«Die Natur ist keine exakte Wissenschaft», sagt Markus Dietschi. Er sitzt am Küchentisch; vor ihm liegt ein Ordner, der mit Unterlagen gefüllt ist. Der Solothurner Landwirt nimmt am mehrjährigen Projekt PestiRed (Mehr zum Ablauf und den Zielen des Projekts) teil. Solche Dinge interessieren ihn, seine Leidenschaft ist der Ackerbau. Seinen Betrieb in Selzach bewirtschaftet er viehlos.

Wo es geht, erntet Dietschi selber

«Moment», sagt er, schaut auf sein Handy und steht auf. «Das muss ich jetzt noch schnell organisieren.» Der Vollblut-Ackerbauer ist neben der Bewirtschaftung seines Betriebs oft unterwegs. Aktuell gerade mit dem Mähdrescher. Jetzt herrscht Hochsaison. Eigentlich drescht er seine Parzellen nach Möglichkeit immer selber, aber genau die, um welche sich das Gespräch mit der BauernZeitungs-Redaktorin dreht, hat er nicht selber geerntet. Beim Erzählen hinterlässt Markus Dietschi den Eindruck, dass diese Fläche ihm auch nicht sonderlich viel Freude bereitet hat: Wintergerste ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM).

Die Erbsen gingen unter

Die kritisch wirkende Haltung liegt aber nicht daran, dass Dietschi zu dieser Parzelle nicht mit der Spritze ausrücken konnte, sondern vielmehr an der Art, wie sich die Fläche kurz vor der Ernte präsentiert habe. Nämlich stark verunkrautet. «Der Herbst war nass, zu nass, um eine mechanische Behandlung vornehmen zu können», erklärt er. Zudem sei von den Eiweisserbsen, die zusammen mit der Gerste gesät wurden, nicht mehr viel zu sehen gewesen. Zwar hätten sie im Frühling einen weiteren möglichen Zeitpunkt für eine mechanische Unkrautbekämpfung verhindert, aber im Dreschgut seien kaum mehr Erbsen sichtbar gewesen.

Nur die Hälfte des Ertrags im ersten Jahr

Ein unbefriedigendes erstes Jahr in einem sechsjährigen Versuch also? So will er das nicht stehen lassen, aber isoliert auf dieses erste Jahr betrachtet, sei das Projektziel, nämlich maximal zehn  Prozent des für den Betrieb üblichen Ertrags einzubüssen, tatsächlich nicht erreicht. «Wir haben rund 50 % des sonst üblichen Ertrags», ergänzt der Ackerbauer. Im Moment hat das keine finanziellen Folgen für die teilnehmenden Landwirte, denn der Ausfall wird von der Trägerschaft des Projekts kompensiert. Während der Projektphase wird das zudem mittels einer Kontrollparzelle auf den jeweiligen Betrieben überprüft. Diese bewirtschaften die Bauern aber, wie bis anhin für ihren Betrieb üblich.

Problem: Nachverunkrautung

Die Gerste auf der Versuchsparzelle war stark verunkrautet, begründet Markus Dietschi den Ertragsausfall von 50  Prozent. Im Plan der vorgegebenen Fruchtfolge folgt nun Mais. Als Erstes seien mehrere Durchgänge flacher Boden-bearbeitung angesagt. Bevor der Landwirt eine Zwischenkultur (200er-Mischung) sät, müsse er das Unkraut in den Griff bekommen. Die Nachverunkrautung sei ein Problem, sagt er und: «Das bereitet mir schon ein bisschen Bauchweh, das ist im kommenden Jahr nicht einfach so weg.» Unkräuter hätten sich verschiedene breitgemacht, aber insbesondere der Ackerfuchsschwanz ist auf Dietschis Parzelle ein Problem. Für ihn steht fest, die Gerste hätte alleine, also ohne Erbsen angebaut werden müssen, so hätte er im Frühjahr noch striegeln können. Eine weitere Problematik sieht er im Bereich des Markts. Denn, wer kauft das jetzt? Derzeit lagere die Ernte in einem Silo. Als viehloser Betrieb könne das Ganze nicht einmal zu Hause verfüttert werden und blockiere derzeit ein ganzes Silo. «Das sind die Nebenerscheinungen, die man bei solchen Versuchen einfach hat», weiss der Landwirt.

