Wenn Sparen und hohe Flächenerträge für eine bessere Eigenversorgung mit Lebensmitteln dominierende Themen sind, herrschen schlechte Zeiten für Bio – könnte man meinen. Aber Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli blickt zuversichtlich in die Zukunft. Die breit abgestützte Arbeit an der neuen Verbandsstrategie 2030 habe Fragen geklärt, die länger im Raum gestanden seien. Bio Suisse stellt seine Ambitionen bis 2040 und strategische Ziele bis 2030 klar (siehe Kasten). Brändli erklärt im Gespräch mit der BauernZeitung, was aus den letzten Zielen geworden ist und warum Importe in der neuen Strategie eine wichtige Rolle spielen.

Vor zwei Jahren hat Bio Suisse ihre Ackerbauoffensive lanciert. Gesucht waren 15 000 ha neue Biofläche bis 2028. Was ist daraus geworden?

Urs Brändli: Die Ackerbauoffensive läuft noch, aber weniger intensiv. Wir merken, dass wir bei gewissen Ackerkulturen – vor allem Brotgetreide – eine hohe Nachfrage haben. Auf Biobetrieben ist eine ausgewogene Fruchtfolge aber enorm wichtig, und darin hat es eben auch Kulturen wie z. B. Körnerleguminosen mit grossem Preisunterschied zu Importware und entsprechend weniger Nachfrage.

War das nicht absehbar?

Natürlich waren wir uns bewusst, dass nicht jedes Produkt gleich stark nachgefragt ist. Es gibt jetzt aber auch neues, zusätzliches Potenzial für den Schweizer Ackerbau durch die neue Vorschrift von 100 Prozent Schweizer Futter für Wiederkäuer. In Fruchtfolgen haben Luzerne oder Soja zu Futterzwecken z. B. sehr gut Platz.

«Die Umstellung ist attraktiver geworden.»

Die Bionachfrage entwickle sich auch für gemischte Betriebe günstig.

Es mangelt derzeit an proteinreichem Biofutter für Wiederkäuer. Gleichzeitig heisst das Motto «Feed no Food», Ackerflächen sollen für die direkte menschliche Ernährung genutzt werden.

Für die Wiederkäuerfütterung kann man, statt Soja anzubauen, in der Fruchtfolge Kunstwiese mit Luzerne ersetzen. Das bringt sehr proteinreiches Futter für jene Betriebe, die ihre Proteinversorgung der Tiere noch verbessern wollen. Die Bioszene hat da reagiert: Es sind nach dem Verbot von importiertem Proteinfutter für Knospe-Wiederkäuer mehrere neue Trocknungsanlagen für Luzerne entstanden. Davor war der Aufbau dieser Kette gar nicht wirtschaftlich, weil Importluzerne viel günstiger ist.

War das ein Hintergedanke bei der neuen Regel zu 100 Prozent Schweizer Wiederkäuerfutter?

Die Idee war, dass man bei Bio den Weg möglichst geschlossener Nährstoffkreisläufe gehen will. Die Basis hat in einer Umfrage und die Delegierten haben zweimal klargemacht, sie seien überzeugt, dass es ohne Importe von eiweissreichen Pflanzen gehe. Dass es als Nebeneffekt eine positive Wirkung auf die Ackerbauoffensive hat, war kein Ziel, ist aber zusätzliches Argument.

Welche Betriebe sind als neue Biohöfe gesucht?

Nach wie vor suchen wir vor allem Ackerbaubetriebe. Dass nun auch Biomilch gesucht wird, ist ein Nebeneffekt, der für uns eher unerwartet kam – nach der drohenden Überversorgung 2020. Es bedeutet aber auch, dass die Umstellung für gemischte Betriebe attraktiver ist. Unsere aktuellen Anbauempfehlungen geben Hinweise für die Anbauplanung und zeigen, welche Produkte mehr oder weniger gefragt sind.[IMG 2]

Der Detailhandel setzt auf günstig. Was bedeutet das für Bio?

