Laut dem Bundesamt für Statistik BFS gab es 2019 80'469 Ziegen in der Schweiz. Das Herdebuch des Schweizerischen Ziegenzuchtverbands SZZV zählt 28'534 Ziegen verschiedener Rassen. Nicht einmal 2000 davon sind männlich, schliesslich geben Böcke keine Milch. Produkte aus Ziegenmilch wurden in den letzten Jahren immer beliebter, und damit die Haltung von Milchziegen attraktiver. 

Die Kuh des armen Mannes kann was

Ziegen sind genügsame Tiere und eher klein im Vergleich zu einer Kuh. Sie sind aber sehr vielseitig einsetzbar: Ziegen verschiedener Rassen liefern Milch, die zwar in der Zusammensetzung Kuhmilch sehr ähnelt, durch die Caprinsäure (eine Fettsäure) aber einen ganz eigenen Geschmack erhält.

Beim Ziegenfleisch ist vor allem das Fleisch von Jungtieren (Gitzi im Alter von sechs bis zwölf Wochen) beliebt. Das Fleisch älterer Ziegen wird laut SZZV meist zu Rohwürsten verarbeitet oder getrocknet. Gitzi- und Ziegenfleisch gelten als gesund, mild im Geschmack, kalorien-, fett- und cholesterinarm. 

Neben Milch und Fleisch gibt es von Ziegen auch Fell und Leder, das beispielsweise für Taschen Verwendung findet.

Meckernde Landschaftspfleger für die Biodiversität

Da Ziegen gut klettern können, geländegängig sind und gerne Knospen, Rinde und  Blätter fressen, sind die Tiere laut Pro Specie Rara wertvolle Landschaftspfleger. Sie helfen dabei, auch in unwegsamem Gelände Wiesen offen zu halten, in dem sie aufkommende Büsche und Bäume zurückdrängen. Dadurch erhalten Ziegen den Lebensraum vieler wilder Pflanzen- und Tierarten. 

Drei Schweizer Hauptrassen

Der SZZV unterscheidet zwischen Hauptrassen und gefährdeten Ziegenrassen. Zu Ersteren gehören die Saanenziege, die Toggenburgerziege und die Gämsfarbige Gebirgsziege, die alle in der Schweiz häufig gehalten werden. Hinzu kommen drei Ziegenrassen, die zwar hierzulande vorkommen, im Gegensatz zu den anderen aber ihren Ursprung im Ausland haben: Anglo Nubian, Burenziege und Tauernschecken.

Die folgende Zusammenstellung basiert auf den Informationen des Schweizerischen Ziegenzuchtverbands und Pro Sepcie Rara. 

Saanenziege: Die beste für die Milchproduktion 

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Mit gut 5'800 Tieren ist die Saanenziege die zweithäufigste Ziegenrasse im Herdebuch des SZZV. Sie stammt aus dem Berner Saanenland im Obersimmental und hat ein rein weisses Fell. Saanenziegen erbringen hohe Milchleistungen und gelten als wirtschaftliche Rasse. Daher schätzt man die Saanenziege auch im Ausland für die Zucht. Da Saanenziegen –im Vergleich zu anderen Rassen – besonders hohe Leitungen erbringen, stellen sie gehobene Ansprüche an Haltung und Fütterung. 

Toggenburgerziege: Mit «Swiss markings» und Mäntelchen

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Obwohl es der Name vermuten lässt, werden Toggenburgerziegen heute längst nicht mehr nur im St. Gallischen Toggenburg gehalten, sondern schweizweit und auch im Ausland. Die rassentypische weisse Fellzeichnung im Gesicht bezeichnet man im englischsprachigen Raum als «Swiss markings». Das Fell der Toggenburgerziege ist am Rücken und den Schenkeln länger, und bildet das sogenannte Mäntelchen. Die Rasse ist wie die Saanerziege gut geeignet für die Milchproduktion. Züchterisch legt man Wert auf ein gutes Fundament, dass also beispielsweise die Beinstellung korrekt ist und die Beine gut bemuskelt sind.  

