Anfang Juni 2021 informierte die Kantonspolizei Neuenburg über einen Unfall im Val-de-Travers. Zwei Landwirte hätten zwischen zwei Hängen einen Draht gespannt für einen Elektrozaun. Durch die Nähe zu einer Mittelspannungsleitung sei ein Lichtbogen entstanden, der einen der beiden Männer durch einen Stromschlag tötete.

Nicht mehr als zwei Meter über Boden

Wie gefährlich ist es, unter einer Freileitung einen elektrischen Zaun zu verlegen? «Nach den Regeln des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins (SEV) 3127.2001 – jetzt Electrosuisse – (Diese Regeln werden derzeit überarbeitet) sollte es grundsätzlich vermieden werden, eine Leitung damit zu kreuzen», erklärt Thomas Jung von Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft BUL. Ansonsten muss man Kontakt zum Betreiber der Leitung aufnehmen. Ein Verzeichnis der Verteilnetzbetreiber mit Suchfunktion nach Ort oder Postleitzahl finden Sie hier. 

Eine weitere Vorgabe ist, dass ein Zaundraht beim Kreuzen einer Freileitung aus Sicherheitsgründen nicht mehr als zwei Meter über dem Boden gespannt werden darf. So besteht – unabhängig von der Mastenhöhe der Stromleitung – keine Gefährdung.

Vor Inbetriebnahme erden

Die nationale Netzgesellschaft der Schweiz Swissgrid weist darauf hin, dass ein Viehzaun niemals an einem Strommasten befestigt werden dürfe. Ein Blitzeinschlag oder Kurzschluss könne einen für Menschen oder Tiere tödlichen Stromfluss verursachen. Wer einen elektrischen Weidezaun in der Nähe einer Leitung installiere, müsse diesen bis zur Inbetriebnahme erden, heisst es weiter. Denn der Zaun könnte sich durch das magnetische Feld der Leitung aufladen und einen Stromschlag verursachen. 

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Ein Elektrozaun darf nicht an einem Strommasten befestigt werden. (Illustration swissgrid.ch)

1 Zentimeter pro 1'000 Volt

Ein Lichtbogen ist eine Gasentladung, bei der ein grosser elektrischer Potenzialunterschied ausgeglichen wird. Dazu müssen die beiden Potenziale – z. B. ein Draht und eine Freileitung – nahe genug beieinander sein.

Ein Zaundraht im Maximum zwei Metern ab Boden, das klingt im ersten Moment vielleicht absurd. «Im Val-de-Travers wurde der Draht von Hügel zu Hügel gespannt. Dabei ging eventuell die Befestigung im Tal vergessen», so die Vermutung der BUL zum Unfallhergang. Damit könnte der Draht der im Tal verlaufenden Freileitung zu nahe gekommen sein. Pro 1'000 Volt brauche es etwa einen Zentimeter, damit ein Lichtbogen entsteht. «Bei einer 16’000-Volt-Leitung wären somit 16 Zentimeter der kritische Abstand», gibt Thomas Jung ein Beispiel.

Auch ein Viehzaun kann eine Person wegschleudern

Wenn man einen gewöhnlichen Viehzaun berührt, bekommt man einen kurzen, schmerzhaften Stromschlag. Tut man dasselbe völlig verschwitzt oder mit nackten Füssen in einer Pfütze stehend, kann es einen auch wegschleudern. Dies, weil dann der elektrische Widerstand des Körpers geringer ist, was die Leitfähigkeit verbessert. «Wirklich verletzt wird man dabei aber nicht», beruhigt die BUL. Es bestehe höchstens die Gefahr eines Folgeunfalls. Was die Gefahr für Personen mit Herzschrittmachern angeht, müsse man sich beim Herzspezialisten erkundigen. Denn dies seien die Fachpersonen und müssten die Geräte kennen. Herzspezialisten und BUL empfehlen Betroffenen einen generellen Sicherheitsabstand von einem Meter zu Elektrozäunen.

Elektrozäune mit Netzanschluss, deren Drähte also in ein Gebäude führen, müssen verschiedene Erdungs- und Blitzschutzmassnahmen erfüllen. Dazu gehören auch Überspannungsableiter. So stellt man sicher, dass Blitzschläge keinen Schaden an Menschen, Tieren und Gebäude verursachen.

Im Notfall sofort alarmieren und wiederbeleben

Kommt es doch einmal zu einem ernsten Unfall mit einem Kreislaufversagen im Zusammenhang mit Elektrizität, wird empfohlen – unter Beachtung der eigenen Sicherheit (Keine Eigengefährdung) – sofort zu Alarmieren und mit der Wiederbelebung (Herzdruckmassage) zu beginnen.

Hier finden Sie eine interaktive Übersicht der Suva darüber, welche Schäden Elektrizität im Körper anrichten kann. 

 

Wie funktioniert ein elektrischer Weidezaun?

Einen Elektrozaun könne man gut mit einem geschlossenem Wasserkreislauf vergleichen, erläutert Thomas Jung von der BUL. Bei der Berührung der Drähte durch ein Tier oder einen Menschen wird der Kreislauf geschlossen. Bildlich gesprochen öffnet sich der Hahn, das Wasser fliesst durch Tier oder Mensch in den Boden und durch die Erdungsstäbe zurück zur Quelle. Der Viehhüter schickt in regelmässigen Abständen kurze Stromimpulse los, die aber nur dann tatsächlich eine Wirkung haben, wenn der Kreislauf durch Berührung geschlossen wird.

Obwohl an Weidezäunen hohe Spannungen von mehreren 1'000 Volt vorhanden sind, ist dies im Allgemeinen ungefährlich. Der Grund dafür ist, dass die Stromschläge nur Sekundenbruchteile andauern und der Getroffene im Normalfall sofort zurückschreckt.