Zurück auf den Hof der Eltern? Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Hanni Pestalozzi hatte bereits Mitte des letzten Jahrhunderts klare Vorstellungen, was Selbstbestimmung heisst. Vor allem aber setzte sie sich für die Ausbildung der Bäuerinnen ein.

Geboren wurde Hanni Pestalozzi 1905. Sie verbrachte ihre Kindheit als Bauerntochter auf dem Hofberg, einer Anhöhe auf dem Gebiet der Stadt. Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin in Fribourg. Anschliessend arbeitete sie ein Jahr lang in Florenz in einem Hotel.

Fachfrau für Hauswirtschaft

Doch dann wurde ihre Arbeitskraft auf dem Hof der Eltern benötigt. Sie willigte ein, heimzukehren – unter einer Bedingung: Künftig sollten an Stelle der erwachsenen Feriengäste Kinder aufgenommen werden. Die Eltern waren einverstanden. In der Folge verbrachten im Laufe der Jahre unzählige Mädchen und Buben Ferien in ländlicher Idylle. Hanni Pestalozzi selbst blieb zeitlebens unverheiratet und kinderlos.

In der wirtschaftlich schwierigen Zeit um den Zweiten Weltkrieg war sie als beratende Fachfrau für Hauswirtschaft und Heimarbeit gefragt. Für dieses Thema engagierte sie sich bis 1980, wenige Jahre vor ihrem Tod.

Anfänge des Kurswesens

In vielen Dörfern des Kantons St. Gallen entstanden damals Bäuerinnenvereinigungen, die oft von Hanni Pestalozzi selbst angeleitet wurden. Kursthemen waren in den Anfängen vor allem Selbstversorgung, ausgewogene Ernährung, Vorratshaltung und Gartenbau. Später folgten Flicken, Nähen und Ändern von Kleidern. Um das oft spärliche bäuerliche Einkommen aufzustocken, instruierte sie die Frauen zudem über die Möglichkeiten für Heimarbeit.

Pestalozzi erkannte, dass angehende Bäuerinnen, damals vor allem Bauerntöchter, eine systematische hauswirtschaftliche Ausbildung brauchen. Mit acht Schülerinnen begann sie auf dem heimischen Hof eine erste Klasse zu unterrichten. Später entstanden Ableger ihrer Schulungen in verschiedenen Regionen. In Zusammenarbeit mit der Berufsberatung entwickelte sich daraus eine strukturierte Ausbildung mit Lehrverträgen, Prüfungen und anerkannten Diplomen. 1938 legten erstmals drei junge Frauen auf dem Hofberg ihre Lehrabschlussprüfung ab. [IMG 2]

Beratende Stimme

Im Weiteren war Hanni Pestalozzi als Referentin und Beraterin ausserhalb des Kantons St. Gallen tätig. Sie hielt unter anderem Vorträge am damaligen Radio Beromünster. Sie regte etwa den Einbau von Badezimmern in Bauernhöfen an und die Einrichtung von Tiefkühlmöglichkeiten in den Gemeinden.

Auch bei der Planung von Ausstellungen brachte sie ihre beratende Stimme ein, etwa 1958 für die Ausstellung für Frauenarbeit Saffa in Zürich, an der Expo 1964 in Lausanne wie auch für die alljährliche Olma in St. Gallen. Durch das Engagement wurde auch der Schweizerische Landfrauenverband auf die Expertin aufmerksam. Von 1946 bis 1952 präsidierte ihn Hanni Pestalozzi. Bis 1967 war sie Vorstandsmitglied. Darüber hinaus war sie als Vermittlerin von Hilfskräften auf Bauernhöfen bekannt und sie richtete eine Hilfskasse für Bäuerinnen ein.

Fonds für Landwirte

[IMG 3] Die Stadt Wil verlieh Hanni Pestalozzi 1981 das Ehrenbürgerrecht für ihr Lebenswerk. Kurz vor ihrem Tod im Frühjahr 1986 richtete sie testamentarisch eine bis heute bestehende Stiftung ein. Zu deren Zwecken gehört die Weiterbildung von Bäuerinnen und Bauern, die Unterstützung von Bauernfamilien in finanzieller Bedrängnis sowie von Bäuerinnen, die wegen Überlastung oder Krankheit eine Familienhilfe benötigen.

Seit 1988 wird die ehemalige Wirkungsstätte von Hanni Pestalozzi als therapeutische Wohngemeinschaft für erwachsene Frauen und Männer mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt.