Vor Kurzem habe ich grüne Spargeln gekauft, per Flugzeug aus Mexiko eingeflogen und in eine Filiale der Migros Aare gekarrt. Nein, es lag nicht an meinem übergrossen «Gluscht» auf Spargeln, denn ich habe keine besondere Vorliebe für dieses Gemüse und schon gar nicht im März. Und nein, es lag auch nicht daran, dass ich keine Ahnung von Klimabilanzen und Saisonkalendern habe. Ich betrachte es als Verbrechen, solche Ware zu verkaufen – und trotzdem habe ich zugegriffen. Denn die Spargeln lagen leicht geschrumpelt mit einem roten Aufkleber in dem Korb, der die letzte Station vor dem Abfall ist. Das weitgereiste Gemüse nach all den Ressourcen und der Arbeit einfach wegzuschmeissen, würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen, so meine Überlegung. Ob ich richtig gehandelt habe oder nicht, ich bin mir nicht sicher. Dass sie mit eingeflogenen Spargeln im März im Recht ist, daran hat die Migros selbst hingegen keinen Zweifel.

«Wann immer möglich aus der Nähe»

In einem knapp doppelseitigen Artikel im Migros-Magazin wird erläutert, warum der Spargel mit dem Flugzeug kommt (so lautet in der Tat der Titel). Wann immer möglich beziehe man die Produkte von der nächstmöglichen geografischen Region, heisst es da. Dumm nur, dass so früh im Jahr Spargeln wohl nur in Übersee geerntet werden können. «Wenn ein Produkt aus der Schweiz Saison hat und der einheimische Anbau genügend Waren mit guter Qualität zur Verfügung stellt, hat die inländische Ware immer Vorrang». Das «Immer» könnte man sich angesichts dieser vieler Bedingungen eigentlich sparen. Im Klartext kann man Importe mit dieser Argumentation praktisch immer rechtfertigen.

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Im Winter eine verarmte Auswahl

Die Migros scheint weiter wenig über Schweizer Wintergemüse zu wissen. Gerade in dieser Jahreszeit sei die Auswahl an einheimischem Obst und Gemüse weniger gross und Importware leiste einen «wichtigen Beitrag zu einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung». Gut gibt’s also die geschmacklosen Erdbeeren zum Valentinstag, die spürbar vor Vitaminen strotzen. Wer würde schon an sonniggelbe Bodenkohlrabi oder das gute alte Sauerkraut denken, oder gar frischen Nüsslisalat? Gerade im Frühling, wenn die ersten Gemüsesorten wie Spinat oder Mangold in Garten und Feld wieder spriessen, braucht es kaum Spargeln aus Mexiko oder Peru, um uns gesund zu halten.

Die Migros will auf Flugtransporte verzichten

Tatsächlich will die Migros Flugtransporte abschaffen, steht im Migros-Magazin. Stattdessen sollen Containerschiffe zum Einsatz kommen, die dank der grossen transportierten Mengen als umweltfreundlicher gelten. Weissem Spargel könne man, speziell verpackt, den wochenlangen Seeweg zumuten, ebenso wie unreif geernteten Mangos. Die (teurere) Séléction-Mango aber, «darf fast komplett am Baum ausreifen, was ihr einen noch intensiveren, unvergleichlichen Geschmack verleiht». In diesem Zustand wäre sie auf dem Schiff längst verfault und grüner Spargel lässt sich nicht in Tiefschlaf versetzen – ganz klar, da sind Flugtransporte unumgänglich.

Jedenfalls bisher. Doch das will die Migros ändern: So sei man daran, die europäische Spargelsaison in Spanien und Italien dank dem Anbau in Tunneln zu verfrühen. Grandios, dem Plastikmeer in den grössten Anbauregionen noch einige Bahnen mehr hinzuzufügen. Immerhin bringt die Detailhändlerin mit Vertical Farming auch noch inländische Lösungen zumindest für Kräuter und Salat ins Spiel. «Bis alles so weit ist, kompensiert die Migros den CO2-Ausstoss ihrer Flugtransporte».

Die wichtigste Frage wird nicht gestellt

Nun kommen wir zum Kern der Sache, nachdem klar ist, dass grüne Spargeln im März eben nicht aus der Schweiz verfügbar sind und auch nicht per LKW oder Schiff hergebracht werden können. Die Frage, die von der Migros nicht beantwortet – weil gar nicht gestellt – wird, lautet meiner Meinung nach: Brauchen wir das überhaupt? Es wird als eine reine Notwendigkeit dargestellt, man unternimmt ja alles, um den Spargel nicht einzufliegen. Einziges ins Feld geführte Argument ist die scheinbar karge Auswahl an Schweizer Wintergemüse.

Dabei könnte man es einfach bleiben lassen und stattdessen das Sortiment mit einheimischem Knollen, Wurzeln und Kohl ausbauen. Meinen persönlichen Favoriten, den Bodenkohlrabi, habe ich in der heimischen Migros-Filiale noch nie gesehen. Aber ganz ehrlich, selbst wenn dieses Gemüse dort auftauchen würde – ich bevorzuge den (Bio-)Hofladen meines Vertrauens. Da gibt es nichts zu rechtfertigen.