Das ist zwar eine Fettwiese, sie ist aber arten- und blütenreich und der häufigste naturnahe Lebensraumtyp im zentralen Mittelland. (Bild Roman Graf / Vogelwarte)VogelwarteStudie: Warum es zwar genug Biodiversitätsförderflächen hat, deren Qualität aber nicht stimmtMontag, 23. November 2020 Bereits heute dienen 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Förderung der Biodiversität. Diese Zahl wird etwa vom Schweizer Bauernverband (SBV) im Vorfeld zur Biodiversitäts-Initiative betont. «Jedoch gibt es noch Raum für Verbesserungen in Bezug auf die Qualität der Flächen», räumt der SBV ein.

Arten und Struktur

Zu diesem Fazit kamen bereits mehrere Untersuchungen. Eine Studie der Vogelwarte und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau mit Daten von 2009 bis 2011 kam zum Schluss, dass viele Biodiversitätsförderflächen (BFF) aufgrund ihrer Artzusammensetzung oder fehlender Strukturierung nicht als naturnahe Lebensräume bezeichnet werden können. Ähnliche Resultate lieferte der Zustandsbericht des Biodiversitäts-Monitorings des Bundes für den Zeitraum von 2015 bis 2019. «Die Biodiversität im Kulturland steht stark unter Druck, und eine generelle Erholung ist nicht feststellbar», fasst Martina Schybli zusammen. Die Mediensprecherin der Vogelwarte weist aber auf das schaffhausische Klettgau als Gegenbeispiel hin: Dort hätten Landwirte regional hochwertige BFF mit über 5 Prozent BFF-Anteil im Ackerbau angelegt – mit positiver Wirkung. So bevölkern heute z. B. Feldhasen, Schwarzkehlchen und Dorngrasmücken die abwechslungsreiche Landschaft.

Um etwas zu verbessern, müssen die Gründe für die mangelnde Qualität von BFF angegangen werden. Die Studie der Vogelwarte nennt die folgenden, die zum Teil bereits in den Fokus gerückt sind.

Nährstoffüberschuss: Reduktionsziele im Rahmen des Absenkpfads sind beschlossen.

Mangelnde Ausbildung und Beratung: Die laufende Revision der landwirtschaftlichen Grundbildung könnte für Verbesserungen genutzt werden.

Mängel im Fördersystem: Der Bund hat ab 2024 die Beiträge für QI gesenkt, um vermehrt Qualität zu fördern. Ausserdem sollen die Förderinstrumente dank der Fusion von Vernetzungs-projekten und Landschaftsqualitäts-beiträgen (LQB) wirksamer werden.

Mangelnde Unterstützung bei Aufwertungsprojekten: Hier bräuchte es gemäss Vogelwarte zielgerichtete Beiträge für das Neuschaffen naturnaher Lebensräume in Kombination mit einer Fachberatung.

Mangelnde Motivation: Viele Landwirte würden die BFF vor allem als Pflichterfüllung sehen. Zusätzlich gebe es die Ansicht, Biodiversität und Produktion seien Gegensätze.

Nach wie vor sei die Beratung der Landwirt(innen) vielerorts zu wenig auf die Biodiversität ausgerichtet, sagt Martina Schybli. Das politische Hin und Her um die Biodiversität im Ackerland habe ausserdem nicht unbedingt zu einer Verbesserung beigetragen: «Es gibt nach wie vor engagierte Landwirte und Landwirtinnen, aber auch Personen, deren Motivation gelitten hat», so die Beobachtung der Vogelwarte-Expert(innen). Als Gründe für Letzteres sieht Schybli eine nicht ausreichend konsequente Unterstützung für Biodiversitätsfördermassnahmen und fehlende Planungssicherheit. «Bedauerlich ist, dass die öffentlichen Stimmen in bäuerlichen Kreisen, die sich für eine aktive Biodiversitätsförderung ein-setzen, zunehmend verstummen», bemerkt Schybli.

