Sie ahmen Krankheitserreger nach, ohne dabei die eigentliche Krankheit auszulösen. Die Rede ist von Schutzimpfungen, die heute zu den wichtigsten Massnahmen gehören, um Infektionskrankheiten vorzubeugen. Bislang war die Verfügbarkeit der Impfstoffe für Nutz- und Heimtiere weitgehend sichergestellt. Diese Zeit scheint vorbei zu sein. Corona, fehlendes Verpackungsmaterial und neuerdings auch Rohstoffknappheit tragen dazu bei, dass Impfstoffe zum Teil nicht mehr in gefragter Menge verfügbar sind.
Die Impfsaison hat begonnen
Aktuell kämpft die Pferdebranche mit einem knappen Stand an Impfdosen gegen die Pferdegrippe (Influenza). Die Vertriebsorganisation des Mittels ProteqFlu hat Versorgungsengpässe zu verzeichnen. Und dies gerade zeitgleich mit dem Beginn der Impfsaison. Wie die Tierärztin Claudia Graubner auf Anfrage erklärt, werden die Gründe für diese Lieferschwierigkeiten nicht kommuniziert.
Sie würden auch wenig an der Tatsache ändern, dass sich Tierärzte und Pferdebesitzerinnen mit dem Thema auseinandersetzen müssen. «Man muss das Impfen aktuell etwas genauer planen», sagt Graubner, die bei der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) im Vorstand Einsitz hat.
Komplette Grundimmunisierung allenfalls nicht möglich
Insbesondere die Grundimmunisierung der Jungpferde könnte sich als Knackpunkt herauskristallisieren. Die eben erst abgesetzten Fohlen sollten im ersten Lebensjahr dreimal gegen Influenza geimpft werden, was der korrekten Grundimmunisierung entspricht. Diese wird an Sportveranstaltungen, aber auch an vielen Freizeitprüfungen und mittlerweile auch von mehreren Stallbesitzern gefordert. Wohl mit Erfolg, denn die Pferdegrippe konnte in der Schweiz schon lange nicht mehr nachgewiesen werden. Bei der Meldeplattform für Pferdekrankheiten, Equinella, wurde seit deren Neustart im Jahr 2013 jedenfalls noch kein Fall registriert.
Die Pferdehalter sind gefordert
Die jährliche Wiederholung, der Booster, muss innerhalb der Frist von 365 Tagen nach der letzten Impfung injiziert werden. Nur dann gilt das Pferd als korrekt geimpft. Weil die Pferde mehrheitlich im Winterhalbjahr geimpft werden, kann es nun zu Engpässen kommen, da Tierärzte nur noch eine beschränkte Menge Impfstoff aufs Mal bestellen können. Die Situation werde sich erst im kommenden April wieder beruhigen, wie der Lieferant der Tierärztin Claudia Graubner mitteilte.
In einem halben Jahr also. Bis dahin sind nicht nur die Tierärzte gefordert, sondern auch die Pferdehalter. Der rechtzeitige Blick in den Pass auf die Seiten mit den Impfungen ist lohnend. Denn in den kommenden Monaten ist unter Umständen ein Nachimpfen von heute auf morgen nicht mehr möglich. Panikmache sei jetzt nicht das Richtige, ist Graubner sicher.
Antikörper bestimmen wäre eine Lösung, aber…
Aber auch die Verbände seien gefordert, sich Lösungsstrategien zu überlegen. Einen möglichen Weg nennt Graubner mit der Bestimmung von Antikörpern. Hier scheint die Schweiz allerdings (noch) schlecht aufgestellt. Es fehlt ein Angebot zur Überprüfung der Immunität oder des Impferfolgs. Das Problem ist nicht, dass es keinen Test gibt, sondern, dass die Stämme, mit denen gearbeitet und verglichen wird, veraltet sind. Für die Zukunft könnte ein Pflichtlager helfen. Doch das Anlegen eines Impfpflichtlagers zur Überbrückung solcher Engpässe scheint nur bedingt sinnvoll. Impfstoffe laufen ab und verlieren irgendwann ihre Wirkung.
Die Krankheit könnte zurückkommen
Die Pferdegrippe stellt für die Schweiz keine akute Bedrohung dar. Claudia Graubner ist aber sicher: Bleibt die Impfung aus, kommt diese Krankheit zurück. «Es braucht uns jetzt alle», sagt die Tierärztin. Denn das Problem sei kein schweizerisches. Dieser Impfstoff fehlt auch in anderen Ländern. Die Mobilität hierzulande einzuschränken, mache im Falle eines Ausbruchs im nahen Ausland auf jeden Fall Sinn. Zum einen verordnet, aber eben auch auf freiwilliger Basis.
Dieser Mangel ist längst kein Einzelfall
Die Problematik der fehlenden Impfstoffe wird die Veterinärmedizin und die Tierhaltenden noch weiter beschäftigen. Der aktuelle Engpass bei der Influenza-Impfung für Pferde bleibt indes kein Einzelfall. Impfungen gegen Rauschbrand, Blauzunge oder Breiniere haben heuer bereits gefehlt oder fehlen noch. Zumindest zum Teil dürften solche Engpässe mit tierschutzwidrigen Begleiterscheinungen einhergehen.