Zwei junge Politikerinnen des Vereins Landwirtschaft mit Zukunft eröffneten das Agrarpolitikforum der HAFL in Zollikofen mit klarem Ton: «Wir wissen, dass wir oftmals als naiv wahrgenommen werden, weil wir an die Gesellschaft appellieren, endlich zu handeln», stellte Jelena Filipovic, Mit-gründerin des Vereins, klar. Die jungen Frauen fordern einen Systemwandel innerhalb der Landwirtschaft und Ernährung, der «sozial, bäuerlich und agrar­ökologisch» gestaltet werden soll. Zudem fordern sie ein grundlegendes Umdenken: Die Landwirtschaft solle nicht getrennt von Gesundheit, Ernährung, Klima, Umwelt und Handelspolitik betrachtet werden. Der Moderator des Forums fragte Jelena Filipovic zum Anschluss an ihr kurzes Referat : «Wenn Sie eine Forderung an die aktuelle agrarpolitische Situation hätten, was wäre das?», worauf sie antwortete: «Mut. Ich wünsche mir mehr Mut für neue Ideen und Mut, den Jungen zuzuhören.»

Von Aktivismus und Vagheit

Mit diesem Wunsch wurde das Wort an Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), übergeben. Trotz der vielen Herausforderungen habe man vieles erreicht und die Kalorienproduktion aufrecht halten können, fasst Hofer kurz zusammen. Er erwähnte den anstehenden und bereits aktiven Strategiewechsel des BLW, welcher aus ganzheitlichen Ernährungsansätzen gestaltet werden müsse. Thema war auch die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Nach Christian Hofer trat Katrin Schneeberger, Direktorin Bundesamt für Umwelt (Bafu), ans Mikrofon. Sie stellte die Fragen «Was essen wir? Wie und wo produzieren wir?». Dabei rechnete Schneeberger vor, dass eine Flexitarierin ähnlich viel zur Umweltentlastung beiträgt wie ein Vegetarier.

Nachhaltigkeit nur für Reiche?

Aus dem Publikum kam die Frage, ob die zuständigen Bundesämter an den Direktzahlungen festhalten werden, obwohl der betroffene Produzent und die junge Generation zunehmend unzufrieden damit seien und vor allem der Detailhandel Gewinne abschöpft. Man wich der Frage eher aus, als konkrete Anhaltspunkte zu geben und schob es auf die To-Do-Liste der Politik. Ebenfalls fragten Teilnehmerinnen, ob gesunde Nahrung nicht nur für Wohlhabende verfügbar sei. Gemäss einigen Studien sei gesunde Nahrung nur minim teurer als ungesunde, antwortete Michael Beer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.

Margen und Meinungen

Danach machte das Forum Platz für HAFL-Studierende: Sie stellten sich die Frage, welche politischen Massnahmen bestehen, um den Bioabsatz zu steigern – respektive, warum die Margen bei Labelprodukten so hoch sind. Oder wie man den Anatz «Nose-to-Tail» (Deutsch: Nase bis Schwanz) in der Fleischverarbeitung besser umsetzen könnte. Dazu diskutierten Martina Munz (Nationalrätin SP), Marcel Dettling (Nationalrat SVP), Ruedi Noser (Ständerat FPD), Markus Ritter (Nationalrat, Die Mitte) und Adèle Thorens Goumaz (Ständerätin Grüne Schweiz) auf dem Podium des Forums.

Zu den hohen Margen: Gemäss Martina Munz (SP/SH) könne es nicht sein, dass der Detailhandel die Kaufbereitschaft von ökologisch-denkenden Konsumentinnen ausnütze, um möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Sie forderte die Kosteninternalisierung bei Produkten. Dies würde die wahren Kosten eines Produkts abbilden und auf den Konsumenten umwälzen.

Markus Ritter (Die Mitte/SG) ist sich bewusst, dass die Detailhändler die Kaufbereitschaft und die Kaufkraft sehr genau kennen. «Die Verteilung der Margen und die Frage, wer wie viel vom Konsumentenfranken bekommt, ist eine Frage der Marktmacht und der Durchsetzungsfähigkeit der Interessen», so Ritter. Da Landwirtinnen sehr breit aufgestellt sind und nur wenigen Abnehmern gegenüber stünden, gebe es logischerweise ein Gefälle. Dies habe sich in den letzten Jahren aber verbessert. «Man muss aber ständig Druck machen. In der Politik und im Markt gibt es keine Geschenke, man muss sich alles erkämpfen», betonte Markus Ritter.

Marcel Dettling (SVP/SZ) machte auf den Einkaufstourismus aufmerksam: «Wenn wir am Preis schrauben, gehen die Leute über die Grenze». Biolandwirtschaft bekomme schon heute mehr Direktzahlungen – die Politik fördere dies bereits stärker. Dettling warnte vor einem künstlichen Eingriff in den Markt.

Zum hohen Fleischkonsum: Dazu äusserste sich Markus Ritter wie folgt. «Wir leben in einem liberalen Land, haben gleichzeitig viele Verpflichtungen, Militär, Arbeitsplatz. Aber essen dürfen wir noch, was wir wollen. Und beim Schweizer Bauernverband sind wir der Meinung, wenn sich jemand vegan ernähren will – auch wenn das nicht gesund ist – ist das seine Entscheidung. Und vegetarisch, ebenfalls seine Entscheidung. Aber wenn jemand Fleisch essen will, ist das auch seine Entscheidung. Ich glaube, die Produktion kann die Konsumentenschaft nicht erziehen – das sind unsere Kunden. Wenn wir sie erziehen, weichen sie aus. Die Folge ist der Einkaufstourismus. Ich glaube, wir tun gut daran, auf den Markt zu hören und das zu produzieren, was gefragt ist».

Die Redner(innen) scheinen also nicht bei allen Ansichten das Heu auf derselben Bühne zu haben, aber zumindest stehen sie auf einer und es findet ein Dia­log statt, wie auch Katrin Schneeberger vom Bafu angemerkt hatte. Das Fazit des Forums ist wohl, dass für eine nachhaltige Ernährung nicht nur die Landwirtschaft, sondern die ganze Wertschöpfungskette gefordert ist.

Hier finden Sie die Videos, die die Studierenden im Rahmen des Moduls Agrarpolitik zusammenstellten.