Mich macht das nicht nervös. Wir haben mehrere Krisen erlebt, und jedes Mal hiess es, Bio werde unter Druck geraten – die Leute hätten weniger Geld im Sack und würden daher auf billigere Produkte ausweichen. Ein Teil der Menschen macht das sicher. Aber – und das stimmt mich zuversichtlich – es gibt auch laufend mehr Konsument(innen), die ganz bewusst auf Bio setzen. Das ist keine Mehrheit, aber eine stetig wachsende Anzahl. Das bestätigen die Zahlen der letzten Jahre.

Wer sind diese neuen Biokonsument(innen)?

Gerade junge Leute merken, dass wir etwas ändern müssen, um unseren Planeten für den Menschen lebenswert zu erhalten. Sie anerkennen, dass jede Einzelperson etwas zu einer Veränderung beitragen kann. Den stärksten Zuspruch geniessen Bioprodukte sicher in den Städten, aber auch Läden auf dem Land erweitern ihr Biosortiment zunehmend.

Wie stark wollen Sie in den nächsten Jahren wachsen?

Unsere Strategie sieht ein Wachstum vor. Davon ausgehend, dass die Anzahl Betriebe in der Schweiz weiterhin abnimmt, gibt es bis 2040 noch etwa 40 000 Höfe. Bis dann soll ein Viertel der Fläche und damit etwa ein Viertel der Betriebe zur Knospe gehören, was einem Anteil von 25 Prozent, bzw. etwa 10 000 ha entspricht. Bis 2030 lautet das Ziel 21 Prozent.

Wir setzen in der neuen Strategie 20 Ziele. Diese sind ambitioniert, aber ich bin zuversichtlich, dass sie mit passenden Massnahmen erreichbar sind. Ausserdem sind die Ziele messbar, damit wir laufend Standortbestimmungen vornehmen können.

Importe spielen in Ihrer Strategie auch eine wichtige Rolle dafür, «den Produktabsatz zu fördern». Wie ist das zu verstehen?

Wenn man sieht, wie viel Biomilch als Joghurt verkauft wird und wie viele importierte Beeren darin sind, wird deutlich, dass Importe zu einer breiten Bioprodukt-Palette verhelfen. Sonst gäbe es vielleicht nur Apfeljoghurt in Bioqualität, weil wir zu wenig Schweizer Biofrüchte und -beeren haben. Aber jeder mag Abwechslung.

Wie helfen Knospe-Importe Schweizer Biolandwirten sonst noch?

Mit Blick auf die Entwicklungen – man hat immer weniger Zeit fürs Einkaufen von Lebensmitteln – wünschen sich die Menschen ein Label, das für eine umfassende Nachhaltigkeit garantiert. Und zwar das ganze Jahr über. Mit unserer strengen Knospe- Importregel («Swiss first» bei vielen Rohprodukten, Einfuhren nur ergänzend, Verarbeitung in der Schweiz) sorgen wir dafür, dass die Leute auch im Winterhalbjahr ihre Produkte in der gewünschten Qualität kaufen können. Und zwar bei allen Lebensmitteln. Dies auch im Sinne einer langfristigen Kundenbindung.

Sie sprechen von der Knospe als Meta-Label. Was meinen Sie damit?

Die Knospe umfasst Ökologie im Anbau, aber auch die soziale Verantwortung im Inland und bei Importen sowie den Aspekt einer bewussten, gesunden Ernährung. Diese Eigenschaft als Meta-Label gewinnt meiner Meinung nach für die Knospe künftig noch an Bedeutung.

So kann ich also, wenn ich im Winter Zucchetti haben möchte, Biozucchetti kaufen. Aber sollte ich im Winter nicht generell keine Zucchetti kaufen?

