Herr Barth, der grüne Teppich als Branchenstandard reicht Ihnen nicht, um die Milchprodukte besser zu verkaufen. Warum nicht?

Wir finden es gut, dass sich die Branche mit dem grünen Teppich inhaltliche Anforderungen gestellt hat. Aus unserer Sicht ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wir glauben aber auch, dass noch mehr gemacht werden kann und muss; aber das ist ja schon angedacht.

 

«Viele Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit werden von den Milchproduzenten heute schon erbracht.»

 

Migros hat zuerst Standards definiert, und erst dann über Preise gesprochen. Emmi ist mit demselben Vorgehen gescheitert. Warum Migros nicht?

Über Mitbewerber äussern wir uns nicht. Für uns war es wichtig, das Programm mit den Produzenten und unter Einbezug der Wissenschaft sowie weiteren Akteuren zu entwickeln. Das Programm ist ambitioniert, aber es funktioniert, wird verstanden und kann kontrolliert werden. Erst damit haben wir die Grundlage geschaffen, um mit den Produzenten über Preise zu diskutieren.

Wie ist man in die Situation geraten, dass die Verarbeiter den Bauern sagen wollen und müssen, wie die Produktion auszusehen hat?

Viele Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit werden von den Milchproduzenten heute schon erbracht. Bisher wurde das aber nicht definiert und nur ungenügend kommuniziert. Erst jetzt entwickelt sich das Selbstbewusstsein aber auch die Einsicht, dass über Qualitätsmerkmale gesprochen und diese gegenüber den Endkonsumenten kommuniziert werden müssen.

 

«Die Alternative wäre Preiskampf; da können wir nicht mithalten.»

 

Das Ausland holt aber auf.

Das ist so. Im Ausland entstehen viele neue Produkte und Konzepte. Wie glaubwürdig diese sind, ist ein Thema für sich – wir wollten ein Programm schaffen, das Nachhaltigkeit in der Milchbranche gesamtheitlich betrachtet. Und wir zeigen, dass das machbar ist. Es ist kein Kraftakt, die Grundanforderungen zu erfüllen und die fünf Punkte aus den freiwilligen Modulen zu holen.

Reicht das, um gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu bleiben?

Das wird sich weisen. Wir haben uns entschieden, diesen Weg zu gehen. Die Alternative wäre Preiskampf; da können wir nicht mithalten.

Haben Sie keine Angst, dass die Produzenten mit der Vielfalt und Komplexität des Programms überfordert werden?

Uns war es wichtig, dass die Grundanforderungen die Glaubwürdigkeit nach unten absichern. Und bei den 400 Betrieben, die das Programm bereits in diesem Jahr umgesetzt haben, ist Anfang 2019 lediglich ein Update nötig. Wenn die Daten nämlich einmal erfasst sind, müssen nur noch die Änderungen zum Vorjahr aktualisiert werden. Der wiederkehrende Aufwand ist sehr gering.

Die BO Milch soll dem Vernehmen nach für die Ausgestaltung ihres Nachhaltigkeitsprogrammes auf die Migros-Lösung gewartet haben. Wie gross sind die Erwartungen, dass die BO Milch Ihrem System nun folgen wird?

Wir gehen weiter unseren Weg und machen das, was wir für unsere Kunden als wichtig erachten und unseren Lieferanten eine Perspektive bietet. Was andere Akteure daraus machen, möchte ich nicht kommentieren. Natürlich würde es uns freuen, wenn alle unserem Beispiel folgen und überdurchschnittliche Preise bezahlen würden.

 

«Für uns ist unser Vorgehen richtig, wir können mit gutem Gewissen dafür hinstehen, auch im Export.»

 

Das Interesse der Produzenten an den neuen Programmen ist relativ hoch. Aber wie ist es auf Seiten der Konsumenten?

Bei den Konsumenten gibt es solche, die sehr viel Wert auf die Produktionsweise und die Qualität von Produkten legen. Andere müssen auf die Preise achten. Die grosse Gruppe dazwischen besteht aus den sogenannten Pragmatikern. Diese wollen einen wettbewerbsfähigen Preis und gleichzeitig ein gutes Gewissen, mit ihrem Kaufentscheid etwas Gutes zu tun. Diesen bieten wir nach dem Motto «Ein M besser» Nachhaltigkeit zum gleichen Preis.

Warum ist es so schwierig und dauert so lange, den Konsumenten Milch mit Mehrwerten zu verkaufen?

Der Anspruch bei uns war, dass wir ein solides Programm aufstellen. Das benötigt Zeit. Wir wollten bewusst relevante Akteure in diesen Prozess mit einbeziehen. Ausserdem hat bisher noch niemand definiert, was nachhaltige Milchproduktion im schweizer Kontext heissen könnte. Insofern haben wir hier Pionierarbeit geleistet. Man hätte auch ein Konzept auf den Tisch knallen und es auf dem Markt testen können. Für uns ist unser Vorgehen richtig, wir können mit gutem Gewissen dafür hinstehen, auch im Export.

Wird Migros im Milchmarkt ein Exporteur?

Das steht schon zur Diskussion. Alleine preislich sind wir aber nicht wettbewerbsfähig. Die nachhaltige Milch ist eine Möglichkeit, Preisdifferenzen zu rechtfertigen. Das war bei unseren Arbeiten ein wichtiges Kriterium.

Interview Hansjürg Jäger