Bei Olivenöl denkt man zuerst an Italien. Das Tessin gehörte jahrelang zum Nordrand Italiens und daher ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass dort Olivenbäume gedeihen. Bis Mitte 2021 wurden laut einer gemeinsamen Mitteilung des Inventars des kulinarischen Erbes der Schweiz und der Associazione Amici dell Olivio knapp 7700 Bäume auf Tessiner Boden gezählt. Und deren Früchte blieben nicht ungenutzt.

Unterschiedlich fruchtiger Geschmack

Bei einer Degustation im Sommer dieses Jahres wurden die fünf verkosteten Olivenöle unterschiedlich beschrieben: von leicht bis mittel oder recht fruchtig. Nicht alle werden gemäss Mitteilung vermarktet. Das Schweizer Olivenöl ist denn auch eine Rarität, denn im vergangenen Jahr konnten lediglich 2000 Liter gepresst werden. Zum Vergleich: Jährlich produziert man hierzulande über 25'000 Tonnen Rapsöl, wie es im Agrarbericht heisst.

Importiert von den Römern

Per Definition finden nur Produkte Eingang ins Inventar des kulinarischen Erbes, die in Herstellung, Eigenschaften und Geschichte in der Schweiz traditionell sind. Auf Olivenöl trifft das zu, auch wenn es exotisch klingt. Die ersten Bäume wurden wahrscheinlich von den Römern importiert und das Öl primär für Lampen benutzt, wird in der Mitteilung erklärt.

Billigere Öle, die aufkommende Elektrizität und Fröste brachten viele Olivenbäume im Tessin zum Verschwinden. Später pflanzte man an ihrer Statt lieber Maulbeeren, um darauf Seidenraupen zu ziehen. Gegen Ende der 1980er Jahren wurde der Anbau von Oliven aus kulinarischen Gründen reaktiviert.

In Gärten und Hainen

Viele Tessiner Olivenbäume stehen heute in Privatgärten, heisst es weiter. Ausserdem habe Pro Specie Rara an vier Standorten Haine mit unbekannten Sorten angelegt. Insgesamt nehme die Zahl der Bäume zu – der Klimawandel kommt den wärmeliebenden Gewächsen zugute. Dieser könnte den Anbau in Zukunft auch attraktiver machen, denn aktuell ist die Freude am Tessiner Olivenöl um ein Mehrfaches grösser als dessen wirtschaftliche Bedeutung, steht im Eintrag dazu im Inventar des kulinarischen Erbes. Grössere Anbauflächen würden es rentabler machen. Und Oliven seien eine logische Alternative zu Kulturen, denen es zu heiss wird.