Es ist die Frage, ob die Knospe diese Verantwortung für die Leute übernehmen soll, oder ob wir nicht zusammen mit vielen anderen bäuerlichen Organisationen auf die Saisonalität hinweisen. Wir machen zum Beispiel in den sozialen Medien regelmässig auf die Wichtigkeit des saisonalen Konsums aufmerksam. Das finde ich enorm sinnvoll und wichtig. Aber wer im Januar Erdbeeren haben will, der wird sie kaufen. Und dann soll er oder sie wenigstens Erdbeeren in einer hohen Qualität kaufen, bei der neben Ökologie auch soziale Verantwortung und gutes Wassermanagement dahinter sind – gerade in Ländern wo das kritisch ist. Aber ich glaube nicht, dass es sich lohnt, wenn wir wegen Importen Köpfe bekommen, die röter sind als die Erdbeeren im Januar im Laden. Der Konsument hat auch eine Verantwortung – wir übernehmen sie bezüglich des hohen Standards des ganzjährigen Bio-Angebots.

Kann der Konsument über-haupt unterscheiden zwischen importierten und Schweizer Knospe-Produkten?

Die Knospe mit der Schweizer Fahne garantiert für einheimische Produkte. Wer das kauft, ist sicher, saisonal einzukaufen. Wählt man Produkte mit der Import-Knospe ohne Schweizer Fahne, liegt das in der Verantwortung und Abwägung des Konsumenten.

Bio Suisse verdient ja auch dank Lizenzgebühren an Knospe-Importen.

Wir verdienen an importierten Produkten weniger, weil wir den ganzen Aufwand haben zur Sicherstellung des geforderten Standards für die Zertifizierung.

Sie haben aber unbestreitbar ein Interesse an importierten Bioprodukten.

Wir leben in einem Land, das sich zu 50 Prozent selbst versorgen kann. Was soll diese Diskussion, dass man sich nur noch mit Schweizer Produkten ernähren soll? Das machen Sie nicht, das mache ich nicht, das macht niemand – weil es schlicht nicht möglich ist. Importe haben wir sowieso. Aber wenn Import, dann Bio und idealerweise mit der Knospe drauf.

Auf der einen Seite sollen Bio-Wiederkäuer nur Schweizer Futter bekommen, auf der anderen Seite befürworten Sie importierte Biolebensmittel. Ist das ein Widerspruch?

Die Knospe importiert bis auf ganz wenige Ausnahmen keine tierischen Produkte. Es geht um Gemüse, Getreide oder Früchte, an denen es im Inland mangelt. Das kann man nicht damit vergleichen, den Nährstoffkreislauf innerhalb der Schweiz schliessen zu wollen.

Funktioniert das denn?

Wir stellen fest, dass z. B. Ackerbauern im Waadtland Mühe hatten mit einer geringen Nachfrage für ihre Kunstwiese oder allenfalls Luzerne. Das hat sich jetzt mit den neuen Fütterungsrichtlinien geändert.

Was ist mit jenen Landwirt(innen), die sagen, sie könnten ihre Tiere nicht mehr bedarfsgerecht füttern?

Denen sage ich jeweils, sie sollten einen Partnerbetrieb finden, z. B. einen Ackerbaubetrieb im Talgebiet. Es schliessen sich auch ganze Talschaften zusammen für Lieferungen aus anderen Regionen. Das gefällt mir, es entsteht ein Miteinander und ein gegenseitiges Ergänzen. Hier sehe ich auch noch Potenzial für engeres Zusammenarbeiten unter Biobetrieben.

[IMG 3]

Das heisst, es geht Ihnen mehr darum, den Kreislauf auf Landes- statt Betriebsebene zu schliessen?

Nur ganz wenige Betriebe schaffen es, den Nährstoffkreislauf bei sich zu schliessen. Auch auf Landesebene sind wir nicht ganz konsequent, aber bei den Wiederkäuern können wir es. Wir haben sehr viel Grünland, das Wiederkäuer sehr gut umwandeln. Bei Schweinen und Geflügel sind wir weiterhin auf Importe angewiesen.

Der Konsument kauft nicht nur schneller, sondern auch vermehrt digital ein. Sie wollen die Direktvermarktung ausbauen. Wie passt das zusammen?

