In der alten Mühle von Melior hoch über dem Bahnhof Herzogenbuchsee BE sitzt Sandra Glauser vor ihrem Computer und beantwortet E-Mails. Im Sommer schliesst sie ihre Ausbildung zur Agrotechnikerin ab. Eine gute Ausbildung, wie sie findet. Schon um sieben Uhr ist sie im Büro, damit sie für den Aussendienst da sein kann. Anliegen gebe es schon morgens früh. «Die Bürozeiten sind regelmässig, das war schon eine Umstellung zum Arbeiten auf dem Hof», erklärt die gelernte Landwirtin. Als sie auf dem Lehrbetrieb mit Milchkühen arbeitete, musste sie schon um halb sechs im Stall stehen. Bei Melior arbeitet die 22-Jährige seit eineinhalb Jahren im Bereich Beratung.

Praktische Ausbildung

Im Büro ist es ruhig, es herrscht ein angenehmes Arbeitsklima, nur leises Tippen von den zwei anderen Mitarbeitenden ist zu hören. «Es ist super, dass ich neben der Ausbildung arbeiten kann», meint Glauser und strahlt. Das sei einer der Hauptgründe gewesen, warum sie sich für die Ausbildung zur Agrotechnikerin am Inforama in Zollikofen BE entschied. Auch während der Schultage sei der Unterricht praktisch. Etwa gebe es Referenten aus der Praxis oder die Klasse gehe auf Exkursionen auf Bauernhöfe. Der Lehrgang sei sehr breit, neben Allgemeinbildung, Pflanzenkunde und Tierhaltungs-kursen seien auch die ­Unternehmensführung und das Finanzmanagement von grosser Bedeutung.

Geborene Beraterin

Für Sandra Glauser war nach der Ausbildung zur Landwirtin klar, dass es nicht die Endstation ist. «Ich habe mich schon im dritten Lehrjahr umgeschaut, was ich weiter machen wollte», führt sie aus, ihre braunen Haare glänzen dezent, die grünen Augen leuchten. Sie wirkt natürlich und kompetent. Auf alle Fragen geht sie mit einer Selbstverständlichkeit ein, wie sie wohl wenige in ihrem Alter haben. «Bei den Beratungen bleiben manchmal schon noch Fragen offen, da wende ich mich dann an meinen Chef», so Glauser. Viele Arbeiten erledigt sie am Computer. Sie beantwortet E-Mails, gibt telefonische Auskünfte oder erstellt Auswertungen. Es geht ums Futter, um die Mastleistungen der Schweine, um die Tageszunahmen der Munis. «Wir unterstützten den Landwirt dabei, den optimalen Futtereinsatz zu erreichen», erklärt Glauser.

 

Agrotechniker-/in

Agrotechnikerinnen und Agrotechniker sind in vielen Bereichen zu finden. Meist übernehmen sie Leitungs- und Fachaufgaben in landwirtschaftlichen und landwirtschaftsnahen Organisationen. Hier finden Sie alle Infos zur Ausbildung.

 

Optimierungen auf dem Hof

Auch auf dem Betrieb der Eltern in Breitenegg BE konnte Sandra Glauser ihr Wissen schon anwenden. An den Wochenenden arbeitet sie dort auf dem Hof mit, als Ausgleich zum Bürostuhl und der Schulbank. Ihr Bruder übernimmt den Familienbetrieb, aus diesem Grund hatte sie auch nach einer anderen Ausbildung als zum Beispiel Betriebsleiterin gesucht. «Es ist für mich total in Ordnung, dass er den Betrieb übernimmt, was ich jetzt mache, finde ich sehr spannend», meint Sandra Glauser. Auf dem Betrieb der Eltern hat sie etwa beim Futtereinsatz der Milchkühe bereits Optimierungen umgesetzt. Es sei gar nicht immer leicht, sich mit Änderungen bei Vater und Bruder durchzusetzen. «Am Anfang wollen sie meist nichts davon hören, aber dann schaffe ich es doch, sie zu überzeugen», sagt die junge Frau schmunzelnd.

Männer sind unkomplizierter

Widerstand erlebte Sandra Glauser schon in der Ausbildung zur Landwirtin. Es gab nur wenige Frauen und da lernte sie, sich durchzusetzen. In ihrer Agrotechniker-Klasse sind von 18 Lernenden nur vier Frauen dabei. Das stört Glauser aber nicht. «Ich fand es immer toll, mit mehr Männern in der Klasse zu sein», meint sie. Die seien einfach unkomplizierter. Generell seien Landwirte und Landwirtinnen eher bodenständig. Während der Ausbildung zur Agrotechnikerin traf sie viele nette Menschen – ein Netzwerk, dass ihr für das zukünftige Arbeitsleben bleibt.

«Landwirte sind bodenständig und locker»

Sandra Glauser, angehende Agrotechnikerin

 

Pause in Kanada

Gelassen erklärt Sandra Glauser ihre Arbeit und zeigt die Räumlichkeiten, ihre Begeisterung ist stark spürbar. Die Ausbildung entspreche voll ihren Erwartungen. Doch auch Herausforderungen gebe es einige. «Fleissarbeiten, am Computer oder für die Ausbildung, sind manchmal anstrengend», meint sie. Bis zum Diplom seien es schon drei strenge Jahre. Da bleiben Hobbies wie Skifahren oder Ausflüge am Wochenende schon mal auf der Strecke. «Aber es ist ja absehbar, drei Jahre und dann kann man arbeiten», so Glauser. Direkt nach der Ausbildung zur Landwirtin stürzte sie sich in die Ausbildung zur Agrotechnikerin. Das sei vielleicht etwas schnell gewesen. «Wenn man dazwischen ein bis zwei Jahre arbeitet, kann man noch mehr Berufserfahrungen sammeln und dann von der Agrotechniker-Ausbildung mehr profitieren», so Glauser. Auch eine kleine Verschnaufpause hätte ihr wohl nicht geschadet, meint sie. Im kommenden September hat sie es dann aber geschafft und das Diplom in der Hand. Und was dann? Erstmal gönne sie sich sieben Wochen Ferien in Kanada. «Danach will ich hundert Prozent bei Melior arbeiten», sagt sie freudig. Mit dem höheren Pensum könne sie dann auch Beratungen bei den Landwirten vor Ort machen. Generell sei dies das Schönste an ihrem Beruf: die Landwirte mit Beratungen weiterzubringen.

 

Serie: Landwirt(in) - und dann?

In der Artikel-Serie zur Aus- und Weiterbildung zeigen wir, welche Chancen die Weiterbildung in der Landwirtschaft eröffnet. Wir zeigen die Weiterbildungswege, die mit dem Erwerb des Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses offenstehen. Und wir zeigen, was die Berufs- und Meisterprüfung bringen können.

Alle Artikel der Serie unter bauernzeitung.ch/weiterbildung2020