Erst in jüngster Zeit kletterte das Thermometer auch in den frühen Morgenstunden über sechs Grad.

Bei Gmürs hilft die ganze Familie mit

Während der Sommermonate halten vor allem die Eltern die Stellung auf der Alp. Sie helfen tatkräftig mit und übernachten dort. Andreas Gmür pendelt. Ist er nicht auf der Alp mit Melken, Zäune aufstellen und Weidepflege beschäftigt, gibt es auch auf dem Heimbetrieb zu tun. Das Heu und die Silage wollen eingebracht, der Stall geputzt und die Maschinen im Schuss gehalten werden. Der Heimbetrieb befindet sich in der Bergzone II und geht hoch bis zur Bergzone III.

Zum Glück kann Gmür auch auf die Mithilfe seiner Geschwister und seiner Freundin zählen. Sogar die noch jungen Nichten und Neffen stehen im Einsatz. Vor allem bei der Alpauf- oder abfahrt kann er mit diesen rechnen. Beide Tage gelten bei den Gmürs als Höhepunkte des Alplebens und werden gebührend zelebriert.

Mit Chüttis bekleidet machen sie sich auf den Weg. Talwärts gar mit geschmückten Tieren. Traditionell wird am Tag der Alpauffahrt bei der Ankunft in der Hütte grilliert. An der Alpabfahrt gibt es Käsehörnchen und Apfelmus. Die Familie weiss trotz der Arbeit das Leben zu geniessen. Das gesellige Beisammensein wird oft und gerne zelebriert. Eine riesige Flasche Appenzeller in der Alphütte ist der Beweis.

Ziel ist eine eigene Zuchtfamilie

Längst surrt im Stall nebenan die Melkmaschine. Andreas Gmür hat bald alle 16 Original-Braunvieh-Kühe gemolken. Früher hätten sie Brown-Swiss-Tiere gehalten. Davon ist er abgekommen. «Die Originalen sind besser für meinen Betrieb geeignet», ist er überzeugt. Zwar hätten die Brown-Swiss-Tiere mehr Milch gegeben. Die Tierarztrechnung sei aber auch höher gewesen.

Zwei der heutigen OB-Kühe kaufte er damals als Kälber und zog sie selber auf. Heute sind sie die Grundlage seines Viehbestandes. Er habe Glück gehabt. Diese zwei Kühe brachten ihm viele Kuhkälber. Nun fiebert er auf eine Zuchtfamilie hin. «Ganz ohne gesexte Spermien, mit Natursprung vom eigenen Stier», betont er. Aktuell bereichert zwar kein Stier die Herde. Gmür überlegt aber, im Herbst wieder auf einen Stier zu setzen. «Die künstliche Besamung hat mich nicht überzeugt.»

«Dieses Jahr kommen andere Touristen»

Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass im Moment kein Stier auf der Alp Walau weidet. Hart an der Alphütte führt nämlich ein Wanderweg vorbei. Andreas Gmür sagt: «In diesem Jahr kommen andere Leute.» Solche, die mit dem Bergwandern bisher wenig verband, was wohl mit der momentanen Situation mit dem Coronavirus zusammenhängt. Dreimal haben die Touristen den Viehdraht beim Durchgang offen gelassen. Im letzten Moment habe er es bemerkt. Zum Glück sei nie etwas passiert. Einmal seien die Kühe aber nah am Ausbrechen gewesen.

Dann wird es Zeit für den Landwirt, die Milch ins Dorf hinunter zu bringen. Wieder fährt der WV Tiguan davon. Diesmal talwärts mit dem Milchtank im Schlepptau, damit die kostbare Fracht rechtzeitig in der Zentrale ankommt.