Siedlungsgebiet und Infrastrukturen müssen vor Hochwasser geschützt werden. Das gilt vorwiegend im Alpenrheintal, Thurtal, Rhonetal, Aaretal usw. Seit der letzten Eiszeit füllen diese Flüsse die Talböden auf, mit Geschiebe und Feinmaterial. Die Ablagerung erfolgte in ständig sich verschiebenden (mäandrierenden) Fliessbewegungen über die ganzen Talböden. Pflanzenwachstum, Wälder und Wiesen haben in Jahrtausenden auf diesen aufgeschwemmten Geröllhalden jene Böden gebildet, auf denen heute Ackerbau betrieben werden kann.
Mit der Zunahme von Bevölkerung, Dörfern und Verkehrswegen mussten die bisher frei über die Talböden mäandrierenden Gewässer auf einen geeigneten Lauf eingeengt — eben «korrigiert» — werden. Korrigierte Flüsse haben deshalb keinen natürlichen Gewässerraum mehr.
Das Geschiebe richtig lenken
Auch für das Geschiebe musste damals eine Lösung gefunden werden. Mit Buhnen zur Uferbefestigung wurde der Wasserfluss im Randbereich abgebremst und zur gewünschten Linie des neuen «korrigierten» Flussbettes gelenkt. Das Geschiebe lagerte sich im Randbereich ab und stabilisierte dadurch seitlich den korrigierten Flussverlauf. Damit entstand ein korrigierter Flussquerschnitt mit einem engeren, tiefergelegenen Bereich, der mit genügend Zugkraft das Geschiebe immer in Bewegung hielt. Dieser verhinderte, dass Geschiebe sich ansammelt und den Abflussquerschnitt versperrt (verklaust) und somit bei Hochwasser nicht den Talboden überschwemmt.
Bei Hochwasser lagerte sich das in grösseren Mengen transportierte Feinmaterial im Bereich der Buhnen ab. Dies führte zur Auflandung der heutigen Vorländer, welche als gute Meliorationsböden der Ernährung dienen.
Intensivere Niederschläge verlangen heute, dass die Dämme, die vor mehr als 100 Jahren mit Schaufel und Pickel erstellt wurden, mit der heutigen Bautechnik nachgebessert und wo nötig bis zu einem Meter erhöht werden, um ein 100-jährliches Hochwasser sicher ableiten zu können.
Das Rad der Geschichte kann man nicht einfach zurückdrehen
In Unkenntnis dieser Entstehungsgeschichte wird heute verlangt, man solle, anstatt die Dämme nachzubessern, das Vorland wieder abschwemmen. Also alles rückgängig machen, um dadurch den Flussquerschnitt aufzuweiten. Diese Aufweitung könne dann sowohl dem Hochwasserschutz als auch der Renaturierung der Gewässer, insbesondere der Gewässerfauna, dienen.
Doch das ist ein folgenschwerer Irrtum: Durch das Herausreissen der Seitenverbauungen ändert sich die Zugkraft des korrigierten Flusses und führt folglich zu Verklausungen bzw. zu permanentem Baumaschineneinsatz.
Zudem können in den so aufgeweiteten Geröllhalden und dem dadurch geringeren Wasserstand die Fische bei den häufigeren Hitzewellen nicht überleben.
Schliesslich bewirken die «neuen Geröllhalden» einen ungefilterten Eintritt des Flusswassers, das bei Hochwasser unvorhersehbare Verunreinigungen mitführt, ins Grundwasser.
Eine gute eidgenössische Lösung wäre:
- Hochwasserschutz: Nachbesserung der Dämme
- Bodenschutz: Schutz der ertragreichen Ackerböden und kein Abschwemmen der Vorländer
- Grundwasserschutz: Erhalten der Filterwirkung der Vorländer und die örtliche Flusssohlenerosion sanieren
- Naturschutz und Gewässerschutz: Schaffen von Rückzugsorten, Laichplätzen und Fischgängigkeit entlang des korrigierten Flusses
Die Gesamtkosten könnten auf diese Weise drastisch auf einen Bruchteil des durch Flussaufweitungen ausgelösten Aufwandes gesenkt werden. Mit dem so eingesparten Geld kann das Budget für Massnahmen zum Schutz der Natur, insbesondere der Gewässerfauna, um ein Mehrfaches erweitert werden.
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