«Die Versorgungslage im Bereich Antibiotika ist in der Tier- und vor allem der Nutztier-Medizin angespannt», erklärt Patrizia Andina-Pfister von der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST. Während man bei den Kleintieren eher auch auf nicht-kritische Produkte aus der Humanmedizin ausweichen könne, bestehe diese Möglichkeit bei Nutztieren nicht, denn gelte es, Abbaufristen zu berücksichtigen.

Günstiges kam aus China

AboNicht erst seit Corona ein ProblemDer Mangel an Tierarzneimitteln ist ein Tierschutz-ProblemFreitag, 25. Februar 2022 Grundsätzlich bestehe das Problem schon seit rund 15 Jahren, führt die Expertin aus. Aufgrund des zunehmenden Preisdruckes habe die Tierärzteschaft häufig möglichst erschwingliche Produkte eingesetzt, auch im Hinblick auf den Geldbeutel ihrer Kundschaft. «Diese vergleichsweise günstigen Mittel sind meist in China oder Indien produziert worden und wenn es da zu Problemen gekommen ist, hat man das entsprechend auch beim Nachschub für Europa gespürt», holt Andina-Pfister aus. In der jüngeren Vergangenheit hätte etwa sich die Covid-Krise die Versorgungslage beeinflusst. Faktoren wie Lockdowns in China, kranke Mitarbeitende, Engpässe bei Materialien wie etwa Glasflaschen, Gummistopfen oder Karton, dazu eine Logistik, die hauptsächlich für Impfstoffe gebraucht wird, haben den Nachschub ins Stocken gebracht. Seit einem Jahr behindert der russische Krieg in der Ukraine die Warenflüsse zwischen Ost und West zusätzlich.

Pflichtlager auch für Tiere

Während für die Humanmedizin Pflichtlager für verschiedene Medikamente bestehen, existieren im Bereich der Tiermedizin lediglich Pflichtlager für Antibiotika. Aktuell werde diskutiert, ob es nötig sei, Pflichtlager für weitere in der Tiermedizin benötigte Stoffe anzulegen, sagt die Fachfrau. «Hier gäbe es Bedarf, ganz wichtig etwa bei Stoffen, die zur Euthanasie verwendet werden», gibt Patrizia Andina-Pfister zu bedenken.

Antibiotika-Bedarf enorm gestiegen

Die Nachfrage nach Antibiotika für die Humanmedizin ist weltweit hoch – und sie ist es bereits seit einiger Zeit. Indessen hat die Produktion nicht mit dem Bedarf Schritt halten können, was in den vergangenen Jahren bereits zu Engpässen geführt hat. Am 1. November 2019 wurden deshalb die Pflichtlager für Antibiotika geöffnet, die per Injektion oder Infusion verabreicht werden. Diese Massnahme hat zwar die Lage entspannt, aber nicht nachhaltig helfen können. Wie der Bund in einer aktuellen Mitteilung schreibt, hat sich die Versorgungslage mit Antibiotika durch die Corona-Pandemie und eine darauf folgende, starke und langanhaltende Infektionswelle zusätzlich verschärft.

Versorgungsstörungen bei 25 Mitteln

Aktuell teilt die Meldestelle Heilmittel des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung mit, dass es bei 25 Antibiotika-Produkten zu Verzögerungsstörungen komme. 20 dieser Mittel sind zur oralen Einnahme gedacht, also Pillen und Tabletten. Wie der Bund weiter schreibt, haben neben den oben genannten Gründen weitere Faktoren zu dieser Knappheit beigetragen, etwa auf Herstellerseite Marktrückzüge und Sortimentsbereingungen. Besonders fatal: Die hiesigen Hauptanbieter von oralen Antibiotika beziehen ihre Ware alle von ein und demselben Hersteller, der seinerseits mit Kapazitätsproblemen kämpft. Deshalb erhalten die einzelnen Länder nur limitierte Mengen.

Weitere Störungen sind absehbar, Versorgungslage «problematisch»

Da die zeitlich begrenzten Bezüge von oralen Antibiotika aus den Pflichtlagern nicht mehr reichen, um die Engpässe zu überbrücken, ändert der Bund nun die entsprechende Verordnung zu den Pflichtlagern für orale Antibiotika. Dadurch soll eine Verbesserung der Versorgungslage erreicht werden. Und doch: er Markt bleibe lediglich knapp versorgt, schreibt der Bund. Trotz der Freigabe der Pflichtlager könne es zu Lieferengpässen kommen, da die weltweite Nachfrage langfristig steigen könnte. Diese Situation gilt aber nicht nur bei den Antibiotika, sondern auch noch für weitere Arzneimittel. Folglich stuft die wirtschaftliche Landesversorgung die Versorgungslage als «problematisch» ein. Eine eigens für kurzfristige Massnahmen eingesetzte «Taskforce Engpass Medikamente» soll nun rasch umsetzbare und sofort wirksame Massnahmen prüfen.