Agroscope hat eine neue Studie zur Trinkwasser-Initiative veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Massnahmen der Initiative zwar eine Verbesserung der Wasserqualität hervorrufen, allerdings würde die Umwelt im Ausland stark darunter leiden, wenn hierzulande mehr Fleisch importiert werde. Mehr zur Studie lesen Sie hier. 

Bird Life: Importe liessen sich kontrollieren

Nach Ansicht von Bird Life Schweiz klammert die Agroscope-Studie entscheidende Herausforderungen und Chancen bei der Bewältigung negativer Umweltwirkungen der Landwirtschaft aus:

  • Eine ausgewogenere Ernährung (weniger tierische Lebensmittel) und weniger Food Waste reduzieren negative Umweltwirkungen im In- und Ausland
  • Eine «effektiv gute landwirtschaftliche Praxis» (gezielter Einsatz von Produktionsmethoden und Alternativen zu Pflanzenschutzmitteln, standortangepasste und effiziente Nutzung der Schweizer Landwirtschaftsflächen, verstärkte Bio-Förderung) verringern Umweltbelastungen innerhalb der Schweiz
  • Die Schweiz könne gestützt auf den Verfassungsartikel Art. 104a BV* Einfluss nehmen auf die Umweltwirkungen importierter Produkte im Ausland.

TWI sei nur eine Etappe auf dem Weg

«Für eine ressourcenschonende und standortangepasste Landwirtschaft müssen neben der eigentlichen Produktion auch die Aspekte Konsum und Import unbedingt berücksichtigt werden», schreibt Bird Life. Die Studie zeige das erneut. 

Die Umsetzung der Trinkwasserinitiative sei daher eine von mehreren Etappen auf dem Weg zu einer biodiversitätsfreundlichen Landwirtschaft.

Pro Natura: Ergebnisse sind nicht neu und sollten die AP 22+ beeinflussen

Die Resultate der Agroscope-Studie, dass nämlich der Konsum und dessen Wirkungen auf die Umwelt im Ausland für eine zukunftsfähige Landwirtschaft eine grosse Rolle spielen, ist für Pro Natura nichts Neues. Es sei aber ein Fingerzeig, dass die zukünftige AP 22+ «noch viel stärker» auf das Konsumverhalten fokussieren müsse. Schweizerinnen und Schweizer würden zu viel Fleisch und importierte Produkte ökologisch und sozial fragwürdiger Herkunft essen.

Die von der Studie aufgezählten Massnahmen zur Verbesserung Ökoeffizenz der Schweiz (Standards in den Import-Herkunftsländer, der Bezug nur aus ökoeffizienten Produktionssystemen und die Wahl spezifischer Herkunftsländer) sind für Pro Natura genau die Themen, denen in der Debatte um die AP 22+ noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. 

Man unterstützte die beiden Pflanzenschutz-Initiativen, würde aber auch einen Gegenvorschlag des Parlaments begrüssen, heisst es in der Mitteilung.   

Vision Landwirtschaft: «Haarsträubende Annahmen» 

Man distanziere sich in aller Form von dieser Studie, schreibt Vision Landwirtschaft. das sei nichts anderes als «Politik einer Bundesanstalt». Mit «haarsträubenden Annahmen» habe man genau das gewünschte Resultat provoziert. 

Konkret bemängelt der Verband folgende Punkte:

  • Es sei «komplett unrealistisch» anzunehmen, dass bei einer Annahme der TWI mehr Flächen im Ausland benötigt und diese auf Kosten von Wald und naturnahen Gebieten gehen würden. 
  • Die Studie berücksichtige die Auswirkungen der 2017 angenommenen Ernährungssicherheitsinitiative nicht.
  • Man lasse ausser Acht, dass die Schweiz dazu verpflichtet sei, die Menge an Food Waste bis 2030 zu halbieren. Dadurch bräuchte man über 20 Prozent weniger Importe. 
  • Fortschritte in der Entwicklung agrarökologischer und pestizidfreier Produktionsmethoden könnten «schon in einigen Jahren» die Erträge verbessern. 

