Ende lezten Jahres hat Bäuerin Gabi Schürch einen offenen Brief an Trinkwasser-Initiantin Gabi Schürch geschrieben. Diese hat einige Woche später reagiert (s. Link im Kasten). Nun hat Gabi Schürch die Antworten von Franziska Herren einem Fakten-Check unterzogen. Ihr Fazit ist negativ.

Der Faktencheck von Gabi Schürch

Bütikofen, 9.2.2020

Sehr geehrte Frau Herren

Besten Dank für Ihre Antwort auf unseren offenen Brief und die Würdigung unserer Leistungen! Über die Antwort sind wir jedoch enttäuscht. Wir und viele andere Bauernfamilien haben gehofft, etwas mehr Klarheit zu bekommen. Leider sind Sie nicht auf unsere Fragen eingegangen und erstaunt müssen wir feststellen, dass Sie sich der Auswirkungen Ihrer Initiative nicht bewusst sind!

Wir haben Ihre Antworten einem Faktencheck unterzogen, die Ergebnisse sind ernüchternd und für uns mehr als beunruhigend!

Faktencheck:

Franziska Herren: Es ist offensichtlich, dass die intensive, von Pestiziden, Importfutter und Antibiotika abhängige Lebensmittelproduktion keine Zukunft hat. Zu gross ist ihr negativer Einfluss auf die Qualität unserer Gewässer und unseres Trinkwassers sowie auf die Biodiversität, das Klima und die Luft. Sie gefährdet unser aller Gesundheit und auf Dauer auch die Ernährungssicherheit, weil sie die Produktionsgrundlagen, vor allem die Böden und die für stabile Ökosysteme unerlässliche Biodiversität, durch die überintensive Nutzungsweise massiv beeinträchtigt. Tausende Bäuerinnen und Bauern beweisen wie Sie, dass es auch anders geht. Ich möchte mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie den Weg zu einer ökologisch verträglichen Milchproduktion eingeschlagen haben.

Familienhof Schürch: Die Trinkwasser-Initiative hätte für den Betrieb Schürch weitreichende Folgen, dies deshalb, weil keine Futterzukäufe möglich wären:

  • 10 Kühe im Diemtigtal, sowie ein Teil der Jungtiere auf einer Alp im Solothurner Jura sömmern, um die betriebseigene Futtergrundlage zu entlasten. Es würde sich dabei um betriebsfremdes Futter handeln.
  • Futterzukauf, auch nicht im kleinen Ausmass aus der Region. Aufgrund der Trockenheit war dies vor zwei Jahren unumgänglich!
  • Die Haltung der Hühner zur Selbstversorgung sowie die Haltung verschiedener Kleintiere.

Ein Betrieb, der gemäss Ihnen auf dem richtigen Weg ist, wäre durch Ihre Initiative in der Existenz gefährdet!

Wenn Sie zum Schluss kommen, dass tausende Bäuerinnen und Bauern auf dem richtigen Weg sind, stellt sich die Frage, warum es denn die Initiative überhaupt braucht?

Franziska Herren: Die Trinkwasser-Initiative verfolgt das Ziel, dass in Zukunft Lebensmittel flächendeckend ökologisch hergestellt werden und für alle Konsumenten erschwinglich sind.

Familienhof Schürch: Die Lebensmittelproduktion in der Schweiz ist bereits heute ökologisch. In verschiedenen Bereichen ist das Angebot z.B. von Bio oder Tierwohllabeln höher als die Nachfrage. Das Erfüllen dieser Standards bedeutet

Mehraufwand und muss einen höheren Preis für den Produzenten zur Folge haben. Sie fordern demnach mehr Leistung zu tieferen Preisen.

Der Artikel dazu:

https://www.bauernzeitung.ch/artikel/stockender-markt-fuer-bioware

Franziska Herren: Dazu müssen die Bauern im Einklang mit der Umwelt und sauberen Gewässern wirtschaften können und faire Produktionspreise erhalten.

Familienhof Schürch: In Bezug auf die fairen Produktepreise ein klarer Widerspruch zum vorhergehenden Punkt. Sie verweigern sich konsequent, hier schlüssige Antworten zu geben.

Franziska Herren: Für eine naturnahe und ökologische Lebensmittelproduktion stellt die Bevölkerung seit 1996 jährlich Milliarden zur Verfügung.

Familienhof Schürch: Das System der Direktzahlungen welches heute gilt, basiert auf der Entschädigung von klaren Leistungen, die erfüllt werden müssen. Dazu gehört als Basis der ökologische Leistungsnachweis. Die erzielten Verbesserungen sind beträchtlich. Es ist richtig, dass weitere Verbesserungen notwendig sind. Diese können im Rahmen der Landwirtschaftsgesetzgebung erreichet werden.

Der Artikel dazu:

https://www.agrarbericht.ch/de/umwelt

Franziska Herren: Zudem hat das Stimmvolk 2017 dem neuen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit zugestimmt. Dieser fordert, unter anderem, grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, welche zu einer nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen – in der Schweiz wie auch im Ausland.

Familienhof Schürch: Die Bedeutung dieser Bestimmung in Bezug auf Import hat sich jetzt bei der Umsetzung der Palmölimporte gezeigt. Der durch die Annahme der Initiative folgende Import, wird dadurch in keiner Weise reguliert. Artikel 104a fordert auch eine marktorientierte Entwicklung der Landwirtschaft. Durch die Trinkwasserinitiative wird dies klar in Frage gestellt. Eine so einseitige Interpretation ist schlicht nicht statthaft.

Der Verfassungsartikel dazu:

https://www.bv-art.ch/art-104a-ernahrungssicherheit.html

Franziska Herren: Damit sind die Weichen für eine ökologische Lebensmittelproduktion schon lange gestellt. Was fehlt ist eine grundlegende Korrektur des Direktzahlungssystems. Heute subventionieren wir eine Produktionsweise, die Umwelt und Trinkwasser verschmutzt und sämtliche Umweltziele verfehlt. Dagegen sieht die Trinkwasserinitiative vor, dass Direktzahlungen zukünftig nur noch in pestizidfreie, nachhaltige und trinkwasserfreundliche Produktionsweisen investiert werden.

Familienhof Schürch: Das Ergebnis der Initiative wird vor allem ein gesteigerter Import sein und somit eine Verlagerung der Probleme ins Ausland, zugunsten einer Bilderbuch-Landwirtschaft. Aus den Augen aus dem Sinn, die Schweiz kann sich das offenbar leisten?! Wie ökologisch und nachhaltig ist dieses Denken? Bereits heute verursacht die Ernährung der Schweizer Bevölkerung einen erheblichen ökologischen Fussabdruck im Ausland. Ist das wirklich Ihr Ziel?

Der Artikel dazu:

https://www.nzz.ch/wissenschaft/die-schweizer-umweltbelastung-faellt-vor-allem-im-ausland-an-ld.1418901

Franziska Herren: Für eine Neuorientierung der Landwirtschaft ist zudem die konsequente Ausrichtung von landwirtschaftlicher Forschung, Beratung und Ausbildung sowie der Investitionshilfen auf ökologische Produktionsformen nötig. Auch dies sieht die Trinkwasserinitiative ausdrücklich vor.

Familienhof Schürch: Die Initiative sieht hier einen Kann-Artikel vor. Konkret bedeutet die Initiative keine Stärkung von Bildung, Forschung oder Beratung.

Franziska Herren: Das Ziel ist es, eine ökologische Lebensmittelproduktion zu einer Win-Win-Situation für Produzenten und Konsumenten zu machen. Dass dies keine Utopie ist und eine Produktion nach den Richtlinien der Trinkwasserinitiative zu einer Win-Win-Situation führen kann, lebt Fredy Hiestand zusammen mit IP-Bäuerinnen und –Bauern schon heute vor. Mehr dazu hier.

Familienhof Schürch: Das genannte Beispiel zeigt, was die Initiative und der Verarbeiter als Win-Win-Situation sehen: ein Produktionssystem, das deutlichen Mehraufwand bedeutet und die Ausfallrisiken voll beim Produzenten belässt. Auf der anderen Seite eine Prämie, welche die Risiken und Aufwände nicht im Ansatz deckt. Der höhere Preis für die Konsumenten ist wesentlich höher als die Prämie beim Produzenten. Fair ist anders.