Fusion als Chance

[IMG 2]Mit der Fusion von LQB und Vernetzung soll ein neues Instrument unter dem Namen «Regionale Biodiversität und Landschaftsqualität» entstehen. In einem kürzlich erschienenen Evaluationsbericht zu den LQB ist von einer Vereinfachung für die Betriebsleitenden die Rede, da die geförderten Massnahmen überblickbarer würden. Ausserdem empfiehlt man die Einführung von Bonusbeiträgen für eine bessere Vernetzung von Flächen und Lebensräumen sowie gesamtbetriebliche Biodiversitäts- und Landschaftsberatungen. «Wenn es gelingt, praxistaugliche und wirksame Vorgaben zu definieren, sehen wir durchaus Chancen für eine Verbesserung», kommentiert die Vogelwarte-Sprecherin die geplante Beitragsfusion. Jedenfalls biete sich hier die Gelegenheit, Ziellücken etwa bei Beratung, Qualitätsanforderungen an Massnahmen, räumlicher Verteilung und Vernetzung zu beheben.

Da die erfolgreiche Förderung der Biodiversität viel Wissen erfordert, betont nicht nur die Vogelwarte wiederholt die Wichtigkeit der Beratung. Diese sei aber bisher auch noch nicht ausreichend bekannt bei den Be-wirtschafter(innen), gibt Martina Schybli zu bedenken. «Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt: Informationen darüber, wo man sich für die Biodiversitätsberatung anmelden kann und welche Kosten sowie welcher Nutzen damit verbunden sind, sollten auf-gezeigt werden». Sie fügt weiter an, dass artenreiche Ökosysteme deutlich widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen seien, weshalb die Biodiversität für die Landwirtschaft der Zukunft zentral sei.

«Fast überall sinnvoll»

AboHolzzäune sind eine beliebte Massnahme für die Landschaftsqualitätsbeiträge. Ob diese Massnahme nach dem Zusammengehen von Landschaftsqualität und Vernetzung noch Bestand haben wird, wird sich weisen. TagungFusion Landschaftsqualität und Vernetzung: Was bleibt? Was kommt?Montag, 20. November 2023 Aber wo ansetzen, um BFF qualitativ besser zu machen? Eine erste Anlaufstelle biete die Website Agrinatur (siehe Link unten), so die Vogelwarte. Dort gibt es zahlreiche Merkblätter, Videos und eine Liste erfahrener Beratungspersonen. «Weiter empfehlen wir, die kantonalen Beratungsstellen und landwirtschaftlichen Schulen zu kontaktieren», sagt Martina Schybli.

Einen Eindruck davon, was zur Aufwertung von BFF unternommen werden kann, geben die Kästen auf dieser Doppelseite. Massnahmen für die Biodiversität beschränken sich indes nicht auf BFF – eine allgemein schonende Bewirtschaftung leistet ebenfalls einen wichtigen Beitrag. «Kleinstrukturen bieten zahlreichen Tieren Deckung, Nahrung sowie Stellen zur Aufzucht der Jungen», ergänzt Martina Schybli, «sie sind fast überall sinnvoll, wo es die Bewirtschaftung zulässt.» Wichtig sei, dass die Elemente vernetzt seien. Ausserdem dürfen Kleinstrukturen und Rückzugsstreifen je maximal 20 Prozent Flächenanteil von BFF einnehmen.

Viele Infos und Links zu Merkblättern: www.agrinatur.ch


Hecken: Besser nicht an einem Stück

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Als linienförmige Struktur in der Landschaft tragen Hecken besonders zur Vernetzung bei und dienen z. B. Fledermäusen zur Orientierung. An Hängen schützen Hecken ausserdem vor Erdrutschen und helfen bei der Wasserretention. Wer eine neue Hecke an-legen will, sollte sich eingehend damit beschäftigen und sich allenfalls beraten lassen, denn es gibt verschiedene Heckentypen und die Ansprüche gemäss Direktzahlungsverordnung (DZV) sind einigermassen komplex. Im Folgenden einige allgemeine Punkte.

Standort: Flächen mit tiefer Produktivität, aber ökologisch wertvollen Magerwiesen und Böschungen meiden. In offenen Landschaften nur Nieder-hecken (maximal 3 m hoch) anlegen.

Grösse: Mehrere 10 m lange Abschnitte sind wertvoller als eine Hecke ohne Unterbruch, optimal sind 100 bis 150 m Gesamtlänge.

Pflanzenwahl: Mindestens 30 Prozent Dornengehölz wird empfohlen, je nach angestrebter Funktion der Hecke und den Standortverhältnissen aus einheimischen und regional-typischen Arten auswählen.

