«Bei den Kühen verfügen wir über enorm viele Daten zur Tiergesundheit: Wir haben Angaben zur Eutergesundheit, der Futterzusammensetzung, zur Anzahl Schritte der Kuh und vereinzelt wird sogar die Temperatur im Pansen gemessen. Doch was für Daten haben wir von den Kälbern?» Dies fragte Helen Huber von Rindergesundheit Schweiz (RGS) die Teilnehmer der Kälbergesundheitstagung von Bio Schwyz.

Kälberkrankheiten seien Faktorenerkrankungen

Die Kälbergesundheit sei sehr komplex und werde von vielen Faktoren beeinflusst, so die [IMG 2] Tierärztin. Kälberkrankheiten seien Faktorenerkrankungen, man könne Probleme darum nicht einfach mit einer einzigen Massnahme lösen. «Es ist selten nur der böse Käfer, der unsere Kälber krank macht, der Erreger ist höchstens die Spitze des Eisberges. Dadurch findet man das Allerweltsmittel gegen Kälberkrankheiten weder in der Apotheke des Tierarztes noch auf dem Rücksitz eines Vertreters», so Helen Huber. Kolostrum sei Gold. Keine Pülverchen oder Mittelchen könne gutes Kolostrum ersetzen, betonte die Tierärztin gegenüber der bescheidenen Zahl an teilnehmenden Biobauern.

Biestmilch besser mittels Flasche verabreichen

Als Richtwert gelte, zehn Prozent des Körpergewichtes an Kolostrum in den ersten sechs bis zwölf Lebensstunden. Nehme das Kalb diese Menge nicht auf, soll notfalls gedrencht werden. Helen Huber bevorzugt es, die Biestmilch dem Kalb mittels Flasche zu verabreichen, anstatt direkt von der Kuh saugen zu lassen. «Dadurch besteht die Sicherheit, dass das Tier genügend aufgenommen hat.»

43 Prozent der Tiere zu wenig Kolostrum

Obwohl eine frühe und genügende Kolostrum-Verabreichung immer wieder propagiert werde, sei die Realität immer noch eine andere. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2017 mit 740 Kuhkälbern aus 140 Betrieben habe gezeigt, dass 43 Prozent der Tiere zu wenig Kolostrum erhalten. Ein weiterer Schlüsselfaktor sei die Qualität des Kolostrums. Das Milchlaufenlassen vor der Geburt, der Zeitpunkt des ersten Melkens, die Milchmenge und die Eutergesundheit könnten diese beeinflussen.

Mindestens 8 Liter pro Tag in den ersten sechs Wochen

Gesunde Kälber würden sich durch hohe Tageszunahmen auszeichnen. 75 Prozent der Kälber im Bestand sollten von der zweiten bis zur zehnten Lebenswoche Tageszunahmen von über 750 Gramm aufweisen. Intensive Aufzucht bedeute vor allem eines: genügend Milch. Das heisse: mindestens acht Liter pro Kalb und Tag in den ersten sechs Wochen.

Geringere Anfälligkeit auf Krankheiten

Die Kälber sollten zwar Heu und Kälbermüesli zur Verfügung haben. Fakt sei aber, dass die Jungtiere erst ab ca. zwei Monaten ausreichend pflanzliche Proteine verdauen, vorher sei der Pansen dafür schlichtweg noch nicht vollständig eingerichtet. Tiere, die mit genügend Kolostrum und Milch versorgt wurden, würden eine bedeutend geringere Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern aufweisen und als adulte Tiere mit nachweislich höheren Milch- und Mastleistungen überzeugen.

Teure Biomilch führt zu restriktivem Tränkeregime

Die guten Biomilchpreise seien zwar wirtschaftlich vermeintlich interessant. Es verleite aber auch dazu, die Milchmengen bei den Kälbern zu stark einzuschränken. Würden Kälber aber durch ein zu restriktives Tränkeregime krank und könnten ihr Wachstumspotenzial nicht ausschöpfen, sei das hinten rechts stark zu spüren.

Helen Huber ging noch auf weiter entscheidende Faktoren in der Kälbergesundheit ein. Wichtig sei auch die Versorgung der Muttertiere in der Galtphase. Insbesondere die Selenversorgung müsse im Auge behalten werden.

Selenversorgung schon im Frühherbst im Auge behalten

Selenmangel könne zu einem ganzen Rattenschwanz an Gesundheitsproblemen führen. Schon der Abkalbevorgang werde durch Selenmangel erschwert. Das Kalb sei weniger vital, würde weniger Kolostrum aufnehmen, was dann zu den bekannten gesundheitlichen Problemen wie Durchfall und Lungenentzündungen führe. Darum sei es entscheidend, dass auch die Muttertiere, die im Herbst als Erste abkalben, bereits genügend versorgt seien. Denn wenn schon die ersten Kälber der Abkalbesaison gesundheitliche Probleme hätten, würden diese eine hohe Zahl an Erregern ausscheiden und den Infektionsdruck für die folgenden Kälber erhöhen.

Rindergesund­heit Schweiz

Rindergesundheit Schweiz (RGS) bietet Dienstleistungen und Gesundheitsprogramme an mit Fokus auf Prävention von Krankheiten und Gesundheitsproblemen auf Herden­basis. RGS unterstützt ­Betriebsleitende und Bestandestier­ärzt(innen) durch Beratung, Diagnostikbesuche, Weiterbildungsveranstaltungen und Fachinfos. Als Organisation ist RGS dem Verein Nutztiergesundheit Schweiz angegliedert. Die zwei Standorte befinden sich am Tierspital Zürich (Vetsuisse) und am Inforama Rütti in Zollikofen BE.

Jeweils am 1. Mittwoch des Monats finden kostenlose Webinare zu Themen rund um Tiergesundheit und Gesundheitsprävention statt.

Weitere Informationen: www.rgs-ntgs.ch