«Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen». Diese von Francis Bacon, einem britischen Philosophen, stammende Sprichwort, wird verwendet, wenn sich eine gewünschte Situation nicht von selbst ergibt und man sich stattdessen selbst anpassen oder aktiv werden muss.
«Werde selbst aktiv, bevor du ewig darauf wartest, dass sich die Dinge von alleine fügen.», lautet eine pragmatische Umsetzung dieses Ratschlags.
Zum Konsument in die Stadt
Die vereinigten Milchbauern Mitte Ost und die Schweizer Milchproduzenten (SMP) nahmen sich diesen zu Herzen und organisierten am 6. Februar, im Landesmuseum in Zürich die «Veranstaltung für faire Milchpreise». Der Ort war bewusst gewählt. Was gab es doch schon an etlichen Veranstaltungen zu diesem Thema; dem Milchpreis, die abends in Turnhallen, Theatersälen vom «Rössli», «Sonne», oder dem «Bären» auf dem Land durchgeführt wurden.
Nun versuchen es die Milchproduzenten mit der «Propheten und Berg» Strategie, sie gehen zum Konsumenten in die Städte.
Keine Schweizer Milch mehr
«Stellt euch mal vor, es gäbe keine Schweizer Milch», mit diesen Worten eröffnet Boris Beuret, Präsident SMP, die Veranstaltung. Ihm gegenüber lauschten Milchproduzenten von der Romandie bis in die Ostschweiz, die der Verbandseinladung folgten. Unter ihnen im Publikum verteilt, sassen auch ein paar Städter, sowie Journalisten der «weissen» Medien, wie zum Beispiel des Medienkonzerns Tamedia. An sie richtete sich der Apell der Milchproduzenten. «Kauft nachhaltig hergestellte Milchprodukte, die uns einen fairen Milchpreis ermöglichen, damit wir in Zukunft auch weiter Milch produzieren können», war in etwa die Botschaft.
Viel Arbeit, wenig Geld
Mit Fakten unterlegte Boris Beuret seinen Appell. Der Selbstversorgungsgrad bei der Milch sinkt, der durchschnittliche Stundenlohn eines Milchbauern beträgt 14 Franken pro Stunde und der Altersdurchschnitt der Betriebsleiter von 57 Jahren ist hoch. Solche Bedingungen schrecken junge Menschen ab, in die Milchproduktion einzusteigen. Die Zukunft der Milchproduktion sehe in der Schweiz und auch in Europa nicht «rosig» aus, viele Betriebe leben heute schon von ihrer Substanz. Als Resultat nimmt die Anzahl der Milchwirtschaftsbetriebe auf, die älteren hören auf und die jüngeren steigen erst gar nicht ein.
Der Weg, um aus dieser Teufelsspirale auszusteigen, wäre eigentlich ein einfacher. Die Landwirte müssten endlich einen fairen Milchpreis für ihr Produkt bekommen. Aktuell liegt dieser bei durchschnittlich 70 Rappen pro Liter. Laut Berechnungen der SMP liegt ein existenzsichernder und somit fairer Milchpreis bei einem Franken.
Wie bringt man den Konsumenten nun dazu, diesen Franken zu bezahlen?
[IMG 2]
Kunden wollen faire Produkte
Die grosse Herausforderung liegt, laut Werner Locher, Präsident Genossenschaft «Faire Milch Säuliamt», bei den Detailhändlern. «Wir haben mit allen Grossverteilern Sitzungen gehabt, alle fanden die Idee gut und alle haben uns mit leeren Händen nach Hause geschickt», sagt Locher, der über die Entstehung der fairen Milch Säuliamt berichtet.
Schlussendlich sei es einzig die Landi Albis gewesen, die beim Projekt mitzog. In Zusammenarbeit mit der Molkerei Höhn produzieren die Landwirte jetzt «Faire Milch», sie bekommen also einen Franken für den Liter und die Milch verkauft die Landi Albis überaus erfolgreich in ihren Volg-Läden. «Wir haben einen Marktanteil von 60 %», sagt Locher. Der grösste Teil der Konsumenten sei also bereit für faire Milch, mehr Geld auszugeben, dieses Ergebnis sehe man im Übrigen auch bei Produkten wie fairen Bananen, die unter dem Max Havelaar Label bei den Grossverteilern im Angebot stehen.
Aktiver auf den Konsumenten zugehen, mit diesem zusammenzuarbeiten und nicht auf den Grossisten zu warten. Das sei laut Anne Chenevard, Präsidentin der Kooperative Faireswiss, eine wichtige Erkenntnis gewesen, die sie gemacht habe.
«Alle haben uns mit leeren Händen nach Hause geschickt»
Werner Locher über seine Erfahrung mit Detailhändlern zu fair produzierter Milch.
Blaues Herz und «Fairona»
Dies erzielt man mit einer aktiven und gemeinsamen Kommunikation. Unter der Plattform «fair.ch» bündeln verschiedene Labels, wie zum Beispiel «FAIR» mit dem blauen Herz, «Faireswiss», «Die Faire Milch Säuliamt» und «Lait GRTA» ihre Kräfte. Ihr gemeinsames Ziel ist der Milchpreis von mindestens einem Franken. Neben den Labels wirbt auch das Makottchen «Fairona» – eine kämpferisch dreinblickende, rote Kuh mit Schweizerkreuz auf der Seite, für den fairen Milchpreis.[IMG 3]
Neben dieser Kommunikation braucht es laut Chenevard auch Transparenz, die dem Konsumenten die Vorteile der fair produzierten Milch aufzeigt. Nämlich zum Beispiel eine einheimische sprich regionale Milchproduktion, die auf artgerechte Tierhaltung und Fütterung setzt.
Konsument muss handeln
«Wir hoffen, dass sich der Konsument im Laden bewusst wird, dass sein Kaufentscheid eine grosse Auswirkung auf die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz auslösen kann», sagt Boris Beuret. Im Idealfall überzeugt man so den Konsumenten. Dieser sieht den Wert der fair und nachhaltig hergestellten Milch und handelt entsprechend. Er kauft sie im Laden oder fragt beim Detailhändler nach, warum man sie nicht bekommen? Das erzeugt Nachfrage und Druck, in der freien Marktwirtschaft braucht es das, damit sich ein Produkt erfolgreich durchsetze.
Die Milchproduzenten sind also zum Konsumenten in die Stadt gekommen – nun liegt es an den Konsumenten, ihnen entgegenzukommen. Sie entscheiden mit ihrem Einkauf, ob Schweizer Milchbauern eine Zukunft haben oder nicht. Ein fairer Milchpreis von einem Franken pro Liter wäre ein erster Schritt, um die Milchproduktion nachhaltig zu sichern. Doch das geht nur, wenn der Handel mitzieht und die Konsumenten aktiv danach fragen.
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg – bei der Milch müssen sich am Ende beide bewegen.
1