Franziska Herren: Studie ignoriert entscheidende Aspekte

Im März 2020 verlangten die Initianten der Trinkwasser-Initiative eine Korrektur der Studie, da «Agroscope in dieser wichtige Aspekte ausklammert und seine Berechnungen somit anhand falscher Rahmenbedingungen durchführt», schreibt die Hauptverantwortliche der Initiative Franziska Herren in einer Medienmitteilung.

Bund sei nach Gesetz verpflichtet, Umweltzerstörung im Ausland zu verhindern

Damit bezieht sie sich auf den Art. 104a BV* zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft, über den das Stimmvolk 2017 abgestimmt hat. Ihm liegt zu Grunde, dass importiere Lebensmittel nachhaltig produziert sein müssen und diese Aussage wäre in der Studie nicht beachtet worden. «Es ist die Aufgabe des Bundes, Urwaldrodungen für die Fleischproduktion und Importwaren, die mit hierzulande verbotenen Pestiziden hergestellt werden, ein Ende zu setzen», so Herren. Der Bund müsse die Umweltzerstörungen im Ausland seit 2017 verhindern und dürfte diese nicht der TWI anlasten.

Gemäss Agenda 2030 wäre der Bund für die Reduktion von Food Waste verantwortlich

Ebenfalls würde laut Aussagen Herrens Art. 104a, Bst. e nicht berücksichtigt werden. Hiernach habe der Bund einen «ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln» zu schaffen. Gemäss Agenda 2030 will der Bund Food Waste um 50 Prozent reduzieren. Das «wird dazu führen, dass erheblich weniger Nahrungsmittel importiert werden müssen. Und dies, noch bevor die TWI umgesetzt werden muss», schlussfolgert die Initiantin. Jede Reduktion des Food Waste würde Flächen verfügbar machen und erhöhe automatisch den Selbstversorgungsgrad der Schweiz. «Es geht daher nicht an, der TWI anzulasten, dass sie zu mehr Importen führe, ohne die mittelfristige, massive Reduktion von Food Waste und den damit verbundenen Nachfragerückgang zu berücksichtigen», so Herren.

Ergebnis der Studie wäre ein anderes unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen

Die Übergangsfrist von 8 Jahren der TWI und die Ausrichtung der Finanzmittel für Bildung, Forschung und Investitionshilfen auf eine ökologische Produktion blieben auch unberücksichtigt. 

«Würden die Nachhaltigkeit, die Reduktion von Food Waste, die Übergangsfrist von 8 Jahren sowie die Ausrichtung von Agrarforschung, Bildung und Investitionshilfen auf eine ökologische Produktion einbezogen, wäre das Ergebnis wohl ein völlig anderes», schlussfolgert Franziska Herren.

Wunsch nach Neuevaluierung der Studie nicht nachgegangen

Herren hat ein Gespräch mit den Verantwortlichen der Studie gesucht mit dem Wunsch einer Neuevaluierung. Nach einem E-Mail-Austausch zwischen Frau Herren und Eva Reinhard, Leiterin Agroscope, sei dem Wunsch allerdings nicht nachgegangen.

Die Begründung: «Die derzeitige Agroscope Studie zu den Umwelteffekten der Trinkwasser-Initiative basiert auf den Szenarien, welche in der ersten Studie zu den agrarökonomischen und agrarstrukturellen Auswirkungen entwickelt wurden. In Bezug auf die Ernährungssicherheit zeigten die Ergebnisse der ersten Studie, dass mit einer verringerten inländischen Produktion zu rechnen wäre mit einem daraus folgenden höheren Importbedarf.»

 

* Art.10a Ernährungssicherheit

 

Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln schafft der Bund Voraussetzungen für:

 

a.die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere des Kulturlandes;
b.eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion;
c.eine auf den Markt ausgerichtete Land- und Ernährungswirtschaft;
d.grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen;
e.einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln.