An der ersten Versammlung des Vereins «nichts zu melden» spiegelte ein Bild in der Präsentation von Präsident Kilian Zwick die Gefühlslage im Saal: Ein Frosch, mit dem Kopf bereits im Schnabel eines Storchs, der den Vogel trotz der scheinbaren Aussichtslosigkeit seiner Situation mit beiden Händen um dessen Hals zu würgen versucht. Dazu das Motto «niemals aufgeben».
Nach allgemeinen Informationen zum Verein und dem Beschluss, den Jahresbeitrag für Unternehmen neu auf 200 statt 500 Franken festzulegen, kamen in zahlreichen Wortmeldungen Wut, Verzweiflung und Unverständnis zum Ausdruck. Der Storch in diesem Fall: die Plattform Digiflux.
«Das ist unsere Aufgabe»
Der Verein «nichts zu melden» ist ein Zusammenschluss jener, die sich vehement gegen die Meldepflicht via Digiflux wehren. «Wir wollen die Zeit für anderes nutzen, als für administrativen Aufwand», stellte Kilian Zwick klar. «Wir melden nichts, wir wollen die Schweiz ernähren – das ist unsere Aufgabe», doppelte sein Vorstandskollege Fritz Gerber nach. Von Seiten der Versammelten war die Rede von fehlender unternehmerischen Freiheit bis hin zur «Kastration», der Absicht, Amtsstellen zu schützen oder «Stasi-Methoden». «Die sollen mal arbeiten kommen, ihr macht uns nur kaputt», so ein Vorwurf an die Adresse des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW).
Kilian Zwick hatte Bernard Belk, Vizedirektor des BLW, zur Versammlung eingeladen – um «gewisse Dinge zu erklären», meinte Zwick. Er habe sofort zugesagt, betonte Belk, «es ist uns wichtig, Diskussionen zu führen.» Zusammen mit Johannes Hunkeler, Projektleiter Digiflux, stellte er die Sicht des Bundesamts dar und nahm Stellung zu diversen Vorwürfen;
- Herkunft: «Digiflux stammt nicht aus der Schublade des BLW», betonte Bernard Belk. Er erinnerte daran, dass es im Paket der Parlamentarischen Initiative (Pa. iv) 19.475 vom Parlament im Zusammenhang mit der Trinkwasser- und der Pestizidverbots-Initiative beschlossen worden sei. Das habe dazu beigetragen, dass «diese zwei destruktiven, unnötigen, dummen Initiativen» vom Stimmvolk abgelehnt worden sind.
- Spielraum: Die Rechtsgrundlage zu Digiflux enthalte aussergewöhnlich viele «muss»- statt «kann»-Formulierungen. «Das macht die Situation für uns schwierig, das muss ich ehrlich sagen», so Belk.
- Absichten des BLW: «Wir haben nur ein Ziel: Digiflux so einfach wie möglich umsetzen», sagte der BLW-Vizedirektor mehrmals.
- Praxisnähe: Viele BLW-Mitarbeiter führen laut Belk nebenbei einen Landwirtschaftsbetrieb. Ausserdem stehe man im Austausch mit Praktikern, die Digiflux testen und führe Gespräche mit Verbänden. Letzteres z. B. aktuell auf der Suche nach Möglichkeiten zur Vereinfachung des Kontrollwesens.
- Nutzen des BLW: Die Deutschschweizer Landwirte, die mit ihren Forderungen nach Bern zogen, hätten die Abschaffung des Amts verlangt, schilderte Bernard Belk. Er machte ein Beispiel, weshalb das seiner Meinung nach keine gute Idee wäre. So habe das Parlament basierend auf einem BLW-Bericht zum grossen bestehenden Handlungsbedarf eine halbe Milliarde Franken zusätzlich für die Landwirtschaft gesprochen. Dies im Rahmen der Strukturverbesserungen. «Dieser Entscheid kam nicht aus heiterem Himmel, das war viel Arbeit.»
- Ressourcen: Das BLW habe keine zusätzlichen Ressourcen für die Arbeiten an Digiflux erhalten. Das Projekt koste insgesamt 7,2 Millionen Franken.
- Absichten des Parlaments: Zuerst sei es bei den Absenkpfaden im Rahmen der Pa.iv. 19.475 nur um Pflanzenschutz gegangen. Im letzten Moment habe das Parlament noch den Bereich Nährstoffe ergänzt. «Das Parlament wollte die Flüsse abbilden können», erklärte Belk. So kam der Beschluss, das bisherige Hoduflu um alle weiteren Nährstoffflüsse (ausser Raufutter) zu erweitern.
- Mitteilungspflicht Handel (ab 2026): Für den Handel oder Betriebe bzw. Dienstleister, die Produkte weitergeben,müssen sämtliche Lieferungen von Kraftfutter, Dünger, Hof- und Recyclingdünger oder PSM mit Angaben zu Produkt, Menge, Datum der Lieferung, Abgeber und Abnehmer melden.
- Mitteilungspflicht Landwirtschaftsbetriebe (ab 2027): Berufliche Anwender von Pflanzenschutzmittel werden sich – Stand heute – an eine vereinfachte Mitteilungspflicht halten müssen. Sie umfasst den Lagerbestand je Produkt und das Quittieren der vom Handel erfassten Lieferungen (auch automatisiert oder nur jährlich möglich).