Mit Biomondo haben wir einen Onlinemarktplatz geschaffen. Einerseits für Landwirt(innen) – die z. B. Luzerne suchen –, aber auch für Konsument(innen). Damit finden beide Anbieter in ihrer Region, und neu gibt es auch eine Bezahlmöglichkeit via Biomondo. Damit sind wir gut unterwegs und konnten eine Nachfrage seitens der Betriebe befriedigen. Es sind mittlerweile über 3000 Betriebe dabei.

Direktvermarktung bleibt aber aufwendig.

Es muss jede(r) Betriebsleiter(in) für sich entscheiden, wie viel Aufwand er oder sie für die Vermarktung betreiben will. Für viele wäre der resultierende Stundenlohn nicht besonders hoch, da stimme ich Ihnen zu. Wir unterstützen die Direktvermarktung aber trotzdem, weil sie auch beste Werbung ist. Die Landwirt(innen) kommen authentisch rüber und sind im Gespräch mit Konsument(innen) die besten Botschafter(innen). Und ich bin überzeugt, dass diese Kundschaft auch beim ergänzenden Einkauf im Detailhandel vermehrt zu Bio greift. Deswegen unterstützt Bio Suisse die Direktvermarktung finanziell stärker, als gemessen an ihrem Marktvolumen gerechtfertigt wäre – sie ist auch Marketing.

Neben Direktvermarktung sollen auch strategische Partnerschaften Bio Suisse künftig voranbringen. Was ist darunter zu verstehen?

Das geht in verschiedene Richtungen. Partnerschaften mit Lizenznehmenden von der Verarbeitung bis zum Detailhandel gehören dazu, aber auch im politischen Bereich. Weiter gibt es internationale Partnerschaften mit länderübergreifenden Bio-Organisationen und dem Austausch mit Verbänden im DACH-Raum. Am speziellsten ist vielleicht die Partnerschaft mit Naturland, einem in verschiedenen Ländern aktiven deutschen Bio-Verband mit sehr vergleichbaren Richtlinien wie den unseren. Ganz neu haben Bio Suisse und Naturland einen Vertrag zur gemeinsamen Regelung des Wassermanagements unterschrieben. Da geht es vor allem um Länder in Südeuropa (Italien, Spanien). So ist es der Knospe möglich, auch bei Importen einen hohen Standard zu gewährleisten.

«Das Argument kommt immer wieder»

Die Bioproduktion sei keineswegs ineffizient, wie oft kritisiert.

Die Schweizer Bauern beschäftigt der administrative Aufwand, Sie wollen ihn laut Strategie «deutlich reduzieren». Wie?

Das eine ist der administrative Aufwand durch öffentlich-rechtliche Vorgaben in der Bio-Verordnung, die alljährlich eine Bio-Kontrolle verlangen. Dieser gesetzliche Rahmen ist wichtig für unsere Glaubwürdigkeit. Wir möchten aber, dass die Bio-Kontrolleure nicht nur Bio-, sondern auch andere Kontrollen wie Tier- oder Gewässerschutz übernehmen können. In gewissen Kantonen funktioniert das bereits bestens. In anderen haben Biobetriebe jedoch im Extremfall drei Kontrollen in einer Woche. Wenn der Kanton das koordiniert hätte, wäre eine genug gewesen. Wir sind erfreut, dass Bundesrat Parmelin in diesem Bereich aktiv ist, und beteiligen uns an vorderster Front an diesen Arbeiten.

Die Bio-Suisse-Richtlinien selbst sorgen auch für einigen Aufwand.

Das ist korrekt. Unsere Absicht ist klar, hier zu vereinfachen. Grosse Hoffnungen setzen wir dafür auf die Digitalisierung, um bestehende Daten nutzen zu können. Zudem wollen wir die Richtlinien verschlanken und in einem zweiten Schritt den Betrieben ermöglichen, sich individuell weiterzuentwickeln.

