«Für die Landwirtschaft sind im Aargau drei Experten verantwortlich, die nichts anderes tun, alles jede landwirtschaftliche Buchhaltung auseinanderzunehmen», sagt Bucher. Dabei ergeben sich viele Ärgernisse und einige Katastrophen.

Unbegründet aufrechnen

AboSteuer-WirrwarrDas sollten Bauernfamilien bei den Steuern beachtenMontag, 10. Oktober 2022 Zu den Ärgernissen zählt, dass jeglicher Kleinkram aufgerechnet werde. Pikanterweise lägen diese Aufrechnungen immer unter 1000 Franken, wo eine Einsprache deutlich teurer zu stehen komme als der allenfalls gewährte steuerliche Abzug. «Das ist nicht rechtens und ein mieses Spiel», sagt Bucher. Beispiele gefällig?

Nebenerwerbsbetrieb: Auto und Benzin

Bei einem kleinen Nebenerwerbsbetrieb mit Futterbau werden Auto und Benzin privat gehalten, aber pauschal 200 Franken der Betriebsbuchhaltung angelastet für Benzin für Motormäher, Motorsäge, Laubbläser und Motorsense. Das Auto kam auch auf dem Betrieb in Einsatz, dafür kamen 1000 Franken in die Betriebsbuchhaltung.

«Der Landwirtschaftsexperte sagte, 150 Franken für den Betrieb akzeptieren wir, den Rest rechnen wir auf. Fürs Auto wurden gar 800 Franken aufgerechnet», stellt Ivo Rey, Abteilungsleiter BVA Treuhand, konsterniert fest. Dagegen sei kaum anzukommen, weil der Betriebsleiter kein Fahrtenbuch führe.

Nur eine Rechtsschutzversicherung

Ein anderes Beispiel ist die Rechtsschutzversicherung. Ein Betriebsleiter zahlte die jährliche Rate von 380 Franken über ein Betriebskonto. Da die Familie nur eine einzige Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte, mutmasste der Steuerexperte, dass die Hälfte privat sei, worauf eine Aufrechnung von 190 Franken erfolgte.

Hunde und Katzenjammer

Weitere Müsterchen gefällig? Jeder Franken, der mit Hunden oder Katzen zu tun habe, werde unter die Lupe genommen. So würden Hunde und Katzen, die ja zu einem Bauernhof gehören, als Hobbytierhaltung angesehen. Die Kosten für Tierfutter, Tierarzt oder Katzenkastration dürfen nicht in der Betriebsbuchhaltung enthalten sein.

Hundesteuer sei sowieso immer privat. Für einen Wach- oder Treibhund müsse nachgewiesen werden, dass der Hund für die entsprechende Tierkategorie und den Betrieb nötig seien, erzählt Bucher. «Wenn jemand eine Alarmanlage auf seinem Betrieb, also der Geschäftsliegenschaft, einbaut, kommt auch niemand daher und sage, das sei privat», ergänzt Rey und erzählt von einem weiteren Beispiel:

Ein Landwirt hat einen Hundezwinger aufgestellt, der in der Buchhaltung aktiviert wurde. Der Steuerexperte habe diese Investition von 4000 Franken aber als Hobbytierhaltung angesehen. Die Treuhandstelle argumentierte, dass der Betrieb abgelegen sei und ausserdem Ponyreiten und Kindergeburtstage für Kinder mit einer Beeinträchtigung anbiete. Die Hunde seien quasi Therapietiere und wichtig für diesen Betriebszweig. Belegen liess sich die Bedeutung auch mit entsprechenden Umsatzzahlen. Dem Hundehalter war der Aufwand für die Einsprache aber zu gross und er verzichtete darauf.