- Mitteilungspflicht weitere Akteure: Auch andere berufliche Anwender wie etwa Gärtner, Gemeinden, SBB oder Golfplätze müssen ihre Mengen melden und Lieferungen quittieren.
- Vorteile: Dank des Once-Only-Prinzips (Daten nur einmal erfassen) soll Digiflux administrative Entlastung bringen. Ausserdem schaffe es Transparenz zum Nährstoff- und PSM-Einsatz über die Landwirtschaft hinaus. Digiflux werde ausserdem auf dem Smartphone anwendbar sein und mit besserer Datengrundlage zur Optimierung der landwirtschaftlichen Praxis beitragen. Der Datenschutz sei gewährleistet.
- Rechtsgrundlage: Um die oben erläuterte, vereinfachte Umsetzung von Digiflux für Anwender dauerhaft einführen zu können, brauche es eine Anpassung der Rechtsgrundlage. Eine solche strengt die abgeänderte Motion Kolly an, die noch im Parlament debattiert wird. Die Nationalratskommission hat zuletzt einstimmig dafür gestimmt. Das BLW unterstütze diesen Vorstoss, so Belk. «Für euch genügt das nicht, das verstehe ich. Aber es ist das, was wir anbieten können.»
Rechtliche Beurteilung
«Es stimmt einfach nicht, das BLW hat die Mitteilungspflicht zu einer einzelbetrieblichen Kontrolle ausgeweitet», kritisierte Fritz Gerber. Er zitierte die fraglichen Passagen des Landwirtschaftsgesetzes, die ein Erfassen regionaler und nationaler Flüsse vorschreiben. «Solange ihr viel mehr macht, als im Gesetz steht, melden wir nichts», versprach Gerber. Dafür erntete er Applaus und Bravo-Rufe.
Bernard Belk verwies zur Antwort auf ein Rechtsgutachten. «Das Resultat war, dass die Nährstoffmeldungen unbedingt auf Betriebsebene erfolgen müssen. Sonst ist keine regionale Analyse möglich.» Eine Lösung auf Papier sei ausserdem ausgeschlossen. Wer die Pflicht nicht erfülle, müsse mit Bussen rechnen, ergänzte Johannes Hunkeler.
Offen blieb die Frage nach den Kosten durch die Umsetzung von Digiflux bzw. inwiefern der Handel diese an die Landwirt(innen) weitergibt. «Es wird Kosten geben», ist Kilian Zwick überzeugt, «wir bleiben dran.» Um seinem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, hätte der Verein gerne mehr Mitglieder. Auch das Mitwirken im Verein – z. B. durch die Betreuung von Social Media – wäre erwünscht. Da sich niemand gerne mit Administration befasst, hält «nichts zu melden» seine eigenen Strukturen möglichst schlank.
Das Umrechnen übernimmt Digiflux
Bei den Arbeiten zur Umsetzung von Digiflux für den Handel, der ab nächstem Jahr damit Lieferungen erfassen muss, zeigte sich ein Problem: Während im Verkauf Stückzahlen angegeben werden (z. B. Anzahl Kanister), braucht es für die Mitteilungspflicht Mengen.
Diese Umrechnung werde Digiflux via eines Produktkatalogs übernehmen, erklärte BLW-Projektleiter Johannes Hunkeler an einem Webinar für Handelsakteure.
Lieferung an Inaktive
Da voraussichtlich viele Landwirte – in diesem Fall die Abnehmerseite – 2026 noch nicht auf Digiflux angemeldet sind, kann der Handel seine Mitteilungspflicht auch ohne Lieferungsbestätigung erfüllen. «Bis zum 31. Januar des Folgejahres sind alle Lieferungen zu erfassen», so Hunkeler. Nach einer 15-tägigen Nachfrist bucht das System anschliessend Lieferungen an inaktive Nutzer (nicht angemeldete Landwirte) automatisch als akzeptiert.
Dieser Umgang ist ein Unterschied zu Hoduflu, das dereinst durch Digiflux ersetzt wird. «Hoduflu ist in die Jahre gekommen und nicht für Smartphones optimiert», begründete Johannes Hunkeler. Hoduflu-Daten würden aber auf Digiflux übertragen.
Zu beachten sei, was nicht von der Mitteilungspflicht betroffen ist:
- Makroorganismen (Nützlinge)
- Grundstoffe
- Mit PSM behandeltes Saat- und Pflanzgut
- Kleinpackungen von PSM zur Hobbyverwendung (noch in Arbeit, aber beabsichtigt)
- Grundfutter
- Haustierfutter
- Tierfutter, die weder Protein (N) noch Phosphor enthalten
- Kleinstlieferungen von Kraftfutter (bis maximal 105 kg N und 15 kg P pro Kalenderjahr, sofern Bewirtschafter den ÖLN nicht erbringen muss)
Eine klare und einfache Handhabung für die Rücknahme von Kraftfutter von Bewirtschaftenden (z. B. Futterweizen aus der Sammelstelle) müsse noch bis zur Einführung der Meldepflicht ab 2026 bestimmt werden.
Professionelle Unterstützung
Unterstützung im Umgang mit Digiflux bietet in der Startphase das BLW. Ab 2026 übernehme das eine externe Supportfirma (wie Identitas im Fall von Agate). Dann werde auch ein Telefonhilfedienst eingerichtet.
Videos, Fragen und Antworten: www.digiflux.ch