«Ich habe nicht gewusst, dass der Beruf Müller noch existiert», sagt Remo Schmid. Eines Besseren belehrt wurde der junge Mann aus ­Pfungen ZH, als er in der Coop-Bäckerei in Gossau SG eine Schnupperlehre als Lebensmitteltechnologe absolvierte.

«Ich habe gefragt, woher das Mehl kommt.» Die Antwort lautete: «Aus der Swissmill in Zürich». Er erkundigte sich daraufhin, welche Lehrberufe es bei dem Tochterunternehmen von Coop gebe. Eine weitere Schnupperlehre später war ihm klar: Ich werde Müller.

Erstaunte Gesichter

Etwas anders lief es bei Daniel Fricker aus Horgen ZH, der im ersten Lehrjahr ist. «Ich wollte etwas mit Lebensmitteln machen und fand den Beruf auf einer Liste des Berufsbildungszentrums.» Frickers Vater, gelernter Molkerist, kannte die Swissmill ausserdem bereits von einem Tag der offenen Tür.

Dass sie bisweilen auf Erstaunen stossen, wenn sie ihre Berufswahl erwähnen, sind sich Remo Schmid und Daniel Fricker gewohnt. Es gehe vielen ähnlich, wie Remo Schmid damals, sie wüssten schlicht nicht, dass es den Beruf noch gibt. «Oder», so Schmid, «sie haben ganz falsche Vorstellungen. Sie denken zum Beispiel, es sei immer noch ähnlich wie in ‹Max und Moritz›.»

118 Meter hohes Getreidesilo

Doch mit der Mühle aus dem Kinderbuch von Wilhelm Busch hat der Arbeitsort der beiden nicht mehr viel zu tun. Swissmill ist ein eindrücklicher Betrieb. Das 118 Meter hohe Kornhaus, das 2016 fertiggestellte Silo, ­dominiert die Skyline von Zürich. Es ist das zweithöchste Gebäude der Stadt und der höchste Kornspeicher der Welt.

200'000 Tonnen Getreide

200'000 Tonnen Getreide werden hier jährlich vermahlen und über 100 verschiedene Mehle, Griesse, Flocken, Mischungen und Spezialitäten hergestellt. Weichweizen, Hartweizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Mais werden verarbeitet - 30 Prozent des Getreides, das in der Schweiz für Nahrungsmittel benötigt wird. Der Löwenanteil davon bringt die Bahn. Gerade wird dafür ein weiteres Gleis gebaut.

Es riecht nach Mehl

Die Swissmill ist streng genommen nicht nur eine Mühle: Zwei Mühlen für Weichweizen, je eine für Hartweizen, Mais und Hafer sowie eine Spezialitätenmühle und zwei moderne Steinmühlen sind hier in Betrieb. Rund tausend Maschinen und Anlagen stehen in den Produktionshallen im Einsatz. Es ist warm wegen der vielen Maschinen und riecht intensiv nach Getreide und Mehl. «Ein Müller mit Berufserfahrung kann aufgrund des Geruchs genau sagen, welches Getreide gerade verarbeitet wird», erklärt Remo Schmid auf einem Rundgang.

Hoch technisierter Beruf

Die Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt. Bis 1970 marschierten die Müller von Maschine zu Maschine und drückten überall einzeln Knöpfe und drehten Schalter. Dann folgten zentralisierte Lämpchen und Knöpfe auf einem riesigen Schaltschrank. Ab Mitte der 1980er Jahre schliesslich verschiedene Automationsschübe, Mitte der 1990er-Jahre ein computergesteuertes Leitsystem. Heute können die Müller per Mausklick alle Lagerungs- und Produktionsabläufe exakt steuern und überwachen.

Affinität für Maschinen

«Man braucht für eine Lehre als Müller auf jeden Fall technisches Verständnis», sagt Daniel Fricker. Ausserdem brauche es Freude am Naturprodukt, ergänzt Remo Schmid. Sieben junge Menschen lernen bei Swissmill aktuell Müller(in) EFZ, darunter eine Frau. In der Berufsschule in Flawil SG, die in Blockkursen besucht wird, stehen Fächer wie Mathematik, ­Maschinenkunde, Warenkunde und Ernährungslehre auf dem Stundenplan. «Hier gibt es Berührungspunkte zur Landwirtschaft. Wir lernen zum Beispiel ganz genau, wie das Korn wächst», sagt Daniel Fricker.