Standorte sind entscheidend

Dass der Anbau von Kulturen weitgehend ohne Pflanzenschutz funktioniere, beweise der biologische Landbau. Nur: «Die Standorte sind matchentscheidend. Bisher haben die meisten Betriebe freiwillig umgestellt. Das sind Betriebe, wo diese Bewirtschaftung funktioniert, sonst gaben sie diese wieder auf.»

So gäbe es einfach auch Betriebe, die nicht umstellen, weil der Boden dafür nicht die richtigen Voraussetzungen biete. Einfach gesagt, seien nasse Standorte generell benachteiligt, weil eine Bodenbearbeitung einfach schwieriger durchzuführen sei. «Ein Projekt wie PestiRed zeigt eben auch die Grenzen auf», ist er sicher. Daher habe es auch keine Überzeugungskraft gebraucht, dass er sich zum sechsjährigen Projekt angemeldet habe.

 

Mischkultur als PestiRed-Massnahme

Die Massnahmenpalette im Projekt PestiRed umfasst 24 Massnahmen. Davon sind fünf Grundmassnahmen und 19 spezifische Massnahmen. Zudem könnten noch weitere neue Massnahmen gemeinsam mit den beteiligten Betrieben entwickelt und umgesetzt werden.

Mehrere Kulturen auf der gleichen Fläche

Eine der spezifischen Massnahmen ist die Mischkultur, wie sie Markus Dietschi gesät hat (Wintergerste und Eiweisserbsen). Bei einer Mischkultur handelt es sich um den gleichzeitigen Anbau mehrerer Nutzpflanzensorten oder -arten auf einer gleichen Fläche. Beide Kulturen werden geerntet. Der gleichzeitige Anbau verschiedener Arten oder Sorten kann die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen vermindern (Verdünnungseffekt, physikalische Barriere). Mischkulturen erschweren die visuelle Pflanzenerkennung durch Schädlinge. Diese Methode wird heute vor allem im Biolandbau eingesetzt.

Zwei grosse Knackpunkte

Die grösste Herausforderung, wie sie auch Markus Dietschi beschreibt, besteht darin, erntbare (unterschiedliche Frühreife, Sortierung des Erntegutes) und vermarktbare (Aufkauf durch die Sammelstellen) Mischkulturen zweier Arten anzubauen.

Wo sind die Grenzen?

«Wir müssen der aktuellen Entwicklung auch ins Auge schauen», sagt Markus Dietschi. Die PSM müssten reduziert werden, dennoch ist er sicher, es brauche sie auch weiterhin, nicht zuletzt solcher Standorte wegen, wie er ihn bewirtschaftet. «Wir müssen die Frage nach den Grenzen beantworten können, und zwar rasch. Was ist möglich und was nicht? Wo können wir ohne Pflanzenschutz arbeiten und wo eben nicht?» Erst wenn solche Fragen vollumfänglich beantwortet würden, sei eine entsprechende Aufklärung der Bevölkerung überhaupt möglich. «Zu sagen, wir wollen keinen Pflanzenschutz mehr, ist falsch», ist Dietschi aber überzeugt.

Die Landwirtschaft befinde sich in der Defensiven. «Das ist immer schlecht», so der Ackerbauer. «Unsere Aufgabe ist es, radikale Ansichten zu brechen.» Das funktioniere nur mit Information und nie mit Konfrontation. Projekte wie PestiRed gäben die Grundlagen, Argumente zu belegen. So gewinne das Ganze nicht einfach an Wissenschaftlichkeit, sondern auch an Glaubwürdigkeit.

Raps wird schwierig

Derzeit glaubt Markus Dietschi auf seiner «Versuchshektare» noch nicht an die vom Projekt vorgegebenen Ziele. Wenn er sich an die Vorgaben der 75 %-Reduktion im Pflanzenschutz halte, werde es schwierig, nur mit zehn Prozent weniger Ertrag zu rechnen. «Nun ist das erste Jahr vorüber, es folgen noch fünf, ein Jahr ist kein Jahr», erklärt er. Die Königsdisziplin, der Rapsanbau, komme auf seiner Parzelle erst im letzten Anbaujahr der Versuchsphase. «Der Insektendruck bei Raps ist derart hoch, es ist schwierig, dort ohne Pflanzenschutz ein vernünftiges Resultat zu erzielen», mahnt Dietschi. «Ich bin gespannt», schliesst er. Und: Das müsse die Landwirtschaft einfach sein, denn eine Bereitschaft zur Veränderung sei der einzig gangbare Weg.

Weitere Informationen: www.pestired.ch