Aussprachen nützten nichts

«Wir hatten schon Aussprachen mit den Steuerexperten, wo auch der Vorsteher des kantonalen Steueramts dabei war. Wir stossen zwar auf Verständnis, aber geändert hat sich nichts», fasst Bucher zusammen. Das Steueramt verneine, dass es zu Aufrechnungen käme. Der Bauernverband Aargau muss dann in jedem einzelnen Fall den Beweis erbringen, was, wie oben dargelegt, sehr schwierig ist.

Grobes Geschütz bei Baulandversteuerung

Abo«Es gibt im Moment heikle Bundesgerichtsentscheide für die Landwirtschaft», sagt Steuerinspektor Andreas Oppliger.BundessteuerSteuer-Wirrwarr: Ginge es auch einfacher?Montag, 10. Oktober 2022 Weitaus katastrophalere Fällen sind Einschätzungsentscheide zur Baulandversteuerung, wiedereingebrachten Abschreibungen, Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Verwehrung von der privilegierten Abrechnung. Die Steuerschulden davon betroffener Landwirte können im Extremfall bis zu einer halben Million Franken betragen.

Verschrottene Anlage als wiedereingebrachte Abschreibung

Ein anderes Beispiel: Ein 65-jährigen Landwirt übernahm vor Jahrzehnten den Milchviehbetrieb vom Vater zum Ertragswert.

Nach der Hofübernahme stellte er von Milchvieh auf Legehennen um. Die veralteten Anlagen und Gerätschaften zur Milchviehhaltung wurden ausgebaut, entsorgt und verschrottet. Nichtsdestotrotz wurden ihm kumulierte Abschreibungen geltend gemacht. «In anderen Kantonen gehen solche Anlagen, wo auch keine stillen Reserven mehr drauf sind, unter. Nicht so im Aargau», ärgert sich Rey.

Privilegierte Besteuerung verweigert

Aktuell ist wieder ein runder Tisch zu einem konkreten Fall angesagt. Es geht um einen 65-jährigen Betriebsleiter, der die Betriebsführung in Form einer Verpachtung an seine jüngere Frau übergab. Dadurch wurde ihm in einem späteren Zeitraum die privilegierte Besteuerung verwehrt. «Wir hätten einen externen Gutachter einbestellt. Aber das Steueramt will zuerst mit anderen Kantonen abklären, wie sie es handhaben. Diesen Vergleich haben wir schon längst geliefert», sagt Bucher und schüttelt den Kopf. Alle anderen Kantone gewähren die privilegierte Besteuerung. Aber die Aargauer Steuerexperten beziehen sich auf ein Bundesgerichtsurteil aus dem Aargau und erklären dies zu einem Präzedenzfall. «Wir argumentieren mit einem anderen Bundesgerichtsurteil – so geht das hin und her», fasst Bucher zusammen.

Beschwerdeflut rächt sich

Man muss aber auch sagen, punkto Bundesgerichtsurteile stammen sehr viele aus dem Aargau. Das rächt sich, die Retourkutsche des Steueramts sei programmiert. Dafür sei nicht der Bauernverband verantwortlich, sondern, was Bucher besonders ärgert, ein einzelner Treuhänder, der mit zig Beschwerden bis vors Bundesgericht gehe und damit das Fass längst zum Überlaufen gebracht habe.

«In den allermeisten Fällen kam es dabei zu einem Negativbescheid zu Lasten des Beschwerdeführers und in einzelnen Fällen mit negativen Auswirkungen auf alle anderen Betriebe», sagt Bucher.

Steuerrevision läuft

Etwas Hoffnung gibt es, vielleicht bringt die aktuell laufende Steuerrevision des Kantons Aargau eine Besserung.

Der Bauernverband Aargau brachte unter anderem ein, dass ein Steuerpflichtiger seine einmalig per Gesetz garantierte privilegierte Abrechnung/Überführung nicht verwirken kann. Und zu den anfangs genannten Aufrechnungen schrieb der Bauernverband Aargau in seiner Stellungnahme: «Aufrechnungen nach subjektivem Ermessen oder Praxis des Steuerbeamten sind nicht zulässig.»