Der Guetacherhof hat eine lange Geschichte, die Betriebsleiter sind bis ins Jahr 1380 bekannt. Heute gibt es das Logo dieses geschichtsträchtigen Hofs in vier Ausführungen: jeweils mit einer Kornähre, einer Kuh, einem Schwein und drei Bäumen. «Früher hatte ein typischer Betrieb im Mittelland ein wenig von allem», erklärt Thomas Steiner. Im Falle seines Familienbetriebs ist es dabei geblieben. «Ich bin eher am Optimieren als daran, einen Betriebszweig aufzugeben, auszubauen oder einen neuen anzufangen», sagt der Berner. Bei diesem Optimieren spielen technische Helfer eine wichtige Rolle – in diverser Form (siehe Kästen unten).
Auf einen Blick
Auf Thomas Steiners Hof sind folgende technischen Helfer im Einsatz:
- Shelly-Stromzähler am Futtersilo der Schweine (früher Ardunio-Steuerungssystem für Phasenfütterung, jetzt auf Breifütterung mit Automat statt Suppe umgestellt).
- Temperatursensor am Milchtank.
- Wetterstation (Wind, Temperatur, Luftfeuchte), Regenmesser.
- Home Assistant (auf dem Handy) zeigt Diagramme, z. B. Übersicht zu Solarstrom, Stromverbrauch Haushalt und Betrieb, Daten aus dem Bodenmessnetz (Bodenfeuchtigkeit).
- Smaxtec-Boli.
- 4 Kameras über Abkalbebox.
- Kraftfutterstation Itin + Hoch CFS-Milk.
- AgOpenGPS zum Nachrüsten (siehe Link unten), Korrektursignal für RTK von der HAFL.
- E-Feldkalender (zeigt ablaufende Zulassungen, berechnet Inventar).
- Redonline (Stierenwahl basierend auf LBE-Daten der Kühe).
-Wlan auf dem ganzen Hofgelände.
Weitere Informationen zu AgOpenGPS: centipede.fr
Praktisches Ziel
Wenn Thomas Steiner über die Technik spricht, ist seine Begeisterung spürbar. Vieles hat er aus frei zugänglichen Systemen oder Teilen selbst zusammengefügt. Man muss schon sehr technikaffin sein, um seinen Erläuterungen im Detail folgen zu können. «Das Wissen darüber habe ich zum Beispiel aus Youtube-Videos und Online-Tutorials», erläutert der Landwirt und Agronom. Alle Daten aus Ställen, dem Wohnhaus, vom Scheunendach und teilweise aus dem Internet kommen auf Steiners Smartphone im Home Assistant zusammen. Geübt scrollt er sich durch die Flut von Diagrammen. Sie geben ebenso Aufschluss über die Wiederkautätigkeit jeder Kuh, die Windrichtung, die Leistung der Solaranlage oder den Stromverbrauch im Schweinestall wie die Temperatur im Milchtank oder die Bodenfeuchtigkeit. Für Letzteres wird das öffentliche Bodenmessnetz aus dem Internet angezapft. «Mein Vater ist auch ein Technikfan», erzählt der Berner, «er interessierte sich aber eher fürs Schweissen und Werkstattarbeiten». Im Gegensatz dazu befasst sich Thomas Steiner mit dem digitalen Verknüpfen, Automatisieren, Messen und Datenauswerten. Es sei sowohl ein Hobby – und damit bis zu einem gewissen Grad eine Spielerei –, aber mit dem Ziel einer Arbeitserleichterung.
«Das Wissen dafür habe ich etwa aus Youtube-Videos und Tutorials.»
Thomas Steiner ist Landwirt und Agronom, aber kein gelernter Programmierer oder Mechaniker.
