Für die Einen ist der Klang von Kuhglocken der Inbegriff des idyllischen Landlebens und geradezu entspannend. Markus Hüsser, der in der Nähe des Betriebs von Landwirt Walter Brechbühl im aargauischen Berikon wohnt, kann hingegen wegen des Geräuschs nachts kaum durchschlafen. So berichtet es SRF News. In den Ferien müsse er von Zuhause fliehen, um Ruhe zu finden. 

Kanton anerkennt das Anliegen

SRF schildert, Hüsser habe verlangt, die Ausnahmeregelung für Kuhglocken im Polizeireglement der Gemeinde streichen zu lassen. Nachdem der Gemeinderat das ablehnte, sei das kantonale Gericht zu einem anderen Schluss gekommen: Die Nachtruhe von 7 bis 22 Uhr müsse auch für Kuhglocken gelten. Schliesslich müsse diese für alle Menschen garantiert sein. 

 «Aus unserer Sicht liegen keine überwiegenden, öffentlichen Interessen vor und es ist wahrhaftig nicht notwendig, dass die Tiere aus Sicherheitsgründen Glocken tragen müssen (keine Gefahr für Entlaufen der Tiere).», zitiert SRF den Gerichtsentscheid. 

Es muss der Einzelfall beurteilt werden

Die Lärmschutzverordnung regelt, wie laut es in Wohngebieten sein darf. Hier gelten strengere Regeln als dort, wo auch gewerbliche Aktivitäten erlaubt sind (z. B. Landwirtschaftszonen). So sind Geräuschpegel bis maximal 60 Dezibel am Tag bzw. 50 in der Nacht zulässig. Werden neue Anlagen (z. B. ein Bauernhof) gebaut, muss die Einhaltung der Lärmgrenzwerte im Voraus abgeklärt werden. Lärm wird jeweils dort gemessen, wo er wahrgenommen wird (z. B. im Schlafzimmer eines Anwohners), muss aber primär an der Quelle vermieden werden (z. B. indem Kühe keine Glocken tragen).

Da es für Glockengeläut keine eigenen Grenzwerte gibt, muss der Einzelfall beurteilt werden. Das erklärt, weshalb es immer wieder Rechtsstreitigkeiten zu diesem Thema gibt (siehe Kasten). Dabei sind Charakter, Zeitpunkt, Häufigkeit des Auftretens des Lärms sowie die Empfindlichkeit bzw. Vorbelastung zu berücksichtigen. Ausschlaggebend sollte aber nicht das subjektive Empfinden einzelner Personen sein, sondern eine «objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit», wie es das Gericht des Kantons Schwyz in seinen Erwägungen zu einem Fall 2008 formulierte. 

Entscheid wird nicht angefochten

Der Berikoner Landwirt Walter Brechbühl, der seine Kühe bisher zeitweise 24 Stunden mit Glocken auf der Weide hatte, akzeptiert den Entscheid und will ihn nicht weiterziehen. Stattdessen wird er laut SRF künftig auf die Glocken verzichten. Die Gemeinde Berikon werde das Polizeireglement anpassen.

Der Geschäftsführer des Aargauer Bauernverbands meint dazu gegenüber SRF, man dürfe nicht stur an etwas festhalten. Auf einer Weide in der Nähe eines Wohngebietes würde er seine Kühe nachts ohne Glocken grasen lassen, wenn es Beschwerden wegen des Lärms gäbe. 

 

Kuhglocken nicht das erste Mal vor Gericht

Streitigkeiten wegen Kuhglocken gab es bereits in der Vergangenheit. Die Vereinigung kantonaler Lärmschutzfachleute führt eine Sammlung von Gerichtsentscheiden zum Thema Lärm, worin auch drei zu diesem Thema zu finden sind. 

«Mehr als allgemein zu ertragen ist»

Das Bundesgericht hielt schon 1975 in einem Urteil fest, dass nächtliches Weiden mit Glocken über das hinaus gehe, was nach heutiger Auffassung in einem Wohnquartier allgemein zu ertragen sei. In Schwyz wurde ein Glockenverbot im offenen Laufstall, im Hofgelände und auf einem unmittelbar an die Wohnzone angrenzenden Grundstück während der Nacht ausgesprochen und von einer höheren Instanz bestätigt.

Zwei Jahre zuvor war man im selben Kanton zu dem Schluss gekommen, das Kuhglockengebimmel überschreite die vorgeschriebenen Immissionsgrenzwerte nicht und das Geläut sei daher zulässig. 

«Glocken sind kein Lärm»

Den Diskussionen um Glockengeläut – sei es von Kühen oder Kirchen – hat die Zürcher Gemeinde Bauma einen Riegel geschoben. Dort wurde an der Gemeindeversammlung entschieden, dass es mit der neuen Polizeiverordnung nicht als «Lärm» gilt und daher generell von Ruhezeiten ausgenommen ist.