Wie könnte das aussehen?

Beispielsweise in Form einer Auswahl verschiedener Bereiche, in der sich ein Betrieb weiterentwickeln kann. Der eine könnte sich so einer verstärkten Biodiversitätsförderung verschreiben, ein anderer sich regenerativ ausrichten oder sich um alte Sorten kümmern. Nicht mehr alle sollen sich im Gleichschritt weiterentwickeln müssen. Ein Punktesystem ähnlich wie bei IP-Suisse wäre in Teilen denkbar.

Wie kommt das bei der Basis an?

Es sind gewisse Ängste da bezüglich Glaubwürdigkeit. Die Knospe ist unseren Mitgliedern heilig. Es geht aber nicht um eine Verwässerung der Richtlinien oder das Abschaffen von Bestehendem, sondern flexiblere Möglichkeiten zur individuellen betrieblichen Weiterentwicklung.

Neben den Richtlinien sollen auch die Verbandsstrukturen verschlankt werden. Wie weit ist Bio Suisse heute davon entfernt?

Manchmal brauchen wir etwas viel Zeit dafür, Entscheide zu fällen. Es gibt da den Begriff des «Gremienmarathons». Bei einem sehr basisdemokratischen Verband sind Zusatzschlaufen aber nicht verwunderlich, und manchmal sind sie auch gut. Aufgaben im Verband sollen für die engagierten Leute jedoch auch gut mit ihrer Arbeit auf den Betrieben vereinbar sein. Wie genau die künftigen Verbandsstrukturen aussehen werden, dazu gibt es noch nichts Konkretes. Man darf und soll alle bestehenden Strukturen hinterfragen, zuvor sollten aber die Ziele klar sein. An der Basisdemokratie wird kaum jemand rütteln wollen. Die Strukturreform liegt mir am Herzen, ich würde sie gerne bis zum Ende meiner Amtszeit 2028 abgeschlossen haben.

Sie stellen fest, dass sich andere Produktionsweisen an Bio annähern. Erschwert das die Differenzierung für Bio Suisse?

Es wäre naiv, wenn wir nicht erwarten würden, dass die ganze Landwirtschaft nachhaltiger wird. Das freut mein Bio-Herz, und meine Enkel freuen sich sowieso darüber. Aber Bio Suisse wird sich weiter differenzieren können, weil sie eben nicht nur ökologisch ist, sondern die ganze Nachhaltigkeit garantiert – inklusive sozialer und wirtschaftlicher Aspekte, kontrollierter Importe, schonender Verarbeitung usw. Wenn die Knospe das ganzjährig bieten kann, hat sie auch 2050 noch ihre Berechtigung und findet ihre Kundschaft. Die Annäherung anderer Produktionsweisen an Bio sollte keinem Biobauern Angst machen, sondern ihn freuen. Wenn die Knospe oder andere Labels eines Tages nicht mehr gebraucht werden, weil Konsum und Produktion so nachhaltig geworden sind, kann man sagen: Ziel erreicht.

Wie passt die tiefere Flächeneffizienz von Bio in dieses Nachhaltigkeitsbild?

Das ist ein ständiger Informationskampf, den wir führen. Effizienz heisst für uns, dass man möglichst ressourcenschonend einen optimalen Ertrag hat. Wenn wir weiter mit hohen Inputs einen maximalen Ertrag anstreben ist das Risiko gross, dass unsere Enkel keine intakten Produktionsgrundlagen mehr haben. Das Argument kleinerer Flächenerträge kommt immer wieder – aber wir haben auch viel weniger Inputs und verursachen weniger externe Kosten der Produktion. Gewässer, Fruchtbarkeit der Böden usw. werden durch Bioanbau geschont.

Könnte Bio Suisse von einer technologisierten Nachhaltigkeitsvision mit Robotern, Smart Farming und hoch verarbeiteten, aber veganen Produkten überholt werden?