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Journal auf Papier
Zwar schätzt Thomas Steiner seinen Home Assistant auf dem Smartphone und möchte auch den E-Feldkalender nicht missen. Der informiere ihn schliesslich zuverlässig über auslaufende Zulassungen. «Es ist auch für mich trotz meiner Tätigkeit in der Fachstelle Pflanzenschutz nicht einfach, den Überblick zu behalten», gibt er zu. Ausserdem erstelle der Feldkalender automatisch ein Inventar. Es muss für den 34-Jährigen aber nicht alles digital sein. «Das Auslaufjournal führe ich auf Papier», bemerkt Steiner. Da sehe er den Zusatznutzen einer digitalen Version für sich nicht. Ebenfalls eher traditionell mutet der Verkauf von Rohmilch direkt ab Hof an, den Steiners nach der Schliessung der Dorfkäserei und der Aufgabe der Milchproduktion auf dem Nachbarbetrieb übernommen haben. «Zur Kundschaft gehören viele ältere Leute, aber es gibt auch jüngere und wir können auf diese Weise ohne grossen Aufwand oder eigene Verarbeitung direktvermarkten», schildert der Landwirt. Rund 150 Liter Milch werden so pro Monat verkauft, wobei Steiner vor allem den Kontakt zu den Endkunden schätzt, den die anderen Betriebszweige weniger erlauben würden. Einen Unterschied zu den früheren Zeiten, als man die Milch noch in der Käserei geholt hat, gibt es allerdings. «Bei uns kann man mit Twint bezahlen», sagt der Landwirt schmunzelnd.
Anderes Projekt
Es stellt sich die Frage, warum in Thomas Steiners Stall nicht schon lange ein Roboter melkt. «Das habe ich mir schon überlegt», meint der Landwirt. Im Moment stehe aber ein anderes Projekt im Vordergrund, nämlich der Ausbau des Fernwärmenetzes des Guetacherhofs. Schliesslich trägt der Betrieb nicht umsonst auch Bäume im Logo. Zu erwähnen wäre ausserdem die Energieproduktion per Solaranlage mit 90 kW Peak-Leistung. «Das liefert die doppelte Strommenge unseres Eigenbedarfs», so Steiner. Wenn es sich wirtschaftlich lohnen würde, wäre ein Ausbau der Solarstromproduktion auf dem 400-m2-Dach des Schopfs möglich. Da bleibt also sicher genug Strom, um – bei Bedarf – noch ein paar technische Helfer mehr mit eigener Energie zu versorgen.
Betriebsspiegel Guetacherhof
LN: 22 ha, 3 ha Wald
Kulturen: Kartoffeln, Zuckerrüben, Silomais, Weizen, Grasland
Tierbestand: Rund 30 Milchkühe (H, RH und SF), 105 IPS-Mastschweine
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Eltern, 1 Lehrling. Thomas Steiner arbeitet 40 Prozent auf der Fachstelle Pflanzenschutz in Zollikofen, Claudia Steiner erledigt die Büroarbeit.
Weiteres: Verkauf von Rohmilch ab Hof, Wärmeverbund mit Holzschnitzelheizung, Solaranlage.
Daten aus dem Pansen und von der Stalldecke
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Im Kuhstall des Guetacherhofs haben die Milchkühe Zugang zu einem Laufhof und je nach Jahreszeit und Wetter zur nahen Weide. Gemolken wird in einem älteren Fischgräten-Melkstand, bei dem allerdings einige Teile (z. B. die Pulsatoren) neuer sind.
Kraftfutterstation: Die Holzverschalung lässt es nicht vermuten, aber die Kraftfutterstation CFS-Milk der Firma Itin + Hoch hat es in sich. Damit lasse sich einerseits die Futtergabe pro Tier und Tag programmieren und pro Besuch mengenmässig begrenzen, sie weise aber auch den Verbrauch in Kilo aus. «So weiss ich für die Futterbestellung, wie viel Platz noch im Silo ist», erklärt Thomas Steiner.
Kameras: Um alle Bereiche der Abkalbebox auch aus der Ferne im Blick haben zu können, sind an der Decke vier Kameras installiert.
Boli: Alle Milchkühe haben einen Smaxtec-Bolus im Pansen, der kontinuierlich Daten wie Körpertemperatur, aufgenommene Wassermenge, Wiederkautätigkeit und Bewegung aufzeichnet. Dies dient der Früherkennung von Gesundheitsproblemen, Brunst und Abkalbung.