Franziska Herren: Wie gelingt es, eine solche Win-Win-Situation für Produzenten, Handel und Konsumenten auch im Milchsektor zu schaffen?

Familienhof Schürch: Dazu braucht es nicht die Trinkwasser-Initiative, sondern schlicht die Bereitschaft der Konsumenten, für die produzierten Produkte den entsprechenden Mehrpreis zu bezahlen. Das wäre eine Win-Win- Situation.

Gabi Schürch hat noch zwei Fragen

Zwei, für uns grundlegende Fragen, stelle ich hier noch einmal, in der Hoffnung, dass wir dazu eine konkrete Antwort erhalten:

  • Sind die Konsumenten bereit, für eine nachhaltige Ernährung mehr Geld auszugeben als sie das bisher tun? Sprich; nicht nur fordern, unterschreiben und abstimmen, sondern dann auch kaufen? Im Moment funktioniert es jedenfalls noch nicht zufriedenstellend, sonst hätten wir keinen Überschuss.

 

  • Was können wir Bäuerinnen und Bauern tun, damit die Zukunftsangst nicht allzu erdrückend wird? Im Moment sind viele Betriebe, welche Investitionen tätigen- und sich weiterentwickeln wollen, blockiert weil sie nicht wissen, wie es weiter geht. Wir wollen unseren Beruf weiterhin mit Freude und Engagement ausüben können, wie soll uns das gelingen?

Gerne sind wir bereit, Sie auf unserem Betrieb zu einem Gespräch zu begrüssen!

Freundliche Grüsse Gabi Schürch, Bütikofen 15, 3422 Kirchberg

 

Die Antwort von Franziska Herren

Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren hat heute die Einladung von Gabriela Schürch bereits angenommen, wie sie per Mail mitteilt. Hier der Text im Wortlaut:

Guten Morgen Frau Schürch

Es freut mich sehr, dass Sie mein Angebot für ein Gespräch annehmen!

Im Zusammenhang mit dem neuen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit möchte ich an unserem Gespräch auch noch auf den für das Bundesamt für Landwirtschaft erstellten Prüfungsbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK-17159 vom 25. Juni 2018) eingehen, welcher die Subventionen, die auf Art. 104 und 104a beruhen, in den Fokus nimmt. Demnach dürfte Artikel 104a BV Auswirkungen auf die Subventionen haben. Produkte oder Produktionsverfahren, die nicht nachhaltig oder nicht standortangepasst sind, sollte der Bund nicht mehr oder nicht mehr im bisherigen Umfang fördern. Dies betrifft Produkte, die ohne wesentliche Importe nicht im gegenwärtigen Umfang produziert werden können oder die nicht zur Ernährungssicherheit beitragen. Insbesondere Massnahmen zur Stützung der tierischen Eiweissproduktion sind betroffen. Die EFK empfiehlt Massnahmen einzuleiten, um diese Subventionen zu reduzieren oder abzuschaffen – beispielsweise im Rahmen der Agrarpolitik ab dem Jahr 2022 (AP22+). Das Wesentliche in Kürze  EFK-17159 | inkl. Stellungnahmen | 25. Juni 2018

Herr Rufer (Martin Rufer vom SBV, Red.) bestätigt mir in einer Mail, dass beim importierten Futtersoja für eine verantwortungsvolle Produktion gesorgt werden kann, aber bei der Soja, die direkt in die menschliche Ernährung geht, die Vorgaben für eine verantwortungsvolle Produktion nicht gelten. Gerne würde ich in unserem Gespräch diese Aussage beleuchten und die Frage stellen, warum beim Tierfutter eine verantwortungsvolle Produktion möglich ist und bei der Nahrung für die Menschen keine verantwortungsvolle Produktion gilt.

Gerne erwarte ich Ihre Terminvorschläge ab März 2020 für unser Gespräch und den geplanten Ablauf für unser Gespräch sowie wer am Gespräch teilnehmen wird.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und sende herzliche Grüsse


 

Ein Briefwechsel zwischen einer Bäuerin und der Trinkwasser-Initiantin

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