Gämsfarbige Gebirgsziege: Die häufigste 

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Das Fell der Gämsfarbigen Gebirgsziege ähnelt tatsächlich jenem von Gämsen. Es ist reh- bis kastanienbraun mit schwarzen Abzeichen am Kopf und en Beinen sowie einem feinen Alstrich vom Kopf bis zum Schwanzansatz. Dass die Gämsfarbige Gebirgsziege heute schweizweit die häufigste Ziegenrasse ist, lässt sich mit ihrer hohen Milchleistung und den überdurchschnittlichen Milchgehalten (Fett und Eiweiss) erklären. Ausserdem sind die Tiere sehr anpassungsfähig und somit auch für die Haltung im Talgebiet geeignet. 

Appenzellerziege: Mit natürlichem Glöckchen am Hals

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Typisch für diese Ziegenrasse sind die sogenannten Glöckchen oder Berlocken, bei denen es sich um Hautanhängsel an der Halsunterseite handelt. Ihr wuschelig-langes weisses Fell wurde der Appenzellerziege einst beinahe zum Verhängnis. Wie Pro Specie Rara schreibt, wurde diese Rasse nach dem zweiten Weltkrieg einerseits im Zuge der landwirtschaftlichen  Industriealisierung und andererseits von anderen Ziegenrassen mit kürzerem Haarkleid verdrängt. Diese waren nämlich pflegeleichter. Dabei gehört die aus den gleichnamigen Halbkantonen stammende Appenzellerziege charakterlich zu den ruhigeren Gemütern. Im von der Milchwirtschaft geprägten Appenzell wird noch immer Ziegenkäse aus der Milch der Appenzellerziegen hergestellt, die von den Tieren in beachtlicher Menge produziert wird. 

Bündner Strahlenziege: Für Milch aus steilem Gebiet

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Die Bündner Strahlenziege gilt noch heute als vom Aussterben bedrohte Ziegenrasse. Sie stellt wenig Ansprüche an ihr Futter und ist sehr berggängig. Somit liefern Bündner Strahlenziegen gute Milchmengen auch aus schwer zugänglichem Gelände. Ihre Trittsicherheit macht die schwarz-weissen Ziegen ausserdem zu guten Landschaftspflegern im Kampf gegen die Verbuschung. Auch das Fleisch von Bündner Strahlenziegen wird gegessen, was sie zur Dreinutzungsrasse macht. 

Nera Verzasca: Gross und freiheitsliebend

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Lange Hörner, ein einheitlich schwarzes Fell und ihre Körpergrösse zeichnen die Tessiner Ziegenrasse Nera Verzasca aus. Die Tiere gehören zu den grössten und kräftigsten Ziegen der Schweiz und sind für ihre Widerstandsfähigkeit bekannt. Weder sommerlich hohe Temperaturen noch winterliche Kälte kann die freiheitsliebenden Nera-Verzasca-Ziegen lange im Stall halten – sie lebt meist im Freien. Dass zur Paarungszeit häufig mehrere Böcke einer weiblichen Ziege nachlaufen, macht die gezielte Zucht mit Einträgen ins Herdebuch schwierig. Um die Vaterschaft zu klären, hilft nur ein DNA-Test. Nera Verzasca wird als Milchziege oder auch zur Landschaftspflege gehalten. Von allen im Herdebuch des SZZV erfassten Rassen mit Schweizer Ursprung sind diese Tiere hierzulande am seltensten zu finden.