Redonlie: Um den passenden Stier für seine Kühe zu finden, verlässt sich Thomas Steiner auf die Berechnungen von Redonline, dem Herdenmanagement-System von Swiss Herdbook. «Ich gebe Stiere ein, welche gesext erhältlich sind; mit den Daten aus der Linearen Beschreibung sucht das Programm die ideale Besamung», erklärt Steiner das Vorgehen.
Milchtank: Da die Wand des Tanks isoliert ist und ein Sensor im Inneren aus Hygienegründen nicht in Frage kommt, ist einer am Hahn angebracht. Der zeige zwar nicht die genaue Temperatur der Milch, räumt Steiner ein. Man würde damit aber schnell merken, wenn die Kühlung ausfiele.
Stromzähler ersetzt Blick ins Futtersilo
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Die Ferkel bezieht Thomas Steiner vom Zuchtbetrieb in der Nachbarschaft, seine Mast entspricht den Richtlinien von IP-Suisse. Bis vor Kurzem war im Schweinestall ein Ardunio-Steuersystem für die Phasenfütterung im Einsatz. Ardunio-Teile kann man als Bausatz im Internet kaufen und die zugehörige Open-Source-Software selbst programmieren. So habe das Nachrüsten auf Phasenfütterung – die der bestehende Fütterungscomputer nicht hätte umsetzen können – lediglich 10 Franken gekostet.
Shelly-Stromzähler: Mittlerweile haben Steiners aber von der Suppenfütterung auf einen Breiautomaten umgestellt. Das Futter dafür mahlen sie nicht mehr wie früher auf dem Betrieb selbst, sondern kaufen es zu. «Das Silo ist aus Blech und man sieht kaum, wie viel noch drin ist», sagt Thomas Steiner. Daher hat er am Silo einen intelligenten Shelly-Stromzähler angebracht. «Jetzt muss ich nur noch die richtige Kalibrierung finden, um den Stromverbrauch in die Futtermenge umzurechnen», so der Landwirt.
Antenne auf dem Dach, Zahnrad am Lenkrad
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Auf dem Guetacherhof kommt ein kleiner 250er-Fendt fürs Ziehen der Dämme und Legen der Kartoffeln zum Einsatz. Da Steiners nicht im All-in-one-Verfahren pflanzen, bringt die GPS-Lenkung hier einen Vorteil. «Wir können so präziser arbeiten und verringern grüne Knollen», sagt Thomas Steiner.
RTK-GPS: Beim Nachrüsten des Fendts hat der Agronom eine günstigere Variante gewählt, ein AgOpenGPS-Set eingebaut und mit einer RTK-Antenne kombiniert. Das Smartphone sorgt für die benötigte Internetverbindung. Eine kleine Box mit zwei Platinen empfängt die GPS-Position, das RTK-Signal liefert die nötigen Korrekturdaten, um den Standort des Traktors auf wenige Zentimeter genau zu bestimmen. Ein Kabel führt zum Traktorrad und misst den Winkel für die automatische Steuerung, die via ein ans Lenkrad geklapptes Zahnrad erfolgt.
Korrektursignal: Die Basisstation für die selbst verbaute RTK-Antenne von Thomas Steiner ist an der HAFL in Zollikofen. Mit dem nötigen Wissen und günstigem Material (siehe oben) kann im Prinzip jeder im Umkreis von maximal 50 km vom Korrektursignal einer solchen frei zugänglichen Basisstation profitieren. Neben der HAFL gibt es in der Schweiz noch eine Handvoll weiterer Stationen, die auf centipede.fr zu finden sind.
Bei der selbst gebauten Version von GPS-RTK entfallen die üblichen Lizenzgebühren von 600 bis 2000 Franken pro Jahr, dafür ist man in Sachen Installation und Service auf sich allein gestellt. «Ich habe zweimal mit einem Kollegen einen Workshop für Bauern durchgeführt, um ihnen zu zeigen, wie man die Antenne zusammenbaut», erzählt Thomas Steiner. Auf seine Initiative sei nun als Zusammenarbeit zwischen HAFL und dem Verband Schweizer Landtechnik ein eintägiger Kurs zum eigenhändigen Nachrüsten mit RTK-GPS bzw. dem Bau einer RTK-Basisstation geplant.
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