Das deutsche Familienunternehmen Tönnies ist einer der führenden Fleischproduzenten in Europa und ist mit über 15 Millionen geschlachteten Schweinen pro Jahr der grösste Schlachtbetrieb für Schweine in Deutschland. Die Unternehmensgruppe mit mehreren Tochtergesellschaften produziert neben frischem Fleisch ausserdem (Tiefkühl-)Convenience-Produkte wie panierte Schnitzel oder Burger sowie vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte und auch Tierfutter für Katzen und Hunde.

Tönnies hält sich bedeckt

Wie das Online-Medium Konsider berichtet, hat Tönnies nun im Kanton St. Gallen eine Vertriebsfirma gegründet. Der deutsche Schlachtriese lässt sich aber nicht in die Karten blicken und äussert sich nur spärlich zu konkreteren Zielen des Vorhabens: «Der Fokus liegt auf Edelteilen von deutschen Rindern, Convenienceprodukten und auf unserem Veggie- und Vegan-Sortiment», ist alles, was Fabian Reinkemeier, Leiter der Tönnies-Unternehmenskommunikation, auf Anfrage dazu zu sagen hat.

Hiesige Branche wartet ab

Aufgrund der spärlichen Informationen reagiert auch die hiesige Fleischbranche verhalten. Die grössten Verarbeitungsbetriebe Bell, Ernst Sutter AG und Micarna kommentieren unisono, dass sie sich zu anderen Marktteilnehmern grundsätzlich nicht äussern und auch die Branchenorganisation Proviande übt Zurückhaltung: «Wir haben von der Firmengründung von Tönnies in der Schweiz Kenntnis genommen», sagt Regula Kennel, Leiterin der Unternehmensentwicklung bei Proviande. In den letzten Jahren sei die Entwicklung auf Stufe Schlachtung, Verarbeitung und Vertrieb eher von einem Konzentrationsprozess gekennzeichnet gewesen. Ob es daher Platz für ein neues Unternehmen habe und welche Auswirkungen dies haben werde, werde der Markt beantworten. «Darüber zu spekulieren ist müssig, da ja noch gar nicht bekannt ist, welchen Geschäften Tönnies in der Schweiz genau nachgehen will», ergänzt sie. Und auch ein neues Unternehmen müsse sich nach den Schweizer Rahmenbedingungen wie beispielsweise dem Grenzschutz richten.

Hoher Selbstversorgungsgrad dürfte zur Knacknuss werden

«Sollte Tönnies in der Schweiz vorwiegend mit Importfleisch arbeiten, würde dies der Marketingkommunikation von Proviande für Schweizer Fleisch ausserdem umso mehr Bedeutung verleihen», erklärt Regula Kennel weiter. Klar ist auch, dass die Schweiz bei der Fleischproduktion einen hohen Wert beim Brutto-Selbstversorgungsgrad aufweist. So werden über 80 Prozent des hierzulande nachgefragten Rindfleischs und über 90 Prozent des Schweinefleischs auch hier produziert.

«Der aktuell sehr hohe Inlandversorgungsgrad von über 97 Prozent beim Schweinefleisch führt zu sehr tiefen Produzentenpreisen im Inland, welche die Attraktivität für Importe zusätzlich schwächen», unterstreicht Raphael Helfenstein vom Dachverband der Schweizer Schweineproduzenten und ergänzt: «Aus unserer Sicht dürften es neue Handelsfirmen bei uns deshalb schwierig haben, sich zu etablieren.»