Walliser Schwarzhalsziege: Vor allem der Schönheit wegen

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Zwar sind Walliser Schwarhalsziegen in ihrem namensgebenden Heimatkanton kulturell stark verankert, es gibt aber Hinweise darauf, dass die Rasse nicht ursprünglich aus der Schweiz stammt. So sollen an der Entstehung der Schwarzhälse afrikanische Ziegen und auch die italienische Kupferziege beteiligt gewesen sein. Typisch für die Walliser Schwarzhalsziege ist das zweifarbige Fell, wobei der weisse Teil am Ende des Brustkorbes anfängt. Früher trugen die Tiere noch ein kürzeres Fellkleid, was sie pflegeleichter machte und auch das Melken vereinfachte. Heute werden Schwarzhälse mehrheitlich als Hobby oder Mutterziegen gehalten. Die Zucht fokussiert bei dieser Ziegenrasse auf Schönheit und Robustheit. Die aussergewöhnliche Färbung und die grossen Hörner bei männlichen und weiblichen Tieren machen die Walliser Schwarzhalsziege zum Liebling bei Touristen und in Tierpärken.

Pfauenziege: Marschtüchtig und vielseitig nutzbar

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Wie die Walliser Schwarzhals- ist auch die Pfauenziege schwarz-weiss, allerdings mit deutlich komplizierterer Fellzeichnung sowie vorne weiss und hinten schwarz. Pfauenziegen stammen ursprünglich aus dem Graubünden und werden als typische Bergziegen bezeichnet. Die Rasse ist marschtüchtig, geländegängig und robust. Trotzdem sind die in der Schweiz seltenen Tiere für die Milch- und Fleischproduktion durchaus geeignet. Da die Jungtiere rasch an Gewicht zulegen, werden sie als Oster- und Herbstgitzi geschätzt. Als attraktive Trekking-Begleiter oder auf Schauhöfen begeistern Pfauenziegen auch Touristen. 

Stiefelgeiss: Bergsteiger mit häufigen Zwillingsgeburten

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Den Namen hat die Stiefelgeiss von der meist dunklen Beinfärbung, die an Stiefel erinnert. Je nach Farbe unterscheidet man Schwarz- und Braunstiefler. Auf den ersten Blick ähneln Stiefelgeissen der Gämsfarbigen Gebirgsziege. Allerdings trägt diese Rasse längere Haare am Rücken (»Mänteli») und an den Hinterbeinen (»Hösli»). Ausserdem glänzt das Haarkleid der Stiefelgeiss nicht, beide Geschlechter tragen einen Ziegenbart und eindrucksvolle Hörner. Diese Ziegen sind für ihre guten Kletterfähigkeit bekannt und stellen wenig Ansprüche an Futter und Klima. Stiefelgeissen eignen sich für die Landschaftspflege, sowie die Milch- und Fleischproduktion. Für letztere Verwendung ist die Tatsache interessant, dass bei dieser Ziegenrasse häufig Zwillingsgeburten auftreten. Die Ziegenmütter haben genügend Milch für beide Gitzi und werden als fürsorglich beschrieben. 

Kupferhalsziege: Zuerst als Mischling verkannt[IMG 11]

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Die Entdeckung des Walliser Ziegenkomplex, zu dem heute neben der Walliser Schwarzhalsziege auch die Grüenochte Geiss, die Capra Sempione und eben die Kupferhalsziege gezählt werden, begann mit den kupferfarbigen Tieren. 2006 ist Pro Specie Rara auf diese ungewöhnlich gefärbten Ziege aufmerksam geworden und hat festgestellt, dass es sich um eine eigene Rasse und keinesfalls um Mischlinge handelt. Allen Walliser Ziegen gemeinsam sind das auffällig lange Fell, der schlanke, lange Körperbau und die starken Hörner. Kupferhalsziegen sind Muttergeissen in der Fleischproduktion und in Beweidungsprojekten auf Alpen im Einsatz. Der Farbtyp ist extrem gefährdet, bei der Zucht strebt man einen Farbwechsel vor der Körpermitte und nicht zu langes Fell an. 

