Seit vier Jahren ist in der Schweiz der «Förderverein H2 Mobilität Schweiz» aktiv. Er hat sich zum Ziel gesetzt, ein flächendeckendes Netz mit Tankstellen für Wasserstoff (H2) aufzubauen. Der derzeitige Schwerpunkt der Arbeit des Fördervereins liegt auf dem Schwerverkehr: Am vergangenen Samstag (15. Oktober 2022) konnten die Mitglieder und ihre Partnerorganisationen den fünfmillionsten Kilometer feiern, den die Hyundai-Brennstoffzellen-LKWs von 20 Betreibern im Land gemeinsam gefahren sind. Der alternative Treibstoff wird mit Wasserkraft in Niedergösgen SO hergestellt und per Hochdruckcontainer zu den bisher elf Schweizer Tankstellen gebracht. Gemäss Mitteilung will man noch vor Ende Jahr eine zweite Produktionsstätte in Betrieb nehmen, denn vom Vorteil des grünen Wasserstoffs (siehe Kasten) sind alle Beteiligten – darunter auch die Fenaco, Agrola und Emmi –überzeugt: Statt CO2 wolle man nichts als Wasser emittieren und so einen Beitrag zur Energiewende leisten. 

Traktoren sind in Arbeit

Während in der Schweiz also bereits eine beachtliche LKW-Flotte damit unterwegs ist und es fast ein Dutzend Tankstellen gibt, fehlt bislang ein Wasserstoff-Traktor. International gibt es aber Bemühungen, die Technologie auch in der Landwirtschaft einzuführen. Vor einem Jahr kündigte der deutsche Motorenhersteller Deutz an, ab 2024 6-Zylinder-Verbrennungsmotoren in Serie zu produzieren, die Wasserstoff statt fossilem Treibstoff nutzen können und ausserdem besonders leise sein sollen. Diese Neuentwicklung ist allerdings vorerst für Generatoren und den Schienenverkehr gedacht, erst später soll sie bei Nutzfahrzeugen oder in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

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2011 hat New Holland mit dem NH2 bereits sein zweites, weiterentwickeltes Modell eines Wasserstoff-Traktors mit verdoppelter Leistung vorgestellt. Im Gegensatz zum Ansatz von Deutz beruht der NH2 auf Brennstoffzellen: Aus Wasserstoff wird darin Strom erzeugt, der wiederum einen de facto Elektrotraktor antreibt. Mittlerweile konzentriert sich New Holland eher auf Methan für emissionsarme Traktoren.

Agco/Fendt ist als Partner beim deutschen Modellprojekt H2-Agrar beteiligt, das den «Agrifuture Concept Award 2022» der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) gewonnen hat. Auch dort geht es um Traktoren, die mit Brennstoffzellen ausgerüstet sind.

Regionaler Wasserstoff

Bei H2-Agrar handelt es sich um kein kleines Projekt: Es hat zum Ziel, eine Infrastruktur mit Wasserstoff für die Stadt Haren und die rund 350 Landwirtschaftsbetriebe im umliegenden Emsland aufzubauen bzw. zu demonstrieren, wie das aussehen könnte. Ein lokaler Windpark soll erneuerbaren Strom für die Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff liefern, der an Tankstellen für die Prototyp-Traktoren von zwei Testbetrieben bereitstehe. Man will den Wasserstoffverbrauch der Maschinen im Realbetrieb ermitteln. Mittels Simulationen werden die gesammelten Informationen auf grössere Gebiete hochgerechnet.

Für grosse Modelle

Die Prototypen der Wasserstroff-Traktoren für H2-Agrar sollen laut Projektbeschrieb auf dem Fendt e100 Vario basieren. Die Elektrifizierung von Traktoren mit Batterien ist laut Agco bis zu einer Leistung von etwa 100 PS praxistauglich, für grössere Modelle bestünden aber bisher keine sinnvollen Optionen. Die Firma sieht hier eine Chance für alternative Energien wie Wasserstoff. Nach Angaben der Technischen Universität Braunschweig erfüllt Wasserstoff im Gegensatz zu batterieelektrischen Antrieben die Ansprüche einer schnellen Betankung, hohen Reichweite und Motorenleistungen über 300 kW, wie sie sich z. B. bei schweren Nutzfahrzeugen im Fernverkehr stellen. Bei H2-Agrar werden verschiedene Varianten der Tankmöglichkeiten, Traktorkonzepte und Dimensionierung bewertet, so der Plan.

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Zwei Testpiloten am Start

H2-Agrar ist im Sommer 2021 gestartet und auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgerichtet. In einer ersten Phase werden Konzepte zur Herstellung, Speicherung und Logistik des Wasserstoffs entwickelt. Anfang 2022 wurden zwei Elektrolyseanlagen geliefert, die im Sommer in Betrieb gingen. Dank ihnen kann lokal überschüssige Windenergie im Wasserstoff gespeichert werden. In der zweiten Phase ist der praktische Einsatz mit zwei «Testpiloten» geplant. Diese Landwirte aus dem Emsland bewirtschaften beide über 100 Hektaren mit Ackerbau, halten Mastschweine und Mastpoulets. Dazu muss der Wasserstoff-Fendt-Traktor aber erst entwickelt werden – ein Bild davon wurde bisher nicht veröffentlicht.

Vier Wege zu Wasserstoff
Je nach Herstellungsart unterscheidet man laut dem Verband der Schweizer Gaswirtschaft (Gaz Energie) beim Wasserstoff verschiedene «Farben»:
Grau: Aus fossilen Brennstoffen gewonnen, meist mit der Umwandlung von Erdgas unter Hitze. Dabei wird CO2 emittiert.
Blau: Grauer Wasserstoff, bei dessen Herstellung das entstehende CO2 aufgefangen und gespeichert oder verwendet wird.
Türkis: Herstellung in einem Hochtemperaturreaktor aus Methan, dabei entsteht statt CO2 fester Kohlenstoff. 
Grün: Via Elektrolyse aus Wasser gewonnen, nur mit Strom aus erneuerbaren Quellen.