Dass Albert Rösti ein offenes Ohr für die Anliegen von Bauern und Viehzüchtern hat, wurde ihm schon lange nachgesagt. Dass sein Departement deshalb die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Regulation von Wolfsrudeln in einem abgekürzten Verfahren noch in diesem Herbst durchbringen will, war bekannt. Doch was in den «dringlichen Regulierungsteilen der Verordnung» steht, die nun schon auf den 1. Dezember in Kraft gesetzt werden sollen, birgt Sprengkraft: Der Bund plane, 70 Prozent der Wölfe in der Schweiz abzuschiessen, berichtet der «Blick», dem das Papier frühzeitig durchgestochen wurde.
Entsprechend gross ist der Sturm der Entrüstung. «Das kommt einer weitgehenden Ausrottung gleich», protestiert Pro Natura auf Twitter. Die Kampagnen-Plattform Campax hat bereits eine Online-Petition gestartet: «Stoppen sie das Wolfs-Massaker», forderten schon nach zwei Tagen über 10'000 Personen. «Von den 31 Wolfsrudeln im Land sollen gemäss den Plänen im kommenden Winter alle bis auf 12 ausgerottet werden», so der Text von Campax.
Wölfe sollen durch Bejagung scheu bleiben
Stimmt das? Das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) bestätigt zunächst. «Tatsächlich gilt gemäss Entwurf der Verordnung: Die heute 31 Rudel (bis 280 Tiere) können um bis zu 70 Prozent dezimiert werden», schreibt Sprecher Harald Hammel auf Anfrage. Aber auch: «Bitte beachten Sie die Kann-Formulierung».
Der Wolf bleibt weiterhin eine geschützte Tierart, alle Abschüsse müssen rechtlich korrekt und kontrolliert erfolgen. «Ziel ist, den Wolfsbestand in Grenzen zu halten und dafür zu sorgen, dass die Wölfe scheu bleiben», sagt Hammel. «So können Übergriffe auf Nutztiere so gering wie möglich gehalten werden.» Der Herdenschutz bleibe zentral und werde auch weiterhin finanziell unterstützt.
Wenig Zeit und kaum Ressourcen für Wolfsjagd im Winter
Ob Isegrim tatsächlich ein blutiger Winter droht, ist damit fraglich. Zumal der Bund in der Verordnung nur die Rahmenbedingungen für die Wolfsregulation schafft. Verantwortlich für die Ausführung der Abschüsse sind auch nach dem Entwurf Rösti weiterhin die Kantone.
Diese müssten die Abschüsse schon im Januar tätigen. «Schon jetzt hört man einige Kantone jammern, dass ihre Ressourcen dafür knapp seien», sagt dazu der Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV), Martin Rufer: «Wir haben der zuständigen Direktorenkonferenz einen Brief geschickt, die Antwort war aber sehr zurückhaltend.».
Es droht ein weiterer Wolfssommer
Die kantonalen Bauernverbände müssten bereits jetzt aktiv werden und auf die zuständigen Behörden zugehen, empfahl Rufer deshalb schon im August an der Konferenz der operativen Leitenden des SBV: «Es braucht Druck, sonst passiert in diesem Winter gar nichts.»
Damit wäre das von den Umweltverbänden befürchtete «Wolfs-Massaker» abgewendet – und die Hoffnung auf eine Entspannung der Lage im Alpsommer 2024 dahin.
Wallis gibt Wolf zum Abschuss frei
Das Wallis hat den Abschuss eines weiteren Wolfes angeordnet. Der Einzelwolf habe in der Region Ferpècle-Arolla elf Nutztiere getötet, darunter ein Rind.
Die revidierte Bundesverordnung erlaube den Abschuss eines Einzelwolfes, wenn dieser innerhalb von vier Monaten mindestens sechs Schafe oder Ziegen getötet habe, teilte der Kanton Wallis mit. Die Voraussetzungen für einen Abschuss seinen somit gegeben.
Der am Dienstag im Amtsblatt veröffentlichte Abschusserlass sei 60 Tage lang gültig, solange sich Nutztiere im Abschussperimeter befänden und das Schadenspotenzial weiterhin bestünde. sda