Grüenochte Geiss: Die Walliser in edlem Grau

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Grüenochte Geissen oder «Grüenochti» sind Ziegen der Walliserziegen-Gruppe, deren vordere Körperhälfte grau gefärbt ist. Die Jungtiere sind meist heller gezeichnet als die erwachsenen Tiere. Grosse Hörner und langes Fell sind typisch für alle Walliserziegen und zeichnen auch die Grüenochte Geissen aus. Es wird heute empfohlen, bei der Zucht vor allem auf die Farbe zu setzen, damit der graue Farbschlag erhalten werden kann. Diese Rasse liefert Fleisch und kann im Kampf gegen die Verbuschung eingesetzt werden. «Grüenochti» gehört zu den seltensten Ziegenrassen der Schweiz.   

Capra Sempione: International im Simplongebiet

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Die Simplonziege oder Capra Sempione, die Walliser auch Simplerziege nennen, ähnelt den anderen Walliser Ziegen in Körperbau und Haarkleid – ist allerdings schneeweiss. Wie der Name es sagt war sie früher vor allem im Simplongebiet verbreitet, sowohl auf der schweizerischen wie auch auf der italienischen Seite. Für die Rettung der Ziegenrasse fand Pro Specie Rara neben kleinen Beständen im Wallis auch Capra Sempione in Süddeutschland. In der Schweiz gibt es noch immer nur sehr wenige Simplerziegen. 

Capra Grigia: Gute Tarnung mit Nachteilen

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In den felsigen Alpen der Bündner und Tessiner Täler ist das grau-melierte Fell mit den schwarzen Beinen eine gute Tarnung. Das schützt die Ziegen zwar vor Raubtieren, macht es für die Sennen aber auch schwierig, die Capra Grigia aus der Distanz auszumachen. Um das Auffinden der Herden zu vereinfachen, liess man daher früher gerne andersfarbige Ziegen mitlaufen. Die graue Fellfarbe kommt in verschiednen Tönen vor, die von den unterschiedlichen Wurzeln der Tiere bestimmt werden: Silbergrau (Leventina), Mittelgrau (Calanca-Region) und Dunkelgrau (Valmaggia). Weisse Sprenkel sind bis auf einen dekorativen Stern auf der Stirn bei Capra Grigia nicht erwünscht. Der italienische Name ist als Hommage an ihre Herkunft dieser Milch- und Fleischziege hängen geblieben. 

Anglo Nubian: Kreuzung mit Hängeohren

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Die Anglo Nubian hat ihren Ursprung in der Kreuzung afrikanischer und englischer Landschläge, ist also in der Schweiz eine importierte Rasse. Sie hat sehr gute Werte für Milchinhaltsstoffe und kommt ohne Probleme mit Hitze zurecht. Typisch für Anglo Nubian sind die langen, geschwungenen Ohren und ihre Ramsnase. Erstmals wurde diese Ziegenrasse 2002 ins Herdebuch des szzv aufgenommen, 2019 gab es insgesamt 45 dieser Tiere in der Schweiz. 

Burenziege: Genügsame Fleischlieferanten

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Mehrlingsgeburten sind bei Burenziegen keine Ausnahmeerscheinung, sondern die Regel. Die Gitzi werden von den Geissen dank deren ausgeprägtem Mutterinstinkt fürsorglich betreut. Die aus Südafrika stammende Ziegenrasse hat einen ruhigen Charakter und ist genügsam. Burenziegen werden gezielt auf eine gute Fleischleistung gezüchtet.

Tauernschecken: Die jüngste Herdebuchrasse

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Erstmals wurden die aus Österreich stammende Tauernschecke 2017 ins Herdebuch des SZZV aufgenommen. Sie wird als Gebirgsrasse bezeichnet, der Name erinnert an das Ursprungsgebiet Hohen Tauern und das gescheckte Fell. 125 Tiere waren 2019 im Herdebuch gemeldet. Tauernschecken eignen sich für die Milchproduktion und die Beweidung unwegsamer Gebiete.