Pflege: Die DZV schreibt ein Intervall von mind. 8 Jahren vor. Nieder- und Hochhecken brauchen aber häufigere Pflegemassnahmen (Schnitt), um ihre Struktur und Artenvielfalt zu erhalten.

Verbessern: Artenarme oder einförmige Hecken können von einem radikalen Rückschnitt der dominierenden Art profitieren. Anschliessend mit verschiedenen Sträuchern ergänzen. Ast- und Steinhaufen sind sinnvolle Ergänzungen einer Hecke.

Zu beachten ist, dass Hecken per Bundesgesetz unter Schutz stehen. Die detaillierten Vorgaben zu Schutz und Pflege legen die Kantone oder Gemeinden fest.


Ast-, Stein- und Sandhaufen: Überlegt anlegen

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Einen Haufen Material aufzuschichten, klingt banal, kann aber wirkungsvoll sein: Asthaufen bieten Versteck- und Nistgelegenheiten für Kleinsäuger, Insekten und Amphibien, in Steinhaufen finden zusätzlich Reptilien Unterschlupf und viele Wildbienenarten brauchen Sandhaufen (oder offene Bodenstellen). Damit diese Kleinstrukturen funktionell sind und nicht nur ein ärgerliches Hindernis, müssen Materialwahl, Standort, Aufbau und Pflege stimmen.

Grösse je nach Art
Ein Asthaufen ist in ungestörter Umgebung und in der Nähe von strukturreichen Lebensräumen wie Hecken oder Obstgärten zu platzieren. Das hat den Vorteil, dass beim Schnitt von Bäumen oder Sträuchern anfallendes Material nicht weit transportiert werden muss. Ideal sind gut besonnte und windgeschützte Stellen.

Grösse: Optimum hängt von der geförderten Tierart ab. Mindestens 1 m Krautsaum.

Material: Kein Gartenabfall oder Nadelholz. Stattdessen z. B. grobe und feine Äste, Stämme, Wurzelstöcke, Heu, Schilf, Laub.

Aufbau: Abwechselnd sperriges und feines Material, dichte Bereiche und grössere Zwischenräume schaffen.

Pflege: Regelmässig aufstocken und von hoher Vegetation frei halten.

Zuerst ein Loch graben
In Grösse, Standort und Pflege stimmen Ast- und Steinhaufen mehrheitlich überein. Letzterer braucht aber einen Unterbau: Empfohlen wird ein 40 bis 80 cm tiefes Loch, der Untergrund soll gelockert und die Erde mit lehm-haltigem Sand, Kies oder Mergel gemischt werden. Beim Bauen mit grossen Steinen anfangen und dann verschiedene Grössen und Formen verwenden, aber keinen Bauschutt.

Nicht aus dem Baumarkt
Für einen Sandhaufen braucht man etwa 3 m2 Material, das aus der Um-gebung und nicht aus dem Baumarkt kommen sollte. Der Krautsaum misst hier 2 m, die Entkrautung erfolgt von Hand und der Haufen soll etwa 50 cm tief eingegraben werden. 


Einzelbäume: Gern gesehen, aber nicht ganz überall

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Einzelbäume im Kulturland bieten weidenden Tieren Schatten und erfreuen Spaziergänger. Gleichzeitig sind sie Nistplatz und Sitzwarte für Vögel und an ihnen können sich verschiedene Flechten-, Moos- und Pilzarten ansiedeln. Geeignet sind neben Obstbäumen zum Beispiel auch Eichen, Linden, Weiden oder Nadelbäume, die im höheren Alter jeweils ihre charakteristische Kronenform ausbilden. Je nach Art sind die Standortansprüche unterschiedlich, Einzelbäume machen sich aber etwa an Parzellengrenzen oder Aussichtspunkten gut. Empfohlen werden im Fall von Hochstämmern möglichst feuerbrandrobuste Sorten und ein frostsicherer Standort.

Um als BFF anrechenbar zu sein, muss ein Einzelbaum folgende Bedingungen erfüllen:

Abstand: Mindestens 10 m zwischen zwei anrechenbaren Bäumen.

Düngung: Verboten unter dem Baum und im Umkreis von mindestens 3 m.

Pflanzenschutzmittel: Keine erlaubt.

