Welches sind aktuell Ihre Arbeitsschwerpunkte als Vizedirektor und Bereichsleiter «Wirtschaft und Internationales» der SMP?

Pierre-André Pittet: Das Thema «nachhaltige» Milch und die Entwicklung unserer Berichte zur Marktlage und zur Milchpreisstützung. Und dann muss der Richtpreis für Milch im A-Segment besser umgesetzt werden. Darüber hinaus beteilige ich mich aktiv an der Vorbereitung der Vorstandssitzungen und der Geschäftsführerkonferenz unserer Mitgliederverbände. Zudem vertrete ich die SMP in verschiedenen Gesellschaften und Organisationen.


«Warum nicht zur SMP gehen? Mit 52 Jahren kann man noch eine neue Herausforderung annehmen, und näher an der Basis sein.»


Sie waren während 20 Jahren in verschiedenen Funktionen für Emmi tätig. Wie kamen Sie zur SMP?

Die ersten zehn Jahre war ich Leiter der Affinage der Sortenkäse. In den anschliessenden zehn Jahren war ich für das Geschäftsbereichscontrolling der Division Schweiz zuständig. Seit jeher verfolge ich in der Presse, was in der Branche und in der Agrarpolitik, aber auch bei den Sortenorganisationen, bei der SMP und beim Schweizer Bauernverband (SBV) läuft. Als Sohn und Bruder von Landwirten und Milchproduzenten des Vallée de Joux schlug mein Herz schon immer für die Produzenten. Als Stephan Hagenbuch Direktor der SMP wurde, habe ich mir gesagt: «Warum nicht zur SMP gehen? Mit 52 Jahren kann man noch eine neue Herausforderung annehmen, und näher an der Basis sein.» Und da komme ich ja her.

Die SMP soll sich nach Auffassung ihrer Mitglieder für einen möglichst hohen Milchpreis und Mehrwert bei den Milchprodukten einsetzen. Wie sieht das aus?

Die SMP ist sehr stark in die Vorbereitung der Verhandlungen bei der BO Milch involviert, und dies mit einem nicht zu unterschätzenden Erfolg. Unser Milchpreismonitoring verschafft den Akteuren Transparenz und unterstützt den Milchpreis. Ohne die Unterteilung der Milch in die Segmente A, B und C würden den Milchproduzenten locker rund 120 Millionen Franken pro Jahr entzogen. Die SMP war eine treibende Kraft bei der Suche nach der Schoggigesetz-Nachfolgelösung und deren Annahme durch das Parlament. Gegenwärtig setzen wir uns in der BO Milch für bessere Regeln im Rahmen des LTO+-Milchpreises ein.

Trotzdem: Die Zahl der Milchproduzenten nimmt weiter ab. Sehen Sie ein Ende dieser Erosion? Ist die Milchproduktion in der Schweiz nicht zum Verschwinden verurteilt?

Der Strukturwandel findet statt. Aber er muss auf natürliche Weise – mit den Pensionierungen – erfolgen. Vielleicht sollte hier der Staat eine begleitende Rolle spielen. Die Milchmengen bleiben jedoch stabil. Die Situation ist wirklich paradox: Die Milchproduktion ist einer der Sektoren, der gegenüber dem Ausland am wettbewerbsfähigsten ist. Zugleich ist er der am stärksten liberalisierte Sektor und leidet zusammen mit dem Zuckersektor einkommensmässig am meisten darunter.


«Was mich nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass auch Grossbetriebe aus der Milchproduktion aussteigen.»


Was mich nachdenklich stimmt und was die Grossverteiler und Verarbeiter auf den Plan rufen muss, ist die Tatsache, dass auch Grossbetriebe aus der Milchproduktion aussteigen. Es besteht die grosse Gefahr, dass zu viele Betriebe die Milchproduktion in den nächsten fünf Jahren aufgeben. Aus diesem Grund will die SMP unbedingt, dass Korrekturen an der derzeitigen Agrarpolitik vorgenommen werden.

Welche Risiken sehen Sie für die Schweizer Landwirtschaft?

Auf der einen Seite üben die Exportindustrie und ein Teil der Politik Druck auf eine Grenzöffnung aus, ohne dabei die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile für unser Land quantitativ aufzuzeigen. Man beschränkt sich darauf, von Wachstum zu sprechen. Auf der anderen Seite wollen ein immer stärker wachsender Anteil der Bevölkerung und der Politiker die Landwirtschaft idealisieren, wie das die Trinkwasserinitiative zeigt. Die gleichen Personen verhalten sich aber nicht immer konsequent, wenn es darum geht, über die erforderlichen Bedingungen für den Import von Lebensmitteln oder Rohstoffen zu diskutieren.

Und wie soll die Landwirtschaft damit umgehen?

Sie muss immer häufiger erklären und gut kommunizieren wie sie produziert. Sie muss sich rechtfertigen, beruhigen, Fragen beantworten, während sich jene, die sie anprangern oder ihr widersprechen, damit begnügen, Staub aufzuwirbeln. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen in die Offensive gehen und die Oberhand zurückgewinnen.

Welche Prioritäten und Massnahmen müssen künftig von den landwirtschaftlichen Organisationen für eine würdige Schweizer Landwirtschaft ergriffen werden?

Das laufende Massnahmenpaket enthält gute Elemente: Landwirtschaft auf der Grundlage von Familienbetrieben, eine auf unseren Stärken und Vorteilen basierte Differenzierungsstrategie, Ausbildung, Basismarketing, Digitalisierung, verbesserte Produktionsmethoden im Bezug auch Nachhaltigkeit und Tierwohl, aber auch in Sachen Kosten, korrektere MwSt.-Besteuerung des Einkaufstourismus, Erhaltung des Grenzschutzes und Verbesserung der Lage der Zuckerrüben- und Milchproduzenten usw.


«Die Erhaltung der Landwirtschaft erfordert echte Anerkennung und Sensibilisierung der Konsumentenkreise und Politiker.»


Die Erhaltung der Schweizer Landwirtschaft spielt sich aber auch auf einer ganz anderen Ebene ab. Sie erfordert echte Anerkennung und Sensibilisierung der Konsumentenkreise und Politiker. Sie müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Warum nicht ein Rating für das «nachhaltige und verantwortungsvolle» Verhalten der Politiker erstellen? Was nämlich gerade mit dem Palmöl geschieht, ist ein sehr gutes praktisches Beispiel dafür. Es gibt noch viel Potenzial, das es auszuschöpfen gilt.

Interview Jean-Rodolphe Stucki