Für den diesjährigen Agropreis, den Innovationspreis der Emmental-Versicherungen, sind fünf Betriebe nominiert. Einer davon ist die Piccoli Frutti Valposchiavo GmbH, die Puschlaver Bergbeeren produziert. Die BauernZeitung hat sich mit Marco Triacca, einem der beiden Betriebsleiter, unterhalten.

Marco Triacca, beschreiben Sie Ihr Projekt in ein paar Sätzen.

Marco Triacca: Vor 20 Jahren begann mein Schwager Nicolò Paganini in ungenutzten Gärten im Ort Beeren anzubauen, begann verbuschte Terrassen zu rekultivieren und diese ebenfalls mit Beeren zu bepflanzen. 

Unterdessen ist unsere Anbaufläche auf 10 Hektaren angewachsen. Durch den Beerenanbau schaffen wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Tal. Die Zusammenarbeit mit der Familie, den Nachbarn und weiteren Partnern ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Zudem bleibt unsere typische Kulturlandschaft mit den Terrassen erhalten. Bis in die 1960er-Jahre wurden darauf Gemüse und Tabak angepflanzt. Wir waren so zusagen der Gemüsegarten vom Engadin.

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Wieso bauen Sie Beeren und nicht Gemüse an?

Mein Schwager stammt aus einer Obst- und Gemüsehändler-Familie. Als Nicolò eine Weile in Zürich im Früchtehandel arbeitete, bemerkte er, dass Beeren im Trend und sehr gesucht sind.Unsere Böden hier sind leicht und sauer, also geradezu prädestiniert für den Beerenanbau. 

Wer sind Ihre Abnehmer?

60 bis 70 Prozent unserer Beeren verkaufen wir frisch; einen Teil davon bei uns im Tal über Geschäfte und Gastronomie. Via die Handelsfirma Iseppi, sie ist gerade mal 50 Meter von uns entfernt, gelangt der Grossteil der Beeren in die Regale von Coop in der Region Zürich. 

Was ist die grösste Herausforderung beim Anbau und der Vermarktung der Beeren? 

Wir bauen die Früchte im Freiland an und stellen zudem auf Bio um. Im Tunnel ginge es natürlich einfacher, aber da unsere Landschaft Unesco-Welterbe ist, passt das nicht. Seit ein paar Jahren fordert uns die Kirschessigfliege. Wir müssen wegen ihr viel regelmässiger pflücken und auch öfters das Gras mähen.

Wegen der Terrassen ist eigentlich alles Handarbeit. Sie bieten aber auch Vorteile: Unsere Flächen liegen in der Bergzone III zwischen 500 und 800 m ü. M. Das gibt eine natürliche Staffelung bei der Ernte. 

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In der Regel pflücken wir von Montag bis Samstag. Weil wir am Sonntag Pause machen, sind montags die Beeren sehr reif. Wir stellen auch fest, dass anfangs Woche der Beerenabsatz viel kleiner ist als gegen Ende der Woche. Wir verarbeiten diese Montagsernte deshalb im eigenen Verarbeitungsraum zu Konfitüre, Sirup oder Saft. Zwei Konfitüren und ein Joghurt versetzt mit Fruchtpüree von uns kann man als Pro-Montagna-Produkt im Coop kaufen.

Ist es ein Fluch oder Segen, dass das Puschlav so abgelegen ist?

Für viele scheinen wir am Rand der Schweiz zu wohnen. Doch wir Einheimischen empfinden das Puschlav als Zentrum der Welt (lacht). 

Eine Herausforderung istvielleicht die Logistik, da unsere Hauptkundschaft in der Deutschschweiz zu Hause ist. Uns kommt jedoch zugute, dass jeder jeden kennt. Ein Nachbar von uns muss regelmässig nach Chur. Wir dürfen im jeweils Beeren mitgeben.

Nebst den Beeren gehören auch Agrotourismus und Reben zu Ihrer GmbH. Wie sind da die Synergien?

Die Leute kommen gerne zu uns, weil es hier so schön ist. Wir bieten Übernachtungen an und zeigen den Gästen unseren Betrieb, aber auch das Tal und unsere Kultur. Natürlich dürfen die Gäste unsere Produkte degustieren. Mittlerweile sind wir bei zirka 1000 Übernachtungen pro Jahr angelangt.  

Wieso machen Sie beim ­Agropreis mit?

Ehrlich gesagt, kannten wir den Agropreis nicht. Eine Kundin, sie ist unterdessen eine Freundin, hat uns darauf aufmerksam gemacht. 

Die 20 000 Franken wären sicher schön, sie stehen für uns aber nicht im Vordergrund. Wir erhoffen uns, dass wir durch die Nomination bekannter werden. Momentan läuft unser ganzes Marketing nämlich über die Mund-zu-Mund-Propaganda. Auf den Ausflug nach Bern freuen wir uns ebenfalls sehr.

Wieso soll unbedingt Ihr Projekt gewinnen?

Wir arbeiten unter dem Motto «coltiviamo sogni», was so viel heiss wie: «Wir kultivieren Träume.» Das umfasst weit mehrals die Beeren und den Rebbau. Es bedeutet für uns Freundschaft: mit den Mitarbeitenden, mit den Gästen und den Menschen im Tal. Wenn wir zusammenarbeiten, gewinnen wir alle. Und darum geht es doch schlussendlich.

Was werden Sie mit dem Preisgeld machen, falls Sie gewinnen?

Mit dem Geld würden wir weitere 20 Terrassen vom Wald befreien. Ein Freund von uns, Tiziano Iseppi, hat nämlich bereits 50 Olivenbäume und möchte noch einmal 100 anpflanzen. Wir haben hier ein besonders mildes Klima, im Winter wird es nie kälter als null Grad. Dank der Klimaerwärmung machen die Olivenbäume sogar Früchte. Dieses Jahr konnte unser Freund zum ersten Mal Berg-Olivenöl herstellen. Die zehn Liter waren sofort ausverkauft.

Wo stehen Sie mit Ihrem Projekt in zehn Jahren?

Wir werden sicher nicht gross wachsen, dazu fehlt uns das Land. Ich hoffe aber, dass wir bis dann 1000 Liter Berg-Olivenöl extra vergine vermarkten können. Schön wäre auch, wenn wir etwas mehr Rebfläche hätten.

Betriebsspiegel Piccoli Frutti Valposchiavo GmbH

Name: Nicolò Paganini und Marco Triacca
Ort: Campascio GR
Anbaufläche: 10 ha, verteilt auf 70 Parzellen, davon 9 ha Beeren und 1 ha Steinobst sowie Kastanien, Baumnüsse. 3,5 ha Rebflächen im nahegelegenen Veltlin (I)
Kulturen: Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Cassis und Stachelbeeren
Erntesaison:  Ab Mai (Erdbeeren) bis Mitte Oktober (Brombeeren und Herbsthimbeeren)
Beeren pro Jahr: zirka 70 Tonnen
Angestellte:  8 Personen, während der Beerensaison 20–40 Pflücker(innen)
Besonderes: Verarbeitung von Beeren zu Sirup, Konfi, Saft, Essig oder Spirituosen. Agrotouristisches Angebot mit vier Zimmern (12 Betten) und Führungen durch die Beerenfelder und Rebberge. Direktvermarktung von 20'000–22'000 Flaschen Wein.