Nicht zu den Lerchen
Weiter sind abgesehen von der DZV Pflanzabstände zu Strassen oder Nachbargrundstücken zu beachten. Ausserdem sollten Bäume nicht in offene Kulturlandschaften, wo Feldlerchen vorkommen, gepflanzt werden. Das gilt auch für artenreiche Wiesen, der Baumschatten gefährde die Pflanzenvielfalt.

Tot, aber wertvoll
Jungbäume brauchen Schutz vor Mäusefrass, Verletzungen durch Maschinen oder das Abfegen durch Wild- und Weidetiere. Totholz ist wichtig für viele Insekten. Daher sollten ältere, abgestorbene Bäume belassen werden – sofern kein Verletzungsrisiko besteht


Teiche und Tümpel: Wasser braucht es nicht zu jeder Zeit

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Kleine Wasserflächen sind in der Landschaft heute selten, vernetzen aber grössere Gewässer, bieten Lebensraum und insbesondere für Amphibien einen Platz zur Fortpflanzung. Für die Biodiversität gilt es als ideal, wenn mehrere Tümpel in unterschiedlicher Grösse und Tiefe nahe beieinander angelegt werden. Um als Laichgebiet zu dienen, muss von Mai bis August Wasser vorhanden sein. Wenn die Wasserstelle einmal oder mehrmals jährlich ausserhalb dieser Zeit austrocknet, kann das sogar Vorteile haben, denn solche temporären Gewässer weisen weniger räuberische Insekten auf. Diese dezimieren den Nachwuchs verschiedener Amphibienarten.

Standort: Sonnig mit Bodensenke auf feuchtem oder undurchlässigem Boden (tonhaltig, kompaktiert).

Grösse: Keine Vorgaben, der Pufferstreifen muss aber mindestens 6 m gross sein. Darauf sind Einzelstockbehandlungen von Problempflanzen (ab dem vierten Meter vom Wasser her) erlaubt. Nährstoffeinträge sind unbedingt zu vermeiden.

Pflege: Nur Teilbereiche im Herbst von überschüssigem Pflanzenmaterial befreien. So bleiben Rückzugsorte für die Bewohner des Kleingewässers erhalten.

Baubewilligung: Je nach Grösse, Standort und Abdichtung sind Tümpel, Teiche oder Weiher bewilligungspflichtig. Dies ist bei der Gemeindeabzuklären.


Botanische Zusammensetzung: Die richtige Nutzung machts

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Damit es nächstes Jahr bunt blühtÖkowiesen im Herbst mähen, um für mehr Biodiversität zu sorgenDonnerstag, 13. Oktober 2022 Bei der botanischen Aufwertung angemeldeter extensiv oder wenig intensiv genutzter Wiesen gilt es abzuklären, ob die vorgesehenen Massnahmen zulässig sind bzw. eine Sonderbewilligung brauchen. Letzteres ist z. B. bei einer Verlegung wegen eines ungeeigneten Standorts oder einer Neuansaat der Fall.

Um das Aufwertungspotenzial zu bestimmen, gibt es von Agridea einen entsprechenden Schlüssel im Merkblatt «Der Weg zu artenreichen Wiesen». Besteht Potenzial, können folgende Massnahmen helfen:

Nutzung: Die DZV schreibt den Schnittzeitpunkt je nach Höhenzone vor. Ideal ist eine Nutzung, wenn die Samen des Leitgrases reif sind. Schnittgut ist abzuführen.

Bodenheu: So bleiben die Samen auf der Wiese.

Mosaikartige Nutzung: Artenreiche und weniger üppige Stellen wie Böschungen später als den Rest der Wiese mähen, um von der Versamung zu profitieren.

Übersaaten: Davon wird abgeraten. Sie seien nur sinnvoll bei starken Schäden durch Wildschweine oder Mäuse oder bei lückigen, niedrig wachsenden Beständen.

Oft wird das «Aushungern» von BFF-Wiesen diskutiert. Während die Diversität auf Fromental- und Gold-haferwiesen (wenig intensiv genutzte Wiesen) von einer gelegentlichen Düngergabe profitieren kann, vertragen extensive Wiesen mit Aufrechter Trespe keine Düngung. Angesichts der verlängerten Vegetationszeit gilt unter Fach-leuten ein fehlender letzter Schnitt als eine wichtige Ursache für eine Vergrasung und damit einen Artenverlust.