Vom Korn zum Mehl

In der Mühle sind die Müller bei jedem Arbeitsschritt vom Korn bis zum Mehl dabei. Es beginnt mit der Getreideannahme. «Die Qualitätssicherung ist ein wichtiger Teil. Wir nehmen immer wieder Proben für unser hausinternes Labor», erklärt Remo Schmid.

«Netzen», damit Körner aufquellen

Nach der Annahme wird das Getreide grob gereinigt. Stroh, Spelzen, Steine und Erdknollen können zum Beispiel mit angeliefert worden sein. Danach wird das Getreide eingelagert und später feingereinigt und nach Grösse sortiert. Nun wird es «genetzt» und 24 Stunden in einer Silozelle eingelagert. Das zugegebene Wasser lässt die Körner aufquellen und bereitet sie auf den Vermahlungsprozess vor. So lasse sich die Schale später leichter vom Mehlkern lösen, erklärt Remo Schmid.

Farbe bestimmen

Jetzt durchläuft das Getreide den Vermahlungsprozess, unter anderem die Walzenstühle, was früher einmal der Mühlstein gewesen ist. Alle zwei Stunden nehmen die Müller eine so genannte Pekar-Probe und bestimmen die Farbe des Mehls gegen ein Vergleichsmuster. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf Qualität und Mineralgehalt ziehen.

«Qualitätsschwankungen beim Getreide lassen sich zum Beispiel durch die Herstellung von Mischungen ausgleichen», sagt Remo Schmid. «Müller sind bestrebt, dass der Bäcker jedes Jahr die gleiche Mehlqualität erhält», ergänzt Daniel Fricker.

Stolz auf lange Tradition

Der Beruf Müller(in) ist – aller Technik zum Trotz – immer noch ein Handwerk. «Wir haben eine lange Tradition, auf die wir stolz sind», sagt Silochef und Lehrlingsausbildner Hans Schmid, seit 1995 bei Swissmill. Auf Teamausflügen bringt er Lernenden gerne die jahrhundertealte Geschichte des Handwerks näher.

Müller(in) EFZ mag ein eher unbekannter Beruf sein, aber Remo Schmid und Daniel Fricker sind überzeugt von ihrer Wahl. Beide wollen nach der Lehre auf dem Beruf bleiben. «Mehl ist ein Grundnahrungsmittel und fast überall enthalten», sagt Fricker.

Die Welt steht Müllern offen

«Genau, Müllerinnen und Müller wird es deshalb immer brauchen», hält Schmid fest. Er hat durch die Corona-Krise eine etwas spezielle Lehrabschlussprüfung hinter sich. Die schriftliche Prüfung konnte nicht stattfinden, stattdessen zählen die Noten aus der bisherigen Lehrzeit. «Ich hätte gerne eine normale Abschlussprüfung gehabt, aber was soll man machen.»

Remo Schmid wird nun das zusätzliche Lehrjahr als Futtermüller anhängen. Anschliessend kann er sich, genau wie Daniel Fricker, vorstellen, die schweizerische Müllereifachschule in St. Gallen zu besuchen. Nach dem dortigen Abschluss ist man Müllereitechniker(in). Mühlen gibt es auf der ganzen Welt – deshalb besteht für Müller die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten. Ausgebildete Müller(innen) EFZ sind in der gesamten Lebensmittelbranche gefragte Fachkräfte.

 

Gute Gesundheit gefragt

Die Lehre zur Müller(in) EFZ dauert drei Jahre und findet je nach Fachrichtung in einer Mühle oder einem Mischfutterwerk statt. Müller(innen) verarbeiten Getreide zu Mehl oder Tiernahrung. Sie sind zuständig für die Qualitätskontrolle, Reinigung und Lagerung der Rohstoffe sowie für das Mahlen, Verpacken und Versenden der Produkte.

Angehende Müller(innen) sollten Freude an Naturprodukten sowie ein Interesse an biologischen, physikalischen und chemischen Vorgängen und Maschinen haben. Weiter sind technisches Verständnis, ein gute Hygienebewusstsein, eine gute Gesundheit (keine Allergien) und ein guter Geruchs- und Tastsinn wichtig.

Im ersten Lehrjahr verdienen Müller rund 850 Franken, im zweiten 1100 und im dritten 1400 Franken.

Weitere Informationen zur Lehre als Müller(in) EFZ im Internet unter: www.mueller-in.ch, www.swissmill.ch