Der Herbst zeigt sich dieses Jahr von seiner wüchsigen Seite und beim Mähen kommt eine ansehnliche Menge Gras zusammen. Eine Herbstmahd macht allerdings nicht nur für futterbaulich genutzte Flächen Sinn, sondern auch auf Ökowiesen. Denn entgegen der verbreiteten Meinung, extensive Wiesen würden mangels Düngung aushungern und daher an Artenvielfalt einbüssen, soll ein solcher Verlust vielmehr an einem fehlenden letzten Schnitt liegen.  

Mehr Platz für Kräuter und Blumen

Wie Nicole Inauen vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen im «St. Galler Bauer» beschreibt, lässt sich Gras in Ökowiesen mit einer Hebstnutzung zurückdrängen: Es geht weniger hoch und verholzt in den Winter, was die Bildung von Grasfilz verhindert. Das wiederum bedeutet einen lockereren Bestand, der mehr Licht und Raum und somit bessere Keimbedingungen für die Kräuter im Frühling bietet. «Wenn Gräser dominieren und schon sehr hoch stehen, dann ist ein Herbstschnitt zielführend», fasst Véronique Chevillat vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zusammen.

Weiden hilft, genügt aber nicht immer

Das ist zwar eine Fettwiese, sie ist aber arten- und blütenreich und der häufigste naturnahe Lebensraumtyp im zentralen Mittelland. (Bild Roman Graf / Vogelwarte)VogelwarteStudie: Warum es zwar genug Biodiversitätsförderflächen hat, deren Qualität aber nicht stimmtMontag, 23. November 2020 Feldversuche der Agrofutura AG bestätigten die positive Wirkung einer Herbstnutzung von extensiven und wenig intensiv genutzten Wiesen. Bei trockenen Verhältnissen sei ein Schnitt auch im Oktober sinnvoll, schreibt Nicole Inauen. Eine schonende Herbstweide wirke sich ebenfalls positiv auf die Blumenvielfalt von Ökowiesen aus, reiche aber nicht immer aus, um Gräser zu unterdrücken. Dies, weil die Weidetiere altes Gras meiden und somit verholzte Halme stehen bleiben.

Echte Magerwiesen vertragen keine Düngung

Die Dominanz von Gräsern lässt sich demnach mit dem richtigen Schnittregime brechen, aber nicht generell durch eine Düngergabe. Eine solche ist auf extensiven Wiesen nicht erlaubt. «Echte Magerwiesen an trockenen Hängen sind durch eine extensive Nutzung ohne Düngung entstanden», gibt Nicole Inauen zu bedenken. Angesichts der verlängerten Vegetationszeit scheine ein fehlender letzter Schnitt die wichtigere Ursache für eine Vergrasung zu sein. Eine extensive Wiese mit aufrechten Trespen und Orchideen z. B. brauche weder eine Düngung, noch vertrage sie eine solche, bestätigt Véronique Chevillat. Anders sehe es aus in einer Fromental- oder Goldhaferwiese, deren Diversität von einer gelegentlichen Düngergabe profitieren könne. Dazu muss die Fläche allerdings als wenig intensiv genutzte Wiese angemeldet werden.

Eine Ummeldung einer vernetzten extensiven in eine vernetzte wenig intensiv genutzte Wiese kann sich finanziell lohnen, wenn damit die Qualitätsstufe II gehalten werden kann, rechnet Inauen vor.

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Auch eine Folge des Klimawandels

Dass das Gras im Herbst noch so gut wächst und als Filz im Frühjahr die oben beschriebene unterdrückende Wirkung auf Kräuter entfaltet, hängt mit dem Klimawandel zusammen. Die verlängerte Vegetationsphase macht sich bemerkbar und ein Schnitt später im Jahr gewinnt an Bedeutung. Das Problem der Unternutzung hat aber laut Véronique Chevillat auch mit der Lage von Ökowiesen zutun – das Mähen z. B. in schwer zugänglichen Hanglagen ist aufwändig, weshalb dort häufig der zweite Schnitt weggelassen werde. Auch ein früherer Beginn der Herbstweide, vor dem aktuell gesetzlich vorgeschriebenen Stichdatum am 1. September, damit den Tieren noch jüngeres Gras zur Verfügung stünde, wäre gemäss der FiBL-Beraterin keine allgemeine Lösung. «Wenn die Wiese nur einmal am 15. Juni gemäht worden ist, ist das Gras im Oktober alt. Nicht aber, wenn sie im August nochmals genutzt worden ist», erläutert sie. Es liege nicht am Zeitpunkt der ersten Beweidung, sondern der Nutzung allgemein, dass gewisse Ökowiesen an pflanzlicher Artenvielfalt einbüssen.

Zielorientiert bewirtschaften

Mehrere Schnitte pro Jahr vorzuschreiben, hält Chevillat für ebenso wenig zielführend. Denn damit riskiere man, dass alle Wiesen gleichbehandelt werden. «Da es aber verschiedene Wiesentypen gibt, muss man sie unterschiedlich und orientiert an den jeweiligen Entwicklungszielen bewirtschaften», betont die Beraterin. Eine sehr magere Trespenwiese mit Orchideen sei beispielsweise für nur einen Schnitt pro Jahr geeignet, eine wüchsige Fromentalwiese hingegen könne dreimal gemäht werden.

Für Unterschlupf zum Überwintern sorgen

In jedem Fall sollte ein jährlich versetzter Rückzugsstreifen auch bei der Herbstnutzung nicht vergessen gehen. Die auf 10 Prozent der Fläche stehen gelassenen Gräser und Kräuter bieten einen Rückzugsort für Schmetterlinge und andere Insekten: Sie überwintern als Ei, Larve oder Puppe in den alten Halmen und sind dank dieser Massnahme bereit, die hoffentlich bunte Wiese im Frühling neu zu besiedeln.