Bio ist in seiner ganzen Geschichte immer – nicht nur in den Anfängen – als altmodisch und fortschrittsfremd bezeichnet worden. Nach etwa 50 Jahren hat man festgestellt, dass es gut war, dass einige rebellische Bauern einen anderen Weg gegangen sind. Weil die sogenannten topmodernen Methoden an die Grenzen der Belastbarkeit von Natur und Umwelt gestossen sind. Heute ist man froh, dass gewisse Menschen ihr Leben lang getüftelt haben, um etwa eine chemiefreie Beikrautbekämpfung zu entwickeln.

Gilt diese Haltung auch hinsichtlich neuer Züchtungsverfahren?

Es sind dieselben Firmen, die uns jetzt die Lösung aller Probleme versprechen, die dasselbe bereits vor 60 bis 80 Jahren getan haben. Das Versprechen, man könne mit Vollgas die Ernährungssicherheit gewährleisten, das haben wir die letzten 80 Jahre lang gehört. Vielerorts wird nun klar, dass man zurückbuchstabieren muss. Das System Bio lässt keine grossen Sprünge zu, sorgt aber für Kontinuität und kann sich gleichzeitig Veränderungen anpassen. Das zeigt heute etwa die Tatsache, dass Biokulturen besser mit Wassermangel als Folge des Klimawandels umgehen können. Wir wollen die neue Gentechnik nicht verbieten, aber dafür sorgen, dass niemand einen Nachteil hat, wenn er sich dagegen entscheidet. Und wir verlangen klar, dass die Wahlfreiheit für alle – vom Pflanzenzüchter bis zur Konsumentin – garantiert bleibt.

Wie wollen Sie Landwirt(innen) zum Umstellen motivieren?

Wer auf Bio umstellt, profitiert doppelt; Durch mehr Wertschöpfung und mehr Wertschätzung aus der Bevölkerung. Vor allem Letzteres merken wir in den letzten Jahren stark.

Von der Produktion bis zum Verband

Die Strategie 2030 von Bio Suisse umfasst Ziele in vier Bereichen. Hier eine Kurzfassung der wichtigsten Punkte.

Bioproduzent(innen): Wirtschaftlich effiziente, sozial gerechte und ökologisch tragfähige Betriebsentwicklung mit überdurchschnittlichen Erlösen. Importprodukte von ausländischen Knospe-Betrieben erhöhen die Attraktivität des Knospe-Sortiments und unterstützen den Absatz von Schweizer Rohprodukten.
Knospe-Marktpartner: Steigender Marktanteil und Produktionswert, freiwillige Zusatzauslobungen zur Vermittlung bestehender oder neuer Mehrwerte, Unterstützung der Direktvermarktung, Wachstum der Plattform Biomondo, mehr Bio in der Gastronomie.
Konsument(innen): Knospe bleibt das bekannteste und bevorzugte Bio-Label in der Schweiz, hohes Vertrauen der Konsumenten in die Knospe, jährliche Zunahme des Pro-Kopf-Konsums.
Landwirtschafts- und Ernährungssystem: Bio fördernde Politik, deutliche Reduktion des administrativen Aufwands, strategische nationale und internationale Partnerschaften, mehr finanzielle Mittel für Bioforschung und -züchtung, Biobildung verankert.
Verband und Geschäftsstelle: Entscheide können innerhalb nützlicher Frist gut abgestützt getroffen werden, gestärkte Zusammenarbeit zwischen Dachverband und Mitgliederorganisationen, optimierte Richtlinien für mehr Individualität, starke und diversifizierte Ressourcen.

In einem für Bio Suisse typischen partizipativen Prozess sei die Strategie ausgearbeitet worden, sagt Verbandspräsident Urs Brändli. Die Kerngruppe wurde von zwei externen Spezialistinnen unterstützt, die Meinung der Basis in Feedback-Runden abgeholt. «Insgesamt haben über 400 Leute mitgewirkt», so Brändli. An der kommenden Delegiertenversammlung soll die neue Strategie verabschiedet werden.