«Ich hätte nie gedacht, dass es für unsere Anbindeställe einmal eine Interessenvertretung benötigt», erklärte der Urner Landwirt Heinz Planzer am Infoanlass der IG Anbindestall im Märchtstübli in Rothenthurm. Seit eineinhalb Jahren ist er als Vertreter der Innerschweiz im Vorstand der IG. Die Mehrheit der rund 2500 Mitglieder würde sich zwar im Kanton Bern befinden, dennoch sei es der Vereinigung sehr wichtig, auch die Landwirte in den anderen Regionen über die Vorzüge von Anbindeställen zu informieren.

2500 Mitglieder

«Sehr wertvoll ist für uns, dass wir über unseren IG-Präsidenten und Nationalrat Thomas Knutti einen direkten Draht nach Bundesbern haben», erklärte Heinz Planzer gegenüber den rund 40 Interessierten im Märchtstübli in Rothenthurm. Thomas Knutti liess es sich nicht nehmen, selber aus dem Simmental in die Innerschweiz zu fahren und über die aktuellsten politischen Themen zu informieren.

Kühe verstehen und Ställe danach einrichten

Im Mittelpunkt des Anlasses stand aber das Fachreferat der Kuhsignale-Beraterin Martina Schmid. «Wie lässt sich ein Anbindestall so gestalten, dass Kühe sich darin ebenso wohlfühlen wie auf der Weide?» fragte die junge Bauerntochter aus Zug. Sie zeigte praxisnah auf, wie mit einfachen Massnahmen Tierwohl und Leistung gesteigert werden können.[IMG 2]

Dass Martina Schmid einmal Bäuerinnen und Landwirte beraten würde, war lange nicht absehbar. Nach einer Grundausbildung als Fachfrau Gesundheit zog es sie zunächst in die Pflege. Doch bald spürte sie, dass ihre Wurzeln in der Landwirtschaft lagen. Sie entschloss sich zur landwirtschaftlichen Ausbildung und absolvierte anschliessend ein Agronomiestudium. Schon als Kind war sie mit Kühen im Anbindestall vertraut – bis dieser auf ihrem elterlichen Hof durch einen modernen Laufstall ersetzt wurde. Während ihres Studiums weckte ein Besuch in einem vorbildlich eingerichteten Anbindestall ihre Begeisterung für dieses Haltungsform. «Diese Erfahrung hat mich nicht mehr losgelassen», erzählte sie im Märchtstübli. So wurden die Optimierung des Anbindestalls zum Thema ihrer Bachelorarbeit und der Beginn ihrer heutigen Tätigkeit als Beraterin.

Beobachten, Verstehen, Anpassen

Für Martina Schmid steht fest: Es spielt keine Rolle, ob eine Kuh im Laufstall oder im Anbindestall steht – entscheidend ist, dass man sie beobachtet und ihre Signale versteht. «Eine Kuh produziert Milch im Liegen. Wenn sie sich dort wohlfühlt, dankt sie es ihrem Halter mit mehr Leistung», erklärte sie den Zuhörern. Da eine Milchkuh rund 14 Stunden täglich liegend verbringen sollte, muss das Liegebett bequem und einladend sein. Je wohler sie sich dort fühlt, desto besser sind Leistung und Gesundheit. Sechs Faktoren seien zentral für das Wohlbefinden im Stall: Futter, Wasser, Luft, Licht, Ruhe und Raum. Der wichtigste davon ist nach ihren Worten der Raum – also Bewegungsfreiheit und Platz zum Aufstehen. Damit die Kuh natürlich aufstehen kann, braucht sie genügend Raum im Kopfbereich. Zu nahe Wände, Krippen oder Trennbügel behindern diese Bewegung. «Nicht hinten, sondern vorne muss die Kuh Platz haben», betont Schmid.

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Mehr Wohlbefinden rund um die Geburt

Schon kleine Anpassungen können eine grosse Wirkung zeigen. Martina Schmid erwähnte Beispiele wie flexible Ketten statt starrer Spreizketten, Gummilappen anstelle von Krippenbrettern oder ein Futtertisch statt einer klassischen Krippe. Durch den Futtertisch bleibt der Liegebereich sauberer, da die Kuh Futterreste nach vorne schieben kann. Als optimale Liegefläche bezeichnet Schmid ein mindestens 20 cm dickes Strohbett. Zwar bedeute das mehr Arbeit, doch es verbessere Komfort und damit die Tiergesundheit deutlich. Zudem entsteht daraus Mist statt Gülle – was den Ammoniakausstoss senkt und die Luftqualität steigert. Auch helle, lichtdurchflutete Räume haben einen positiven Einfluss. In älteren Gebäuden könne Weisseln helfen, das Licht besser zu reflektieren. «Licht beeinflusst den Hormonhaushalt der Kühe und wirkt sich damit direkt auf deren Gesundheit aus», so Schmid.

Wasser, Ruhe und Sicherheit

Bis zu 200 Liter Wasser benötigt eine Milchkuh täglich. Tränkebecken sollten daher mindestens 15 Liter pro Minute liefern können. Wenn Kühe beim Trinken schlürfen, ist das ein Warnsignal: Es fliesst zu wenig Wasser. Fehlende Flüssigkeit senkt die Futteraufnahme – und damit die Milchleistung. Ein laufender Brunnen im Auslauf kann zusätzlich für Wasserverfügbarkeit sorgen. Neben Haltung und Fütterung sprach Martina Schmid auch über den Geburtsbereich. Eine Abkalbebox führt bei den Tieren mehr Bewegungsfreiheit, auch im Anbindestall. Entscheidend sei, dass die kalbende Kuh liegend Sichtkontakt zu den anderen behalten könne. Das reduziere Stress und fördere eine problemlose Geburt.

Fachwissen lebendig vermittelt

Mit einer grossen Zahl an praktischen Beispielen führte Martina Schmid durch ihren Vortrag. Ihr Ziel sei es, den Blick der Tierhalter für die Signale ihrer Kühe zu schärfen. «Wer seine Tiere versteht, kann auch im Anbindestall Bedingungen schaffen, unter denen diese sich rundum wohlfühlen.»